
Mehrheit für Tusk Polens Regierung übersteht Vertrauensabstimmung
Polens Ministerpräsident Tusk wollte die Einigkeit seiner Koalition nach der verlorenen Präsidentenwahl demonstrieren - und setzte eine Vertrauensabstimmung an. Die hat er klar gewonnen. Doch sein Grundproblem bleibt.
Polens Mitte-links-Regierung hat im Parlament eine von Ministerpräsident Donald Tusk angesetzte Vertrauensabstimmung gewonnen. 243 der anwesenden Abgeordneten sprachen der Regierung das Vertrauen aus, 210 stimmten dagegen.
Als das Ergebnis feststand, erhoben sich Unterstützer Tusks, applaudierten und skandierten seinen Namen. Beobachter hatten damit gerechnet, dass der Regierungschef bei der Abstimmung die nötige Mehrheit erhält. Seine Koalition verfügt über 242 der 460 Sitze im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments.
Nawrocki kann Tusk das Regieren schwer machen
Hintergrund des von Tusk selbst herbeigeführten Vertrauensvotum ist die Niederlage des Regierungslagers bei der Präsidentenwahl vor zehn Tagen. Tusk wollte die Einigkeit und Entschlossenheit seiner Koalition aus konservativen, liberalen und linken Parteien demonstrieren.
Das politische Tagesgeschäft führt in Polen zwar der vom Parlament gewählte Regierungschef. Doch der Präsident hat unter anderem Befugnisse in der Außenpolitik und ein Vetorecht - was es der Regierung schwer machen kann, ihre Politik durchzusetzen.
Tusk hatte auf einen Sieg des liberalen Warschauer Bürgermeisters Rafal Trzaskowski gesetzt. Trzaskowski verlor die Stichwahl um das Präsidentenamt am 1. Juni jedoch knapp gegen den Nationalkonservativen Karol Nawrocki. Dieser wurde von der größte Oppositionspartei unterstützt, der rechtsnationale PiS.
Danach begannen Tusks Koalitionspartner, laut über Kosten und Nutzen eines Verbleibs im Regierungsbündnis nachzudenken. Damit stellte sich die Frage, ob die Koalition bis zur nächsten Parlamentswahl Ende 2027 durchhält.
PiS spricht von "PR-Aktion"
Vor dem Vertrauensvotum hatte Tusk im Parlament Schwierigkeiten für sein Bündnis eingeräumt. "Wir können unsere Augen nicht vor der Realität verschließen. Diese Herausforderungen sind größer, als wir nach den Präsidentschaftswahlen erwartet haben", sagte er. "Ich bitte um ein Vertrauensvotum mit der vollen Überzeugung, dass wir ein Mandat zum Regieren haben, um die volle Verantwortung für das zu übernehmen, was in Polen passiert."
Dass die Zeichen auf Konfrontation stehen, machten die Abgeordneten der PiS im Parlament deutlich: Während Tusks Regierungserklärung waren die meisten von ihnen demonstrativ nicht im Plenarsaal anwesend. "Wir wollen nicht an Tusks PR-Aktion teilnehmen", sagte dazu PiS-Fraktionschef Mariusz Blaszczak.
In der anschließenden Fragestunde thematisierten die PiS-Abgeordneten so häufig Tusks angebliche Hörigkeit gegenüber Deutschland, dass dieser irgendwann entnervt vom Rednerpult rief: "Auch eine Obsession mit anderen Nationalitäten kann man behandeln lassen."
Tusk erwägt Kontrollen an der Grenze zu Deutschland
In seiner Rede zog Tusk eine Bilanz der bisherigen anderthalb Jahre Arbeit seiner Regierung. Er hob hervor, dass sein Land wirtschaftlich hervorragend dastehe. Die Inflation, die zu PiS-Zeiten sehr hoch war, sei unter Kontrolle. Polen verzeichne mit 3,7 Prozent Wirtschaftswachstum den höchsten Wert innerhalb der EU. Der Regierungschef betonte auch, dass es gelungen sei, die Grenze zu Belarus, die auch eine EU-Außengrenze ist, weiter zu befestigen, um irreguläre Migration zu stoppen.
Zudem erklärte er, die Einführung von Kontrollen an der Grenze zu Deutschland noch in diesem Sommer zu erwägen. "Ich habe unseren Nachbarn, nicht nur Deutschland, sondern auch anderen Nachbarstaaten, mitgeteilt, dass ich nicht zögern werde, vorübergehende Kontrollen einzuführen", sagte er. Dieser Schritt werde kommen, "wenn die Lage an der Grenze angespannt ist und der Druck groß ist". Tusk betonte aber auch, Grenzkontrollen würden für die vielen Polen, die zu ihrem Arbeitsplatz nach Deutschland pendeln, zu erheblichen Belastungen führen.
Bundesregierung: Polen bleibt "verlässlichen Partner und Freund"
Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham, zeigte sich erfreut über den Ausgang des Vertrauensvotums im Nachbarland. "Damit behält Deutschland in Warschau einen verlässlichen Partner und Freund", sagte der CDU-Politiker. Für Polen, aber auch für die deutsch-polnischen Beziehungen bedeute das Ergebnis "Kontinuität und Stabilität".
Wahlversprechen nicht umgesetzt
In der Bevölkerung hat Tusk Experten zufolge für Enttäuschung gesorgt, weil er viele Wahlversprechen bislang nicht umsetzen konnte - darunter etwa die Liberalisierung der Abtreibungsgesetze und eine Steuersenkung.
Tusk hatte nach seiner Regierungsübernahme im Dezember 2023 auch versichert, den von der PiS umgesetzten Umbau der Justiz rückgängig zu machen, die nach Ansicht der Europäischen Union die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben. Polens scheidender Präsident Andrzej Duda, ebenfalls ein PiS-Verbündeter, hat bisher die Versuche der Regierung blockiert, den Umbau zurückzunehmen.
Es wird damit gerechnet, dass auch Nawrocki sein Vetorecht als Präsident nutzen wird, um Tusks liberale politische Agenda zu durchkreuzen. Tusks Bündnis hat im Parlament nicht genügend Stimmen, um ein Veto des Präsidenten gegen Gesetzesvorhaben zu überstimmen. Daran ändert auch der Sieg bei der Vertrauensabstimmung nichts.