Eine künstliche Befruchtung wird in einer Petrischale in einem Labor durchgeführt.

Reproduktionsmedizin Können bald auch Männer Kinder bekommen?

Stand: 11.06.2025 10:10 Uhr

In Japan hat ein Forscherteam Mäuse mit zwei Vätern und ohne Mutter gezüchtet. Welche Möglichkeiten bietet ihre Methode für Menschen mit Kinderwunsch?

Von Nicoletta Renz, BR

Menschen werden immer älter, Familien- und Kinderplanung schieben viele Paare auf, manchmal, bis es zu spät ist, denn die Fruchtbarkeit sinkt unverändert bereits ab dem 30. Lebensjahr.

Die In-vitro-Gametogenese (IVG) hätte das Potenzial, die Freiheit in Bezug auf das Timing von Kinderwünschen zu erhöhen. Aber nicht nur das: Mit IVG könnten auch gleichgeschlechtliche Paare Kinder zeugen. Und auch unfruchtbare Paare könnten genetisch eigene Kinder bekommen und wären nicht mehr auf Eizell- oder Samenspende angewiesen.

Die ARD-Mediathek ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen
Doku-Reihe "Sex and the Scientists"
Die Doku-Reihe ARD Wissen "Sex and the Scientists" sehen Sie ab jetzt in der ARD-Mediathek.

Was passiert bei der IVG?

In-vitro-Gametogenese ist ein Verfahren, bei dem aus Stammzellen im Labor Gameten, also Ei- und Samenzellen, erzeugt werden können. Dem Japaner Katsuhiko Hayashi und seinen Mitarbeitern gelang es 2023 in Osaka, erstmals Mäuse mit zwei Vätern und ohne Mutter zu züchten.

Grob erklärt, gingen die japanischen Forscherinnen und Forscher so vor: Zunächst wandelten sie Hautzellen von männlichen Mäusen in sogenannte pluripotente Stammzellen um - also Zellen die noch verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten in sich tragen. Anschließend entfernten sie das Y-Chromosom aus der Zelle, um sie in einem weiteren Schritt in eine Eizelle umzuprogrammieren.

IVG - das Ende der Kernfamilie?

Bisher ist das Verfahren nur bei Nagetieren angewendet worden, und es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis der Einsatz beim Menschen sicher wäre. Dennoch stellen sich schon heute, einhergehend mit dem Verfahren, ethische Fragen. Bedeutet IVG das Ende der Kernfamilie aus Mann, Frau und ihren Kindern?

Diese Kernfamilie, argumentiert die Ökonomin Debora Spar, ist eigentlich ein Produkt der neolithischen Revolution. Ein Mann wollte damals sein Land nur an seine eigenen Kinder weitergeben. Und das ging nur, wenn er mit einer Jungfrau Sex hatte. Deswegen, sagt Spar, sei die Ehe "im Wesentlichen ein Immobiliengeschäft, um sicherzustellen, dass Eigentum von einer Generation an die nächste weitergegeben wird".

Das heteronormative Familienmodell wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Mit jeder neuen Technologie tauchen Ängste auf: ähnlich wie beim Thema Designer-Babys. So war es auch bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF), so Spar in der New York Times - also der künstlichen Befruchtung. "Aber wenn wir entdecken, dass das nette Paar von nebenan eine neue Technologie benutzt hat, um die Kinder zu zeugen, die sie liebevoll aufziehen, gewöhnen wir uns auch daran, dass zwei Männer oder zwei Frauen Eltern sind oder dass diese Kinder vielleicht in einem ganz anderen Familienmodell aufwachsen."

Studie untersucht Meinung zur IVG

Wie kommt denn das Verfahren in der Gesellschaft an? Die Medizinethikerin Heidi Mertes veröffentlichte 2022 eine Studie, in der sie 1.000 Menschen in Belgien dazu befragte.

Die Befragten sahen die mögliche Anwendung einer IVG zur Behandlung bei einer Infertilität - also Unfruchtbarkeit - sowie im Kontext reproduktionsmedizinischer Grundlagenforschung positiv. Zwei Drittel der Befragten befürworteten eine potenzielle Anwendung von IVG für gleichgeschlechtliche Paare - nicht aber für die Gruppe postmenopausaler Frauen, also nach den Wechseljahren. Das lehnten zwei Drittel der Befragten ab.

Wann könnte die Technik beim Menschen eingesetzt werden?

Obwohl die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, bieten die ersten Forschungsergebnisse vielversprechende Perspektiven. Und Start-Ups wie Gameto oder Conception sprechen davon, dass die Technologie bald auch für Menschen verfügbar wäre.

Einige Forschende sind viel zurückhaltender: "Aus technologischer Sicht werden wir wahrscheinlich in zehn Jahren aus Stammzellen eizellähnliche Zellen für die Reproduktion gewinnen können", sagt Hayashi in Osaka. "Das hängt dann von Gesetzen, von der ethischen Diskussion und vom jeweiligen Land ab, denke ich."

Es wird wohl also noch einige Jahre dauern, bis die IVG, ähnlich wie die IVF, allgemein verfügbar wird. Zudem muss im Vorfeld jedes Land noch rechtliche Fragen klären. Doch wenn die IVG-Forschung weiterhin so enorme Fortschritte macht wie bisher, könnte sie die Reproduktionsmedizin entscheidend voranbringen - und mehr Eltern ermöglichen, genetisch eigene Kinder zu zeugen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete "Sex and the Scientists" in der ARD Mediathek ab Mittwoch, 11.06.2025.