
Statistik zur Erwerbstätigkeit Arbeiten die Deutschen weniger als der EU-Schnitt?
Die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland liegt knapp unter dem EU-Schnitt. Anders sieht es aus, wenn die vielen Teilzeitbeschäftigten in der Rechnung mitberücksichtigt werden.
Die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten im Alter von 15 bis 64 Jahren liegt in Deutschland mit 40,2 Stunden nur knapp unter dem EU-Schnitt von 40,3 Stunden. Das geht aus Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung hervor, die das Statistische Bundesamt veröffentlichte. Die Ansicht, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen EU-Ländern wenig arbeiten, lässt sich somit aus den offiziellen Daten zu den Vollzeitbeschäftigten nicht ablesen.
Werden allerdings sämtliche Erwerbstätige herangezogen, dann sieht das Bild etwas anders aus: Die geleistete Wochenarbeitszeit belief sich hierzulande im vergangenen Jahr auf 34,8 Stunden. Dieser Wert lag klar unter dem EU-Durchschnitt von 37,1 Wochenstunden. "Dies ist vor allem auf die hohe Teilzeitquote in Deutschland zurückzuführen", erklärten die Statistiker den Abstand.
Hohe Teilzeitquote in Deutschland
2024 arbeiteten hierzulande 29 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren in Teilzeit. Höher war die Teilzeitquote lediglich in den Niederlanden (43 Prozent) und Österreich (31 Prozent). Zum Vergleich: EU-weit arbeiteten nur 18 Prozent der Erwerbstätigen in Teilzeit.
Dabei hat die geleistete Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten zugenommen, wie die Statistiker herausfanden. Diese arbeiteten 2024 in Deutschland durchschnittlich 21,8 Wochenstunden, während es 2014 nur 19,3 Stunden gewesen waren. EU-weit gab es im selben Zeitraum einen Anstieg von 20,6 auf 22,0 Wochenstunden.
Höhere Erwerbstätigkeit von Frauen
In Deutschland geht die im EU-Vergleich höhere Teilzeitbeschäftigung zudem mit einer höheren Erwerbstätigkeit einher. Demnach waren 77 Prozent der 15- bis 64-jährigen Bevölkerung hierzulande 2024 erwerbstätig - ein Rekord, der deutlich über der EU-Erwerbstätigenquote von 71 Prozent lag. Bei Frauen lag die Erwerbstätigenquote mit 74 Prozent sogar acht Prozentpunkte über dem EU-Schnitt.
Dabei arbeiten 48 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Deutschland in Teilzeit - bei Männern sind es zwölf Prozent. Auf EU-Ebene ist der Geschlechterunterschied deutlich geringer. EU-weit waren 28 Prozent der Frauen in Teilzeit tätig - gut dreimal so viel wie Männer (acht Prozent). "Eine Teilzeittätigkeit kann als Möglichkeit wahrgenommen werden, Beruf und Familie zu vereinbaren", erklärte das Statistikamt.
Debatte über Arbeitszeit in Deutschland
Angesichts der Wirtschaftskrise in Deutschland waren zuletzt die Rufe nach längeren Arbeitszeiten und weniger Teilzeit lauter geworden. Nur so lasse sich der Wohlstand in Deutschland sichern, argumentieren Wirtschaftsverbände und Managerinnen sowie Manager. Die Bundesregierung will eine wöchentliche anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit einführen - was Gewerkschaften als Ende des Acht-Stunden-Tags ablehnen.
Die Pläne, die tägliche Höchstarbeitszeit abzuschaffen, gingen in die falsche Richtung, ist auch Yvonne Lott, Arbeitszeitexpertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, überzeugt. "Sehr lange Tagesarbeitszeiten machten es Menschen mit Sorgeverpflichtung schwerer, erwerbstätig zu sein."
Die überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigenquote besonders bei Frauen sei derweil eine erfreuliche Entwicklung, so Lott. "Die Bundesregierung kann darauf aufbauen, indem sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter stärkt, etwa durch kluge Arbeitszeitmodelle, die planbare und maßvolle Tagesarbeitszeiten fördern."