Menschen neben einem zerstörten Haus in Chan Yunis im Gazastreifen.

Offensive der israelischen Armee Zahlreiche Tote bei Angriffen im Gazastreifen

Stand: 15.05.2025 16:24 Uhr

Im Gazastreifen setzt die israelische Armee ihre Angriffe mit unverminderter Härte fort. Nach palästinensischen Angaben wurden viele Menschen getötet. Auch die humanitäre Lage ist weiter katastrophal - eine US-Stiftung soll nun helfen.

Bei erneuten israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben zahlreiche Menschen getötet worden. Es gibt aber sehr unterschiedliche Angaben zur Zahl der Toten. Die Nachrichtenagentur AFP meldet, dass seit dem Morgen 103 Menschen getötet wurden. Dabei beruft sie sich aber auf die von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde.

Die Nachrichtenagentur dpa spricht von mindestens 15 Toten bei Angriffen im nördlich gelegenen Dschabalija und mehr als 50 weiteren Opfern bei früheren Angriffen auf Chan Yunis im südlichen Gazastreifen. Ähnliche Zahlen nennt auch die US-Agentur AP. Ein israelischer Militärsprecher sagte, die Armee habe in der Nacht im südlichen Gazastreifen Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihad angegriffen.

Krankenhaus in Chan Yunis beschädigt

Dem AP-Bericht zufolge stellte das Europäische Krankenhaus in Chan Yunis wegen schwerer Schäden an Infrastruktur und Zufahrtsstraßen seine Arbeit zumindest vorläufig ein. Die israelischen Streitkräfte hatten das Krankenhaus am Dienstag zweimal angegriffen und erklärt, sie hätten eine Hamas-Kommandozentrale unterhalb der Einrichtung ins Visier genommen.

Krankenhausdirektor Imad al-Hut betonte, zum Zeitpunkt der Angriffe seien dort 200 Patientinnen und Patienten behandelt worden.

Netanjahu hatte Militäroffensive angekündigt

Anfang der Woche hatte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt, die israelische Armee werde in den nächsten Tagen "mit voller Kraft" im Gazastreifen vorgehen. Dies bedeute die "Zerschlagung" der radikalislamistischen Hamas.

In den vergangenen Tagen hatte es in der katarischen Hauptstadt Doha Verhandlungen über die mögliche Freilassung von israelischen Geiseln gegeben. Netanjahu sprach nach Angaben seines Büros mit dem US-Sonderbeauftragten Steve Witkoff und dessen Team. Die Hamas warf Israel vor, die Vermittlungsbemühungen durch "eine vorsätzliche militärische Eskalation" zu sabotieren.

Auch im Westjordanland ging Israel erneut militärisch vor. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, der Einsatz in den Ortschaften Tamun und Tubas habe in der Nacht begonnen und bis zum Morgen gedauert. Es sei zu Schusswechseln mit Extremisten gekommen, die Anschläge geplant hätten. Fünf von ihnen seien getötet worden, so das Militär.

US-Stiftung will Versorgung in Gaza übernehmen

Im Gazastreifen spitzt sich unterdessen die humanitäre Lage weiter zu, denn Israel blockiert weiter dringend benötige Hilfslieferungen. Internationale Organisationen warnen schon länger vor einer Hungerkatastrophe. Eine private US-Stiftung will nun die Versorgung übernehmen. Noch vor dem Ende des Monats soll mit der Verteilung humanitärer Hilfe begonnen werden.

Die Stiftung teilte am Mittwoch mit, Israel habe zugestimmt, die Zahl der "sicheren Verteilungsstellen" für die Bevölkerung des Gazastreifens zu erhöhen. Sie habe die israelische Regierung zudem darum gebeten, "Lösungen" für Palästinenserinnen und Palästinenser zu finden, die Verteilungspunkte im Norden des Gazastreifens nicht erreichen können. 

Spenden sollen öffentlich nachvollziehbar sein

Vergangene Woche hatte das US-Außenministerium die Gründung der privaten Stiftung bekanntgegeben, die künftig federführend an der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen beteiligt sein soll. Viele Details zu der Organisation sind bisher nicht bekannt.

Geleitet werden soll die Stiftung nach eigenen Angaben von ehemaligen Führungspersönlichkeiten der Vereinten Nationen (UN), der Katastrophenhilfe und ehemaligen Militärs. Die Spenden sollen öffentlich nachvollziehbar und überprüfbar sein, so die Stiftung.

Hilfe nur an bestimmten Verteilzentren

Im Gazastreifen tätige UN-Organisationen und andere Hilfsorganisationen erklärten, Israel wolle das bisherige Verteilungssystem für Hilfsgüter abschaffen. Demnach sollen die Güter künftig nach von der israelischen Armee festgelegten Bedingungen geliefert werden.

Nach den Worten des US-amerikanischen Botschafters in Israel, Mike Huckabee, soll das israelische Militär die Sicherheit der Verteilungsstellen gewährleisten, aber nicht an der Verteilung von Lebensmitteln oder deren Transport in den Gazastreifen beteiligt sein. Israel unterstützt den "humanitären Plan der USA".

Kritik von Hilfsorganisationen

Die Vereinten Nationen kritisieren die Pläne der Stiftung. Das Kinderhilfswerk UNICEF hält die Pläne für gefährlich: Sollten Güter wie angekündigt nur in bestimmten Verteilzentren ausgegeben werden, könnten Zivilisten auf dem Weg dorthin ins Kreuzfeuer des Krieges geraten, sagte Sprecher James Elder. Ältere Menschen oder solche mit Behinderungen sowie Kranke und Verletzte könnten die Verteilzentren überhaupt nicht erreichen.

Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz äußerte Bedenken: "Humanitäre Hilfe darf weder politisiert noch militarisiert werden. Die Not der Zivilbevölkerung in Gaza ist derzeit überwältigend, und Hilfsgüter müssen unverzüglich und ungehindert ins Land gelangen können", erklärte IKRK-Sprecher Steve Dorsey. Die US-Regierung hat die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen aufgefordert, mit der Gaza Humanitarian Foundation zusammenzuarbeiten.

Seit Anfang März ist der Gazastreifen durch Israel abgeriegelt. Hilfslieferungen kommen nicht mehr in den zu großen Teilen zerstörten Küstenstreifen. Israel begründet seine Blockade damit, dass humanitäre Hilfe in die Hände der radikal-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas falle.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Mai 2025 um 16:00 Uhr.