
SPD-Papier zu Außen- und Sicherheitspolitik Klingbeil distanziert sich vom "Manifest"
Prominente SPD-Politiker hatten in einem Positionspapier einen anderen Kurs in der Außen- und Sicherheitspolitik, sowie Gespräche mit Russland gefordert. Der Parteichef der Sozialdemokraten, Klingbeil, positioniert sich nun klar dazu.
SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich deutlich von der parteiinternen Forderung nach einer Wende im Verhältnis zu Russland abgegrenzt. Russland sorge für unfassbares Leid in der Ukraine und dafür, dass dort jeden Tag Menschen sterben, sagte Klingbeil in Berlin.
Russlands Präsident Wladimir Putin könnte den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden. "Er tut es aber nicht." Es habe zuletzt viele diplomatische Bemühungen gegeben, den Ukraine-Krieg zu beenden. Putin lasse sich darauf aber nicht ein.
"Es wird, das will ich sehr klar sagen, mit mir keine Kehrtwende geben bei der Unterstützung der Ukraine", betonte Klingbeil. "Militärische Stärke auf der einen Seite und diplomatische Bemühungen auf der anderen Seite sind keine Gegensätze, sondern das sind zwei Seiten einer Medaille."
Klingbeil empfindet Positionspapier nicht als Angriff
Als Attacke auf ihn selbst wertete Klingbeil das Papier prominenter Sozialdemokraten nicht. "Ich bin weit davon weg, politische Debattenbeiträge als persönlichen Angriff auf mich zu sehen", sagte er. Die SPD sei eine Partei, die mit sich ringe und diskutiere. "Wenn wir mal nicht einer Meinung sind, dann macht uns das nicht gleich zu Gegnern", sagte Klingbeil. Es sei richtig, Wege zu einem Frieden zu suchen.
Das Papier war kurz vor dem SPD-Parteitag bekannt geworden, der vom 27. bis 29. Juni stattfindet. In dem als "Manifest" titulierten Dokument fordern SPD-Linke eine neue Sicherheits- und Außenpolitik einschließlich einer Annäherung an Russland.
Zudem wendeten sich die Unterzeichner gegen eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und forderten ein Ende des Rüstungswettlaufs. Das Papier löste Irritationen nicht nur in der SPD, sondern auch beim Koalitionspartner Union aus.
Stegner: "Manifest" keine Forderung an Bundesregierung
Zu den Unterzeichnern des Positionspapiers gehören Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans und der Außenpolitiker Ralf Stegner. "Über Waffen kann öffentlich jeder Trottel reden. Selbst jemand, der ein Gewehr nicht von einem Regenschirm unterscheiden kann. Aber die Diplomatie, die hinter verschlossenen Türen stattfindet, das ist die wirkliche Kunst", sagte Stegner dem Magazin Cicero.
Auf NDR Info warnte er bei aller notwendigen, auch militärischen Unterstützung der Ukraine gegen die russische Invasion davor, "sich wechselseitig totzurüsten und damit die Kriegsgefahren auch zu erhöhen".
Walter-Borjans sagte der Westdeutschen Zeitung: "Was wir beklagen, ist der Glaube, dass man einem Ende des Blutvergießens näher kommt, wenn man Abrüstungsverhandlungen für nicht mehr zeitgemäß erklärt, Sicherheit nicht mehr mit, sondern gegen einen nach wie vor großen Nachbarn organisieren will und sich bei schon sehr hohen Rüstungsausgaben in einen finanziell unbegrenzten Rüstungsrausch steigert."
Mützenich sagte dem Tagesspiegel: "Unsere Überlegungen sollen eine breite, seit Jahren in der SPD und außerhalb geführte Diskussion ergänzen. Dass es vor dem Parteitag fertiggestellt wurde, hat auch damit zu tun, dass wir uns ein neues Grundsatzprogramm geben wollen." Stegner stellte klar, das "Manifest" sei "keine Forderung an die Bundesregierung, sondern ein Diskussionspapier für die Debatte in der Sozialdemokratie".
"Der Verantwortliche sitzt in Moskau"
Verteidigungsminister und SPD-Politiker Boris Pistorius, der als einer der Urheber der aktuellen Sicherheitspolitik gilt, war mit dem "Manifest" hart ins Gericht gegangen und hatte das Papier gegenüber der Nachrichtenagentur dpa als "Realitätsverweigerung" bezeichnet.
Im Gespräch mit den tagesthemen während seines Besuches in der ukrainischen Hauptstadt Kiew macht er noch einmal deutlich, dass er diplomatische Anstrengungen nicht für falsch halte. Jedoch müsse die Realität betrachtet werden, so Pistorius: "Wladimir Putin hat jeden Versuch von Gesprächen über eine Waffenruhe sabotiert oder verhindert und gar nicht erst wahrgenommen."
Gleichzeitig habe der russische Präsident die schlimmsten Angriffe auf zivile Einrichtungen in der Ukraine fliegen lassen. "Das ist eine nonverbale Antwort auf jedes Friedensangebot. Also wer ist hier eigentlich derjenige, der sich diplomatischen Bemühungen verweigert?" Dies sei nicht Deutschland oder Europa - "der Verantwortliche sitzt in Moskau".
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte zu dem Papier im "Playbook-Podcast" von Politico, sie teile dessen Vorschläge nicht. Allerdings betonte sie auch: "Dass Ralf Stegner oder Rolf Mützenich diese Position vertreten, ist nicht wahnsinnig überraschend." Sie lehne zwar die Debatte darüber nicht ab, doch: "Zusammenarbeit mit Putins Russland, das glaube ich, ist nicht das, was die Situation gerade hergibt."
Ähnlich äußerte sich Juso-Chef Philipp Türmer bei Zeit Online. Er habe zwar Verständnis für das Ziel der Abrüstungs- und Friedenspolitik. "An anderer Stelle erscheint mir die Linie, die dort skizziert wird, leider zu kurz gedacht und unausgegoren, insbesondere mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Da bleibt das Papier eine zentrale Antwort schuldig: Wie geht man mit einem Russland um, das keine Gespräche führen will? Wie soll eine Entspannungspolitik mit Putin möglich sein?"
Wagenknecht schlägt gemeinsame Demo vor
BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht sagte dem Nachrichtenportal t-online, auch wenn die Initiative zu dem "Manifest" keine Mehrheit finde, dürfe die Debatte nicht beendet sein. Sie schlug vor, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die Initiatoren aus der SPD gemeinsam zu einer großen Kundgebung aufrufen sollten. Ziel sei es, alle Unterstützerinnen und Unterstützer des "Manifests" zu mobilisieren, und sie zu "bitten, sich zu beteiligen", sagte Wagenknecht.