
Die SPD im Kabinett Weiblicher, jünger - und ohne Esken
Die SPD schickt neue Gesichter in die künftige Bundesregierung - und versucht so den Generationenwechsel voranzutreiben. Was hinter den Personalien steckt und warum Parteichefin Esken fehlt.
Von neun Posten besetzt die SPD drei mit Männern und sechs mit Frauen. Parität übererfüllt. Das gilt auch noch beim Blick auf die echten Ministerinnen und Minister - ohne die beiden Staatsministerinnen. Hier ist das Verhältnis vier zu drei. Auch der versprochene Generationswechsel bildet sich in den Besetzungen ab. Zwei Ministerinnen sind unter 40. Allerdings fehlt ein Mann aus dieser Generation.
Bis gestern Abend war die Kabinettsliste nicht klar. Die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken waren sich nicht einig. Die Parteichefin pochte auf ihren Platz im Kabinett. Zwei Szenarien wurden in der Partei diskutiert: Eins mit Saskia Esken und eins ohne sie. Im Szenario mit der Parteichefin als Entwicklungshilfeministerin wäre Reem Alabali-Radovan Staatsministerin für Migration geblieben. Nathalie Pawlik wäre zunächst leer ausgegangen.
Esken macht also Platz für die nächste Generation von SPD-Frauen. Es sei ihr wichtig gewesen, dass die SPD nach dem desaströsen Wahlergebnis bei der vergangenen Bundestagswahl mit einem jungen, kompetenten und vor allem weiblichen Tableau das Bundeskabinett ergänze, heißt es aus SPD-Kreisen. Esken habe Größe gezeigt und sich wie in ihrer gesamten Zeit als SPD-Vorsitzende in den Dienst der Partei gestellt.
Der Osten ist zweimal vertreten
Einige Besetzungen waren lange klar. Dass Lars Klingbeil Finanzminister und Vizekanzler werden würde, hatte das SPD-Präsidium am vergangenen Mittwoch beschlossen und auch an der Personalie Boris Pistorius als Verteidigungsminister hatte es nie Zweifel gegeben. Das restliche Puzzle war nicht so einfach.
Besonders die Frage, wer für die SPD den Osten repräsentieren könne, war unklar. Carsten Schneider wurde immer wieder genannt. Sonja Eichwede aus Brandenburg war lange Favoritin auf den Posten der Bundesjustizministerin. Dass nun sogar zwei Ministerinnen und Minister aus Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kommen, ist eine Überraschung.
Carsten Schneider aus Thüringen gilt als Klingbeil-Vertrauter. Aus der Partei heißt es, Schneider habe nach der Ampel-Regierungsbildung noch etwas gutgehabt. Auch damals wurde er als Minister gehandelt, wurde aber am Ende "nur" Ostbeauftragter. Nun wird er Umweltminister und kann mit rund 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Unternehmensansiedlungen im Osten unterstützen.
Die Personalie Reem Alabali-Radovan ist in der Partei umstritten. Sie gilt als Statthalterin der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. In der SPD hält sich das Gerücht, dass Schwesig sie im Bundeskabinett ersetzen könnte, falls die SPD die Landtagswahl im kommenden Jahr verliere.
Folgt Bas auf Esken?
Zufrieden mit den Besetzungen kann vor allem auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer sein. Aus Rheinland-Pfalz kommen gleich zwei wichtige Ministerinnen. Die erfahrene Stefanie Hubig, die im Justizministerium vor allem als liberale Gegenspielerin zum CSU-Innenminister Dobrindt agieren soll und die 37-Jährige Verena Hubertz. Sie hatte schon in der vergangenen Legislaturperiode eine steile Karriere in der Fraktion gemacht. Nun folgt für die erfolgreiche ehemalige Start-Up-Gründerin der nächste Schritt an die Spitze des Bauministeriums.
Spannend wird nun, ob es für die kommende Arbeitsministerin Bärbel Bas noch höher hinausgehen könnte. Bas ist sehr beliebt in der Partei. Sie hat seit 2009 ihren Wahlkreis in Duisburg immer direkt gewonnen. Ihre Karriere hat sie auf dem zweiten Bildungsweg erreicht, nachdem sie erst einen Hauptschulabschluss gemacht hatte. Für viele in der SPD gilt sie daher als typisch-sozialdemokratische Aufstiegsgeschichte. Sollte Saskia Esken sich auch vom Parteivorsitz zurückziehen, gilt Bas als Favoritin auf ihre Nachfolge im Willy-Brandt-Haus.