
Im Schadensfall Was tun, wenn die Versicherung nicht zahlt?
Welche Möglichkeiten haben Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn der Versicherer im Schadensfall nicht zahlt - oder sich gar nicht erst zurückmeldet? Die wichtigsten Antworten.
Immer wieder kommt es zwischen Versicherern und Versicherten zum Streit um die Frage, ob im Schadensfall gezahlt werden muss. Wenn zum Beispiel nach tagelangem Regen Wasser im Keller steht - Boden und Möbel beschädigt sind - und die Versicherung den Schadensantrag ablehnt. Die Verbraucherschlichtungsstelle für Versicherungen, auch Ombudsstelle genannt, erhielt allein im letzten Jahr über alle Bereiche hinweg nach eigenen Angaben mehr als 21.000 Beschwerden.
Am häufigsten ging es dabei um Kfz-Versicherungen, samt Haftpflicht und Kasko. Dahinter folgten die Rechtsschutz- und Lebensversicherungen. Und auch die Finanzaufsicht BaFin schreibt auf Anfrage, dass sie eine "steigende Anzahl an Beschwerden über Versicherer" beobachtet. 2024 sei die Zahl gegenüber dem Vorjahr um gut zehn Prozent auf mehr als 8.400 gestiegen.
Wie geht man im Schadensfall korrekt vor?
Nach einem Schadensfall besteht der erste Schritt darin, zu versuchen, den Schaden zu mindern. Dazu sind Versicherte auch vertraglich verpflichtet. Danach sollten sie sich unverzüglich bei ihrer Versicherung melden. Die Dokumentation ist dabei besonders wichtig: zum Beispiel viele Fotos zu schießen, bevor der Schaden entfernt wird. Expertinnen und Experten empfehlen grundsätzlich lieber zu viel als zu wenig - und vor allem alle Details schriftlich festzuhalten.
Dabei gehe es nicht nur um den Schaden, sondern auch um die Kommunikation mit der Versicherung, sagt Meike Voß, Leiterin Beratung beim Bund der Versicherten (BdV), im Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung" der ARD-Finanzredaktion. Man könne sich bei einem Schadensfall schon immer vorstellen, dass man deswegen irgendwann zu einer Anwältin oder einem Anwalt müsse.
Auch für sich selbst sei die Dokumentation aber wichtig, betont Voß. "Viele verlieren bei komplizierten Schäden nachher den Überblick." Im schlechtesten Fall hätte die Versicherung auch nicht alles klar dokumentiert, "dann gibt es ein riesengroßes Chaos. Und das kostet dann nur die Nerven der Kunden."

Den Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung" gibt es ab dem 9. April 2025 wöchentlich in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Folge 1: Sozialversicherungen - Grundlagen und Grenzen (9. April)
Folge 2: Gesetzliche vs. private Krankenversicherung (9. April)
Folge 3: Haftpflicht, Kfz & Haustier - Was ist Pflicht, was ist sinnvoll? (16. April)
Folge 4: Die Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Alternativen (23. April)
Folge 5: Die Familie richtig absichern (30. April)
Folge 6: Wohnen & Wetterrisiken - Schutz für das eigene Zuhause (7. Mai)
Folge 7: Gesundheitskosten absichern - von Zahnzusatz bis Krankentagegeld (14. Mai)
Folge 8: Gut abgesichert streiten und reisen (21. Mai)
Bonusfolge: Wenn der Versicherer nicht zahlt - Risiken vermeiden, Rechte nutzen (11. Juni)
Langes Warten auf Rückmeldung des Versicherers
Die Reaktion der Versicherer lässt oft lange auf sich warten. Die Ombudsstelle hat im vergangenen Jahr eine Zunahme der Beschwerden gesehen, die durch schwierige oder gestörte Kommunikation mit dem Versicherer zustandegekommen ist.
Da gehe es zum Beispiel darum, dass man in Teilen gar keine Erklärung erhält, sagt Constantin Graf von Rex, Geschäftsführer des Vereins. "Oder dass man - wenn überhaupt - nur knapp eine Begründung dafür bekommt, warum keine Leistung stattfindet." Manche Begründungen seien juristisch sicherlich richtig, aber auf einem sprachlichen Niveau, sodass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht in der Lage sei zu verstehen, was einem da "mit Juristendeutsch" gesagt werde, kritisiert von Rex.
Auch Voß berichtet, dass die schlechten Reaktionszeiten derzeit viele Verbraucherinnen und Verbraucher in den Beratungsgesprächen umtreibe. "Unsere Mitglieder fragen uns: Was kann ich jetzt tun, damit der Versicherer mir endlich antwortet?"
Eine Möglichkeit ist es, dem Versicherer eine Frist zu setzen. Versicherte würden oft denken, so etwas dürfe nur eine Rechtsanwaltskanzlei, sagt Voß. Dem sei aber nicht so: "Wenn ich mich klar ausdrücke, schriftlich eine Frist setze und dies sachlich formuliere, erleben wir oft, dass sich dann tatsächlich etwas bewegt." Sie empfiehlt daher im ersten Schritt, dem Versicherer eine Frist von sieben bis 14 Tagen für eine Rückmeldung zu setzen. Wenn bis dahin nichts passiere, könne man eine Vorstandsbeschwerde an die Versicherung schicken mit einer weiteren Fristsetzung, in der man darauf hinweise, dass die nächste Station die Ombudsstelle sei.
Ombudsstelle vermittelt außergerichtlich und kostenfrei
Meldet sich der Versicherer zurück und übernimmt den Schaden - ist alles gut gegangen. Wenn es aber nach wie vor keine Rückmeldung gibt oder eine Ablehnung, die nicht nachzuvollziehen ist, braucht es die Hilfe von Expertinnen oder Experten.
"Oft liegt die Schwierigkeit oder auch die Ursache des Streits im Bedingungswerk der Versicherung, was der Versicherungsnehmer in der Regel nicht kennt - und selbst wenn er es sich anschaut, wird er es häufig nicht gut verstehen können, weil es in einer Fachsprache geschrieben ist", sagt Oliver Brand, Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität Mannheim. "Deswegen braucht man im Streitfall fachkundigen Rat." Den finde man in der Anwaltschaft. "Wenn man den nicht suchen will, ist meines Erachtens die Versicherungsombudsfrau als Streitschlichtungsstelle die beste Möglichkeit, zunächst mal eine Einschätzung zu bekommen."
Die Ombudsstelle unter der Leitung der derzeitigen Ombudsfrau Sibylle Kessal-Wulf vermittelt außergerichtlich und vor allem kostenlos zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern. In dem Verein, den es seit 2001 gibt, arbeiten knapp 50 Mitarbeitende, darunter Versicherungskaufleute und Volljuristen, die die Beschwerden prüfen.
Entscheidungen der Ombudsstelle verbindlich bis 10.000 Euro
Für jeden Streitwert, der die 10.000 Euro nicht übersteigt, ist die Entscheidung der Ombudsstelle verbindlich für alle Mitglieder des Vereins. Die Mitgliedschaft ist für die Versicherungen zwar freiwillig, laut der Schlichtungsstelle ist aber nahezu der komplette deutsche Markt im Privatkundengeschäft vertreten. Umgekehrt sind die Versicherten selbst aber nicht verpflichtet, sich an die Entscheidung oder Empfehlung zu halten.
Und selbst für Streitwerte, die über die 10.000 Euro hinausgehen, zum Beispiel im Falle der Berufsunfähigkeit, bei Lebens- oder Gebäudeversicherungen, gibt die Ombudsstelle zumindest eine Empfehlung ab, die aber nicht bindend ist.
Die Bearbeitungszeit der Beschwerden lag 2024 bei rund 70 Tagen. Dabei lag die Erfolgsquote der Ombudsstelle 2024 bei 52,4 Prozent - Lebensversicherungen ausgenommen. Bei ihnen war die Quote niedriger und lag bei rund einem Drittel.
Nicht nur binäre Entscheidungen
Aber was die Entscheidungen selbst angeht, gibt es da nicht unbedingt Schwarz oder Weiß-Entscheidungen, sondern durchaus auch "sogenannte Teilentscheidungen", wie von Rex berichtet. "Es geht nicht nur binär null oder eins, 100 Prozent oder null Prozent, sondern es kann auch sein, dass wenn ich eine Schadensumme von 2.500 Euro geltend mache, unsere Entscheidung dann dahin geht, dass nur 1.800 Euro begründet sind und der überschießende Betrag nicht."
Bei Beschwerden zu Krankenversicherungen müssen sich Versicherte derweil an eine andere Stelle wenden: Für die private Kranken- und Pflegeversicherung gibt es mit dem PKV-Ombudsmann eine eigene Schlichtungsstelle. Bei Problemen mit der gesetzlichen Krankenkasse müssen sich Versicherte an die zuständige staatliche Aufsichtsbehörde wenden. Alle anderen privaten Versicherungsbereiche werden aber von der Ombudsstelle abgedeckt.
Versicherungsberater sinnvoll?
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich in Schadensfällen auch an die Verbraucherzentralen oder an Versicherungsberater wie den Bund der Versicherten wenden, die auch eine Rechtsberatung anbieten.
"Der Versicherungsberater hat ja eine außergerichtliche Rechtsberatungserlaubnis. Das heißt, wir können im Schadensfall Mandanten auch außergerichtlich vertreten gegenüber dem Versicherer und auch ähnlich wie ein Rechtsanwalt tätig werden", sagt Alexander Beurmann vom Bundesverband der Versicherungsberater.
Leistungsanträge korrekt ausfüllen
Nicht bei jeder Schadensmeldung ist es aber wirklich notwendig, auch einen Versicherungsberater einzuschalten - weil das am Ende auch Kosten verursacht. In komplexeren Fällen, die die Existenz finanziell bedrohen können, kann dagegen sogar schon beim Ausfüllen des Schadensantrags viel schiefgehen, erklärt Beurmann und nennt den Leistungsantrag zur Berufsunfähigkeit als Beispiel.
"Ich werde vom Versicherer teilweise so aufs Glatteis geführt, wenn ich das mache. Dann stelle ich mir schon selbst teilweise ein Bein", so Beurmann. Es gebe zum Beispiel Leistungsanträge bei Versicherern, die schnell mal 60, 70 Seiten umfassen können. "Und die Fragen werden auf Seite 12 und Seite 38 noch mal ähnlich gestellt, anders formuliert. Wenn ich mir da zum Beispiel selbst widerspreche in manchen Aussagen, dann muss ich das ja irgendwie wieder retten."
Da solle man lieber schneller jemanden hinzuholen als später. "Weil wenn das Kind erstmal an den Brunnen gefallen ist, das wieder rauszuziehen, ist deutlich aufwendiger und schwieriger, als wenn man von vornherein dabei gewesen wäre."
Letzte Möglichkeit: gerichtliche Auseinandersetzung
Es gibt aber auch Grenzen, wo weder Ombudsstelle noch Beraterinnen oder Berater einem weiterhelfen können. "Der Versicherungsberater ist in dem Moment raus, wo es eben in Richtung der Klage geht. Das heißt, es gibt gewisse Fälle, wo es irgendwann einfach nicht weitergeht, wo nun noch der Weg übers Klageverfahren dann als sinnvoll erscheint. Und da muss dann in der Tat ein Rechtsanwalt übernehmen", so Beurmann.
Bei Streitwerten über 10.000 Euro, oder wenn die Schlichtungsstelle zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis kommt, bleibt in einigen Fällen nur noch die Möglichkeit der gerichtlichen Auseinandersetzung.
"Aber spätestens, wenn man die direkte Auseinandersetzung mit dem Versicherer sucht, dann braucht man anwaltlichen Rat. Ansonsten sind die Erfolgschancen eher gering", sagt Rechtswissenschaftler Brand. "Man darf nicht vergessen: Versicherer sind Großunternehmen, die auch anwaltlich gut beraten sind." Wer sich nicht beraten lasse, der werde wahrscheinlich unterliegen.
Hohes Prozesskostenrisiko
Der juristische Weg ist aber oft mit sehr hohen Kosten verbunden, merkt Alexander Deierling an, Fachanwalt für Versicherungsrecht. "Das ist am Ende immer auch eine Kostenfrage, weil natürlich ein Gerichtsverfahren nochmal deutlich teurer ist als eine außergerichtliche Auseinandersetzung. Wenn ich ins gerichtliche Verfahren gehe, dann habe ich als Kostenrisiko die Kosten meines Anwalts, die Kosten des Anwalts der Gegenseite plus Gerichtskosten plus häufig - wenn sie im Bereich des Versicherungsrechts unterwegs sind - Sachverständigenkosten."
Bei einem Streitwert von 50.000 Euro liege das Prozesskostenrisiko für ein gerichtliches Verfahren bei 8.500 bis 9.500 Euro je Instanz - ohne Kosten für den Sachverständigen, so Deierling. Nicht jeder kann sich also solch ein Verfahren auch leisten - selbst wenn die Chancen für einen positiven Prozessausgang gut stehen.
"Und ich habe es schlichtweg hier auch schon erlebt in meiner eigenen Kanzlei, dass Betroffene, denen ich nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen eine positive Erfolgsaussicht mitgeteilt habe, mir gesagt haben: Ich kann mir den Prozess nicht leisten. Das Risiko ist zu hoch. Da nützt Ihnen der schönste Versicherungsvertrag nichts. Und das wissen im Übrigen auch Versicherer", sagt Versicherungsanwalt Deierling.
Online-Beschwerde bei BaFin möglich
Aufwand und Nutzen müssen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Bei höheren Streitwerten, die vielleicht sogar die Existenz bedrohen, kann es aber sinnvoll sein, frühzeitig zu einem Versicherungsberater oder einem Anwalt zu gehen, um keine Fehler zu machen. Wer finanziell nicht in der Lage ist, einen Prozess zu führen, kann die Prozesskostenhilfe beantragen. Auch eine Rechtsschutzversicherung kann in solchen Fälle einspringen.
Verbraucherinnen und Verbraucher haben grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich bei Beschwerden gegen Versicherer zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale zu melden oder können sich über ein Online-Formular an die BaFin zu wenden. Zudem können sie in der Beschwerdestatistik einsehen, bei welchen Versicherern und in welchen Sparten es die meisten Beschwerden gab. Bei den Lebensversicherern gingen anteilig etwa die meisten Beschwerden bei Entis, Skandia Leben, Heidelberger LV oder auch bei Proxalto (ehemals Generali Lebensversicherung) ein.