Menschen betrachten die Lichtinstallation am Reichstagsgebäude

Lichtinstallation am Reichstag Erst ein allgemeines "Oh" - und dann?

Stand: 11.06.2025 12:46 Uhr

Kanzler Kohl war strikt dagegen, dass der Reichstag verhüllt wird. Doch das Christo-Kunstprojekt wurde ein sensationeller Erfolg. 30 Jahre später gibt es eine Lichtinstallation, die daran erinnert. Wie kommt die an?

Von Tomas Fitzel, rbb

Keine Wiederholung, aber eine Erinnerung als optische Illusion will diese Lichtinstallation erzeugen. Dafür wurden drei Techniktürme mit jeweils acht Beamern aufgebaut, die zusammen die gigantische Lichtleistung von 700.000 Lumen erbringen.

Am Montag kurz vor zehn Uhr abends, nach Einbruch der Dunkelheit, war es dann soweit: Vor der Westfassade des Berliner Reichstags hatten sich einige Hundert Neugierige versammelt - und sehr viele Pressevertreter. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner drückte gemeinsam mit anderen auf den Startknopf. Die Spannung war groß.

Der Künstler Christo steht vor einem Modell des "Verhüllten Reichstags". (Archivbild: 17.06.2015)

Christo vor einem Modell des verhüllten Reichstags. Mehr als fünf Millionen Menschen kamen laut Schätzungen 1995, um das Kunstprojekt zu bestaunen.

Rita Süssmuth überzeugte die Skeptiker

So war es auch vor 30 Jahren, als die ersten Stoffbahnen von der Dachkante des Reichstags herabrollten. Die Skepsis war anfangs sehr groß, denn niemand konnte sich zuvor die immens sinnliche Wirkung der Reichstagsverhüllung vorstellen, trotz aller Entwurfsskizzen.

In der Politik gab es große Widerstände, einige fürchteten um die Würde des Reichstags. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl war strikt dagegen. Auch Kai Wegner gibt zu, dass er damals zu den Skeptikern gehörte. Es war Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die viele Politikerinnen und Politiker zum Umdenken brachte mit dem Argument, dass das neue, wiedervereinigte Deutschland mit Berlin als künftigem Regierungssitz eine sichtbare Zäsur bräuchte.

Damals stand der Reichstag noch als einsamer Solitär auf weitem Feld. Der Umbau durch Sir Norman Foster hatte noch nicht begonnen. Es war das einzige mögliche Zeitfenster für das Künstlerehepaar Jeanne-Claude und Christo. Schon in den 1970er-Jahren hatten sie mit ersten Ideen und Anfragen dazu begonnen. Da der Reichstag genau an die Mauer angrenzte, war dies aber vor dem Mauerfall gar nicht denkbar gewesen.

Lichtinstallation am Reichstagsgebäude

Anders als vor 30 Jahren bleibt das Gebäude mit all seinen architektonischen Details sichtbar.

"Wie ein funkelnder Diamant"

Mit der fertigen Verhüllung war dann schlagartig alle Skepsis und Kritik wie weggeblasen. "Dieser verhüllte Reichstag war wie ein großer, funkelnder Diamant, der aus dem All direkt hier auf den Platz der Republik gefallen war und die Menschen zum Staunen brachte", erinnert sich Kulturmanager Peter Schwenkow, der sich stark für die Verhüllung engagiert hatte.

Nun - zur Lichtshow - kamen viele der Neugierigen auch, weil sie an ihre Erinnerung anknüpfen wollten. Am Anfang der Lichtshow sieht man als weiße Linien die ehemals blauen Seile, an denen die Planen hingen. Als dann am Ende des ersten, zwanzigminütigen Loops die ersten silbern glänzenden, virtuellen Planen als Lichtprojektion von der Fassade herabrollen, gibt es ein allgemeines "Oh" und Beifall. Doch ein erster Eindruck, ein schnelles Selfie genügt vielen, die gar nicht erst das Ende des Loops abwarten. Die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher sind eher gemischt.

"Bringen Sie eine Flasche Rotwein mit"

"Das Original war natürlich etwas ganz anderes, eine ganz andere Nummer als diese Lichtshow", so ein Berliner Paar. Die Verhüllung durch Jeanne-Claude und Christo hatte die Architektur komplett zum Verschwinden gebracht. Ganz anders die Lichtprojektion. Säulen, Gesimse, Fenster - das alles bleibt sichtbar.

Zudem wiederholt der Loop immer das Gleiche, während die materielle Verhüllung durch den Stoff ganz überraschend von einer Minute zur anderen einen völlig anderen Eindruck erzielen konnte - je nach Lichteinfall von leicht, flirrend und fast schwebend bis zu dicht, grau und schwer.

Auch wenn diese Lichtillumination keine Wiederholung der Verhüllung sein will und kann und kaum etwas mit dem Original zu tun hat, ist die Dauer wie bei dem Original auf zwei Wochen beschränkt. Wenn dann noch die Nächte wärmer werden, hofft Kulturmanager Schwenkow auf viele Besucherinnen und Besucher und gibt einen Rat, wie man das Ganze am besten anschauen sollte: "Bringen Sie eine Flasche Rotwein mit, setzen Sie sich hin und genießen das."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. Juni 2025 um 20:00 Uhr.