Lars Klingbeil

Klingbeil bei G7-Treffen Ringen in den Rocky Mountains

Stand: 20.05.2025 20:23 Uhr

Brücken bauen, Zölle verhindern - und das mit den USA als derzeit unberechenbarem Partner: Finanzminister Klingbeil steht bei seinem ersten G7-Treffen vor großen Herausforderungen. Was kann er erreichen?

Von Lissy Kaufmann und Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

Türkisfarbene Seen, riesige Berge und unberührte Natur verspricht der kanadische Ferienort Banff und wirbt mit Postkarten-Motiven. Doch davon wird der neue Finanzminister Lars Klingbeil wahrscheinlich sehr wenig zu sehen bekommen, wenn er sich die kommenden Tage mit den anderen Finanzministern der G7-Staaten Japan, Großbritannien, Italien, Kanada, Frankreich und die USA trifft.

Ernste Themen, komplizierte Lage

Die Themen sind ernst, die handelspolitische Gemengenlage kompliziert. Der US-amerikanische Partner ist mit seiner derzeitigen Zollpolitik unberechenbar - doch trotzdem dürften alle bemüht sein, Lösungen und Kompromisse in anderen Finanzthemen zu finden, um das mächtige internationale Bündnis nicht zu gefährden.

"Es geht auch darum, der US-amerikanischen Seite klarzumachen, dass man durch diese Zollpolitik die Weltwirtschaft wirklich gefährdet", sagt die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer dem ARD-Hauptstadtstudio. Gleichzeitig sei es wichtig, mit den anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen, wie man sich wechselseitig helfen kann, um auch mit diesen Auswirkungen umzugehen.

Zollstreit kann nicht ausgeklammert werden

Doch unklar ist, wie US-Finanzminister Scott Bessent reagieren wird, wenn er auf seine internationalen Kollegen und vor allem Finanzminister Klingbeil treffen wird. Die Meinungsverschiedenheit über die von US-Präsident Donald Trump angedrohten neuen Zölle schweben über diesem G7-Gipfel. Ebenso der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und wie schnell und realistisch ein Friedensabkommen sein kann.

Auch die anderen G7-Partner sind von neuen US-Zöllen betroffen. Für die EU gilt der erhöhte Zollsatz von 25 Prozent bislang für Stahl-, Aluminium- und Automobilprodukte. Ob eine Erhöhung auch für allgemeine Waren kommt, will Trump bis Mitte Juli entscheiden.

Zwischen Kompromiss und Härte

Kann das abgewendet werden? Wirtschaftsweise Schnitzer setzt auf ein starkes Auftreten der Länder gegenüber den USA. "Natürlich muss man einerseits der US-Regierung eine gesichtswahrende Möglichkeit geben, um sich wieder abzuwenden von dieser Zollpolitik, sich wieder anzunähern, indem man tatsächlich am Ende irgendwelche Optionen auf den Tisch legt, denen sie dann auch zustimmen kann", sagt Schnitzer.

Andererseits müsse man aber auch "die Waffen" zeigen - also verhandlerische Härte. "Man muss auch sagen, wenn das nicht der Fall sein sollte, dass wir uns hier wieder annähern können, dann können wir auch anders", sagt Schnitzer.

Klingbeil: "Wir sind vorbereitet"

Wie dieses "anders" aussehen könnte, das hat Klingbeil bereits vergangene Woche mit einer eine vagen Drohung angedeutet. Er sagte, die EU müsse auf die Zölle geschlossen und entschieden reagieren. "Wir haben die Erwartung, dass die Verhandlungen, die die Kommission führt, zu einem guten Ergebnis geführt werden können", sagte Klingbeil im Bundestag. "Aber ich sage hier auch sehr klar, wir sind vorbereitet, wenn das nicht gelingt."

Kurz vor Beginn des G7-Gipfels stellt der Finanzminister nochmal klar: "Deutschland und Europa strecken den USA weiterhin die Hand aus und wollen eine gemeinsame Lösung. Zugleich sind wir als größter Binnenmarkt der Welt entschlossen, unsere Interessen zu vertreten." Gemeinsam mit der EU-Kommission sei er im Austausch mit den USA und arbeite an einer konstruktiven Lösung. "Das will ich bei den Beratungen in Kanada vorantreiben."

Konzerne setzen Hoffnung in G7-Treffen

Deutsche Unternehmen hoffen beim G7-Finanzministertreffen in Banff auf einen Durchbruch. Sie sind besonders von den Zöllen betroffen, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Die DIHK hat vor Kurzem Unternehmen dazu befragt.

Weltweit sind es 70 Prozent der deutschen Unternehmen, die im Ausland tätig sind und es sind in den USA sogar 85 Prozent, die eine Beeinträchtigung ihrer Geschäfte erwarten, erklärt Treier. "Wir sind eine Exportnation und fast jeder zweite Euro wird im Ausland verdient. Es wäre also ein erheblicher Schlag ins Kontor, wenn diese Zölle kämen."

Treier rät dazu, die USA an die Vorteile des Handels zu erinnern - etwa an den großen europäischen Binnenmarkt mit knapp 450 Millionen Einwohnern.

Weitere Sanktionen gegen Russland?

Zusammen arbeiten, Einigkeit demonstrieren - das dürfte auch Ziel des G7-Gipfels sein, wenn es um weitere Unterstützung der Ukraine geht. Um den Druck auf Russland zu erhöhen, könnten auch verstärkte Sanktionsmaßnahmen gegen Moskau diskutiert werden, je nachdem, wie parallel zum G7-Gipfel in Kanada Verhandlungen über einen Waffenstillstand und ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland laufen. Die EU hat ihr 17. Sanktionspaket gerade beschlossen.

Vor dem G7-Gipfel machte Klingbeil seine Unterstützung für die Ukraine deutlich: "Die notwendige weitere Unterstützung für die Ukraine wird daher ein zentrales Thema sein - auch im Gespräch mit dem ukrainischen Finanzminister, mit dem ich hierüber bereits am Tag meines Amtsantritts beraten habe." Dabei gehe es auch um den Wiederaufbau "nach der furchtbaren Zerstörung durch Putins Krieg - vor allem, wie private Investitionen mobilisiert werden können."

Beim Thema Sanktionen hält es die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer für gut, mit den USA an einem Strang zu ziehen. Noch gebe es viel zu viele Lücken, die man schließen sollte. Außerdem gelte es zu verhindern, dass bereits verhängte Sanktionen geschwächt würden. "Gerade Technologie ist etwas, worauf Russland sehr stark angewiesen ist. Da wäre es fatal, die Tür zu öffnen zu Dingen, die wir bisher ausgeschlossen haben."

Auf Klingbeil wartet in den kanadischen Rocky Mountains ein Berg voll Aufgaben. Die Zeit ist knapp: Schon am Freitagmorgen wird er wieder zurück in Berlin sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Mai 2025 um 23:10 Uhr.