
Verstorbener Künstler Christo "Völlig irrational, komplett frei"
In Deutschland wurde er vor allem durch die Verhüllung des Reichstages im Jahr 1995 bekannt. Nun starb der Künstler Christo in New York im Alter von 84 Jahren.
"Ich bin ein Künstler, der völlig irrational ist, verantwortungslos. Komplett frei", so beschrieb sich der Künstler einmal. Die Freiheit hat sich Christo erkämpft. Die Freiheit hat der Künstler genutzt. Um die Welt zu sehen. Und sie durch seine Augen sichtbar zu machen - indem er sie verhüllte.
Alle Projekte sah Christo als Expedition. Als Ausflug der Sinne. Immer im Duo mit seiner Frau Jeanne-Claude. Ob ein in silberne Stoffbahnen verhüllter Reichstag. Die safranfarbenen Tore im New Yorker Central Park. Oder die schwimmenden, gelben Stege auf dem Iseo- See in der Lombardei.
Von Bulgarien nach New York
In ihrer Kunst sollten Menschen die Sinne ihres Körpers erleben. "Wir mögen die wirklichen Dinge: Die echte Kälte, den Wind, die Hitze, die Feuchtigkeit", so der Künstler. Christo und seine Frau Jeanne-Claude arbeiteten draußen. Und am Liebsten mit Stoff. Das Material der Nomaden ist das Material ihrer vergänglichen Kunst. 1968 ließen sie auf der Documenta in Kassel einen Ballon steigen, ein Jahr später verhüllten sie einen Küstenabschnitt in Australien - und 1972 ein ganzes Tal in Colorado mit einem orangefarbenen Vorhang.
"Diese einzigartige Erfahrung ist Teil der Ästhetik: Keiner kann die Arbeit kaufen, keiner kann sie besitzen oder verkaufen. Noch nichtmal wir besitzen die Projekte", so Christo.
Sozialismus und Kapitalismus
Geboren wurde Christo Wladimirow Jawaschew 1935 in Bulgarien. In der Chemiefabrik seines Vaters entdeckte er seine Liebe zu Stoffbahnen. Seine Mutter brachte ihm das Malen und Zeichnen bei. Als Kunststudent strich er verfallene Häuser an, verhüllte triste Fassaden mit bunter Farbe. 1956 flüchtete Christo aus Bulgarien. Schlug sich in Paris als Porträtmaler durch. Einer seiner Kunden war ein französischer General: Der Vater von Christos späterer Frau Jeanne-Claude.
Am 13. Juni 1935 wurden beide geboren. Zur selben Stunde, wie sie stets betont haben. Er in Bulgarien. Sie in Marokko. Nie wieder werden sie sich trennen. Anfang der 1960er-Jahre ziehen sie nach New York. Und Jeanne-Claude betont: "Wir sind niemals in die USA immigriert. Niemals. Wir sind nach New York immigriert."
Sie lieben die Freiheit in New York. Ihre Wohnung haben sie nie gewechselt. "Ich bin ein Gefangener der Howard Street", so Christo. "Wir haben auch ein Dach. Und die Stadt ist wie etwas Unglaubliches. Der Himmel ist blau. Alles ist surreal."
Das nächste Projekt: Der Triumphbogen
Die Ehe der beiden ist auch eine aus Sozialismus und Kapitalismus: Der marxistisch geschulte Christo akzeptiert weder Gelder von Sponsoren noch staatliche Subventionen. Die kostenlose Kunst für Millionen kann er durch den Unternehmergeist seiner Frau verwirklichen.
2009 stirbt Jeanne-Claude. Christo braucht ein paar Jahre, um weiterzumachen. Mit den "Floating Piers" am Iseo-See. Als nächstes wollte er den Pariser Triumphbogen verhüllen. Das wird er zwar nicht mehr erleben. Doch Christo und Jeanne-Claude haben betont: Ihre Arbeit geht auch nach ihrem Tod weiter. Auf ihrer Website steht bereits: Der verpackte Triumphbogen ist weiter geplant: Im September nächsten Jahres.