
Hauptversammlung VW im Strudel eines globalen Handelskrieges
In China kämpft VW um seine Marktanteile, in den USA vor allem mit der unberechenbaren Zollpolitik von Präsident Trump. Bei der Hauptversammlung müssen sich Vorstand und Aufsichtsrat kritischen Fragen stellen.
So viel vorweg: Mit Bildern von fliegenden Sahnetorten und entblößten Aktivistinnen-Oberkörpern ist bei der diesjährigen VW-Hauptversammlung nicht zu rechnen. Nach den Zwischenfällen 2023 findet das Aktionärstreffen erneut rein digital statt - das sei günstiger und erleichtere die Teilnahme, so die offizielle Begründung.
Aber auch wenn es keine Protestaktionen geben sollte: Kritischen Fragen werden sich Vorstand und Aufsichtsrat auch dieses Mal wieder stellen müssen. Ein wegbrechender chinesischer Markt, ein unberechenbarer US-Präsident, rasanter technologischer Wandel, die Aktie auf Talfahrt, ein milliardenschweres Sparprogramm: Die Liste der Herausforderungen ist lang.
Herausforderung "China speed"
"Der chinesische Markt hat eine beispiellose Dynamik", so formuliert es Konzernchef Oliver Blume in seiner vorab veröffentlichten Rede. Seit Jahren machen neue Wettbewerber den etablierten Autobauern das Leben schwer, punkten mit überlegener Software und günstigen, vom chinesischen Staat subventionierten Preisen.
Volkswagen will beim "China speed" mithalten, unter anderem mit Hilfe chinesischer Kooperationspartner und mit vielen neuen Modellen. Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment sieht "erste Erfolge", aber auch eine "Durststrecke", die VW noch vor sich habe. Denn die Stärke der Produktpalette werde erst in zwei Jahren voll sichtbar, so Speich.
Auch Aktionärsvertreter Janne Werning von der Fondsgesellschaft Union Investment ist vorsichtig optimistisch: "Das Bestreben, für lokale Produkte von lokalem Know-how zu profitieren, sehen wir positiv." Für ihn bleibt aber die Frage, wie VW sicherstellen will, dass bei Kooperationen mit chinesischen Partnern die Technologie in der Hand von Volkswagen verbleibt.
US-Zollpolitik bleibt unberechenbar
In den USA sind die Herausforderungen kaum geringer, zumal es erklärtes Ziel von Konzernchef Blume ist, in den USA zu wachsen - auch, um die Verluste in China zu kompensieren. Da kommt die unberechenbare Zollpolitik von Präsident Donald Trump zur Unzeit.
Blume selbst äußert sich zurückhaltend: "Wir sehen in dieser Region deutliches Potenzial - trotz der bekannten aktuellen handelspolitischen Herausforderungen." VW ist vor Ort vor allem mit dem Werk in Chattanooga vertreten und hat in den USA aktuell 10.000 Beschäftigte.
Auch bei VW Abschied von Diversitäts-Programmen?
Und es ist nicht nur die Zollpolitik, auf die der Konzern eine Antwort finden muss. Trumps Kurs wirkt sich schon jetzt konkret auf Unternehmensziele und -kulturen aus - etwa beim Thema Diversität. Der Präsident führt einen Feldzug gegen Programme, die die Vielfalt in Unternehmen fördern, beispielsweise im Hinblick auf Herkunft oder Geschlecht der Mitarbeitenden.
Als größter deutscher DAX-Konzern hat jetzt SAP auf die veränderten Rahmenbedingungen in den USA reagiert und sich konzernweit von seiner Frauenförderung verabschiedet. "Volkswagen muss nun den Spagat zwischen den Anforderungen in den USA und den Wünschen europäischer Investoren und Aufsichtsbehörden meistern", analysiert Speich. Er will auf der Hauptversammlung vom VW-Chef wissen, ob er in den USA Anpassungen bei den Diversitäts-Kriterien vornehmen werde.
"VW-Chef sollte kein Halbtagsjob sein"
Diversität ist eng verknüpft mit der so genannten Corporate Governance, der guten Unternehmensführung. Und die gilt bei Volkswagen seit vielen Jahren als Schwachpunkt. In einem Ranking der 40 DAX-Konzerne von Union Investment etwa belegt VW den drittletzten Platz.
Begründet wird das vor allem mit Blumes Doppelfunktion als Vorstandsvorsitzender von VW und Porsche. "Chef von VW sollte kein Halbtagsjob sein", sagt Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover. Werning und Speich sehen außerdem eine mangelnde Unabhängigkeit des Aufsichtsrates und unambitionierte Klimaziele.
Dividende trotz Sparprogramm
Trotz aller Krisen und Konzern-Baustellen hat Volkswagen das Jahr 2024 unter dem Strich immer noch mit einem - wenn auch massiv gesunkenen - Gewinn in Höhe von 12,4 Milliarden Euro abgeschlossen. An Aktionärinnen und Aktionäre sollen für das Jahr 3,2 Milliarden Euro Dividende ausgeschüttet werden.
Angesichts des Sparkurses und der Einschnitte für die Beschäftigten hatte der VW-Betriebsrat gefordert, dass auch die Anteilseigner ihren Beitrag leisten müssten. Mit der Ausschüttungssumme zeigt man sich jetzt einverstanden - entscheidend sei, dass sie nicht zu Lasten der Investitionen gehe. Aktionärsvertreter Werning, der seinen Arbeitgeber Union Investment als nachhaltigen und langfristig orientierten Investor beschreibt, warnt allerdings: "Es darf nicht darum gehen, die Dividenden zugunsten der Großaktionäre und zulasten der Konzernsubstanz weiter künstlich hoch zu halten."