
Vorbereitung für den Kriegsfall Finnlands sicherster Sportplatz - unter der Erde
Während Deutschland noch über Schutzräume diskutiert, machen die Finnen in Bunkern Sport. Kaum ein Land ist so gut auf Krisen und Kriege vorbereitet wie Finnland.
20 Meter unter der Erde, in einen Felsen gesprengt: Was auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Sporthalle wirkt, ist in Wahrheit ein Schutzbunker. Hier trifft sich morgens eine Gruppe zum Floorball - unter einer Decke, die an eine Steinhöhle erinnert.
Nikolas Elomaa spielt regelmäßig mit. In einer Trinkpause sagt er: "Im Moment denke ich schon häufiger: Hoffentlich muss dieser Bunker nie genutzt werden."
Neben den Spielfeldern gibt es ein Fitnessstudio und einen Indoor-Spielplatz. Die gesamte Einrichtung ist so konstruiert, dass sie im Ernstfall schnell beiseitegeschoben werden kann. Die vielen Gänge lassen den Bunker wie ein unterirdisches Labyrinth wirken. Tomi Rask vom finnischen Zivilschutz führt durch die 15.000 Quadratmeter große Anlage, vorbei an schweren Stahltüren.
"Die erste Barrikade schützt vor der Explosion und der Hitze einer Waffe. Die zweite schützt vor Giftgasen und sorgt für Überdruck im Inneren", erklärt er. Im Ernstfall sollen hier bis zu 6.000 Menschen Schutz finden.
Schlafen im Dreischichtsystem
In einem Lagerraum zeigt Rask, wie die Notbetten aussehen: Ein Stockbett, drei Plastikplanen übereinander, jeweils etwa 60 Zentimeter breit. Die Betten sollen Erschütterungen standhalten, deshalb wackeln sie.
Die Menschen im Bunker würden im Fall der Fälle in drei Gruppen aufgeteilt: Schlafen, arbeiten, ausruhen - alle acht Stunden wird gewechselt.
Die sanitären Anlagen bestehen aus Eimern mit Plastiktüten, abgetrennt durch dünne Stoffbahnen. Privatsphäre? Fehlanzeige. Im Krisenfall stehen Hunderte solcher Not-Toiletten nebeneinander. Das Klopapier muss jeder selbst mitbringen - wie alles, was man in drei Tagen zum Überleben braucht. "Jede Familie muss sich in den ersten 72 Stunden selbst versorgen", sagt der Zivilschützer.

Die Bunkeranlage Merihaka in Helsinki - bis zu 6.000 Menschen können hier im Ernstfall Schutz finden.
72 Stunden - das finnische Krisenprinzip
Finnland hat ein staatliches Notfallprogramm: 72 Stunden, so lange soll jeder Haushalt unabhängig überleben können. Danach greift die staatliche Versorgung mit Getreidevorräten, Medikamenten und Notfall-Supermärkten. Das Programm existiert seit Jahrzehnten - Finnland hat seine Vorsorge nie abgeschafft.
Der Grund: Das Land teilt mit Russland eine über 1.300 Kilometer lange Grenze und sieht sich seit jeher als Puffer zwischen Ost und West.
Maija Aatelo, ehemalige Chemie-Ingenieurin und heute Rentnerin, ist bestens vorbereitet. In ihrer Abstellkammer hat sie Wasserflaschen, Rettungsdecken, Kurbelradio gelagert. Sie dreht daran und erklärt: "Im Zweifel fällt das Handynetz aus. Das Radio ist dann das einzige Kommunikationsmittel, das noch funktioniert."
In ihrer Küche zeigt sie ihre Essens-Vorräte - Konserven mit Erbsensuppe, Fisch und Bohnen. Alles Gerichte, die man notfalls nicht kochen muss.
Preppen lernen für alle
Maija gibt ihr Wissen in kostenlosen Kursen weiter, zum Beispiel in der Stadtbibliothek. Themen sind Notfallhygiene, Vorratshaltung und psychische Stabilität. "Man muss auch an die Hygiene denken. Es ist gut, Feuchttücher zu Hause zu haben."
Diese "Prepper-Kurse" gibt es überall in Finnland. Auch sie sind Teil des staatlichen 72-Stunden-Programms.
Zivilschützer Tomi Rask glaubt, dass etwa ein Drittel der Finnen sich auf eine mögliche Krise vorbereitet haben. Ihm ist das noch zu wenig. Er sagt: "Es ist eine kluge Entscheidung, vorbereitet zu sein. Sogar auf die schlimmste, die furchteinflößendste Situation. Aber ich bin trotzdem optimistisch. Die Diplomatie wird am Ende siegen."
Wenn er recht behält, bleibt der Bunker für immer eine ganz normale Sportanlage - nur eben 20 Meter tief unter Fels.
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