
Eskalation in Nahost Israel startet offenbar zweite Angriffswelle
Nur Stunden nach den ersten Attacken fliegt Israel offenbar weitere Angriffe auf den Iran. Bei dem nächtlichen Militäreinsatz wurden hochrangige Mitglieder des iranischen Militärs getötet. Auch Atomanlagen wurden wohl getroffen.
Nach den nächtlichen Angriffen auf Dutzende Ziele im Iran setzt Israel seinen Militäreinsatz offenbar mit weiteren Attacken fort. Iranische Medien berichteten über Explosionen in mehreren Städten. Auch die Uran-Anreicherungsanlage in Natans, eine der wichtigsten iranischen Atomanlagen, soll erneut Ziel der Angriffe gewesen sein.
Unter anderem habe Israel weitere Angriffe auf die Millionenstädte Tabris und Schiras geflogen, hieß es in den Medienberichten. Auf dem Flughafen in Tabris sei infolge der Attacken ein Feuer ausgebrochen, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Mehr. Offiziell ist das bisher weder von Israel noch vom Iran bestätigt.
Iran spricht von Kriegserklärung
Bereits in der Nacht attackierte das israelische Militär eigenen Angaben zufolge mehr als 100 Ziele im Iran, darunter militärische und nukleare Anlagen. Aber auch Wohngebiete, wie etwa in der iranischen Hauptstadt Teheran, sollen von israelischen Raketen getroffen worden sein.
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi wertete die israelischen Angriffe als "Kriegserklärung". Er habe den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, "sich sofort mit diesem Thema zu befassen". Der Iran hatte am Morgen mit Drohnenangriffen auf israelisches Staatsgebiet reagiert.
Drohnenangriffe gegen Israel
Nach Angaben des israelischen Militärs wurden etwa 100 Drohnen eingesetzt, die aber alle abgewehrt werden konnten, hieß es in Medienberichten. Am Nachmittag meldete Israels Armee, dass der Iran seine Drohnenangriffe gegen Israel fortsetze. Zuvor hatte der oberste Religionsführer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, Israel mit Vergeltung für die Angriffe gedroht. Israel müsse mit einer "harten Strafe" rechnen.
Israel hatte in Erwartung möglicher Gegenangriffe den Ausnahmezustand ausgerufen. Das Heimatfrontkommando ordnete an, dass Bildungseinrichtungen, Arbeitsstätten und Geschäfte bis auf Weiteres geschlossen bleiben müssen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten und Bewegungen im Freien auf ein Minimum zu reduzieren.
Als weitere Reaktion teilte das israelische Außenministerium mit, dass weltweit sämtliche Botschaften und Konsulate des Landes vorerst geschlossen werden.
Israel meldet Tod zahlreicher Militärs
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wertete den militärischen Schlag gegen den Iran als "sehr erfolgreichen" Angriff. Laut israelischer Armee wurden bei den Angriffen mehrere hochrangige iranische Militärs getötet. Dazu zähle auch Brigadegeneral Amir Ali Hadschisadeh, Kommandeur der Luftstreitkräfte und Chef des Raketenprogramms der iranischen Revolutionsgarden.
Die Revolutionsgarden gelten als die Elitetruppe des Iran. Die Luftwaffe der Revolutionsgarden ist unter anderem an der Überwachung des iranischen Luftraums und der Kontrolle des ballistischen Raketenarsenals des Landes beteiligt. Auch iranische Medien meldeten den Tod von Hadschisadeh. Vonseiten der iranischen Führung wurde das bisher nicht offiziell bestätigt.
Das israelische Militär teilte mit, nicht nur Hadschisadeh sei während der nächtlichen Angriffe getötet worden. "Der Großteil der Führung der Luftwaffe der Revolutionsgarden" sei "während einer Sitzung in ihrem unterirdischen Hauptquartier neutralisiert" worden.
Armeechef und Kommandeur der Revolutionsgarden getötet
Vom Iran offiziell bestätigt ist inzwischen, dass auch Armeechef Mohammad Bagheri und der Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden, Generalmajor Hossein Salami, zu den Todesopfern infolge der israelischen Attacken zählen. Chamenei gab bereits deren Nachfolger bekannt. In zwei separaten Dekreten ernannte er Mohammad Pakpour zum neuen Chef der Islamischen Revolutionsgarden und Abdolrahim Mousawi zum neuen Armeechef.
Neben den Militärs sollen auch mindestens sechs führende Wissenschaftler und Professoren der Fachgebiete Physik oder Nuklearwissenschaft bei den israelischen Angriffen getötet worden sein.

Der iranische Kommandeur der paramilitärischen Revolutionsgarden, General Major Hussein Salami. (Archiv)
"Schwere Schäden" an Uran-Anreicherungsanlage in Natans
Als Erfolg wertet Israel auch seinen Angriff auf die Uran-Anreicherungsanlage in Natans. Dabei seien auch unterirdische Anlagen für die Urananreicherung getroffen worden, darunter eine "mehrstöckige Anreicherungshalle mit Zentrifugen, Elektroräumen und anderer Infrastruktur". Die iranische Atombehörde widersprach jedoch den israelischen Angaben zum Ausmaß der Schäden. Diese seien "größtenteils an der Oberfläche" entstanden. Verletzte habe es durch die Attacke auf die Nuklearanlage keine gegeben.
Doch auch der Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Rafael Grossi, sprach von "schweren Schäden" an der Anlage. Erhöhte Strahlungswerte seien auf dem Gelände aber nicht festgestellt worden. Nach iranischen Angaben wurde auch der Standort des Schwerwasserreaktors Arak angegriffen sowie der Nuklearkomplex Partschin.
Israel spricht von Schlag gegen iranisches Atomprogramm
Mit der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm rechtfertigt Israel seinen Militäreinsatz gegen den Iran. Der Iran nähere sich mit seiner nuklearen Aufrüstung einer unumkehrbaren Schwelle, warnte die israelische Armee. In den vergangenen Monaten habe der Geheimdienst Beweise dafür geliefert, dass sich der Iran beim Vorantreiben seines Atomprogramms einem "Punkt ohne Wiederkehr nähert". Inzwischen sei es für den Iran möglich, "Uran auf militärisches Niveau anzureichern, wodurch das Regime in der Lage wäre, innerhalb kurzer Zeit eine Atomwaffe zu erhalten".
Auch Regierungschef Netanjahu betonte: "Wir kämpfen nicht gegen die iranische Bevölkerung, wir kämpfen gegen die iranische Diktatur." Die israelischen Angriffe hätten "das Herz der iranischen Kernwaffenanreicherung getroffen". Der Schlag gegen den Iran werde der Atominfrastruktur und der militärischen Stärke des Landes schaden.
Bereits vor der mutmaßlichen zweiten Welle von Angriffen hatte Netanjahu betont, die nächtlichen Attacken auf den Iran seien lediglich ein "Eröffnungsschlag" gewesen. Die "Operation" werde "so viele Tage andauern, wie es braucht", um die Bedrohung durch den Iran zu beseitigen.
Iran macht USA mitverantwortlich
Der Iran hat stets bestritten, mit dem eigenen Atomprogramm militärische Ziele oder gar das Ziel zu verfolgen, eine Atombombe zu entwickeln. Nuklearenergie solle lediglich friedlich genutzt werden. In Reaktion auf den "feigen Angriff" Israels hieß es von der iranischen Regierung allerdings, Israels Vorgehen verdeutliche, warum die Führung in Teheran auf die Anreicherung von Uran, die Atomtechnologie insgesamt und das Raketenprogramm bestehe.
Auch die USA wollen eine mögliche atomare Aufrüstung des Iran verhindern. Zu diesem Zweck verhandeln die Vereinigten Staaten und der Iran über ein neues Atomabkommen. Die militärische Eskalation zwischen Israel und dem Iran droht die Gespräche jedoch zunichte zu machen.
Denn der Iran macht die USA für die israelischen Angriffe mitverantwortlich und wirft der US-Regierung vor, im Vorfeld von dem geplanten Militäreinsatz gewusst zu haben. Die Angriffe hätten "nicht ohne die Koordinierung und Genehmigung der Vereinigten Staaten ausgeführt worden sein" können, erklärte das iranische Außenministerium. Die USA seien direkt "für die gefährlichen Auswirkungen und Folgen" der israelischen Militärschläge verantwortlich.
US-Außenminister Marco Rubio hingegen bestritt, dass die Vereinigten Staaten an dem israelischen Angriff beteiligt waren. Er warnte Teheran davor, Militäranlagen der USA anzugreifen. Die USA verhandeln derzeit mit dem Iran über ein neues Atomabkommen. US-Präsident Donald Trump hatte Israel angesichts der laufenden Gespräche aufgerufen, Angriffe auf den Iran zu unterlassen.