
Höchststand seit 2011 Immer mehr Unternehmer geben auf
Die deutsche Wirtschaft hat im vergangenen Jahr fast 200.000 Unternehmen verloren. Besonders die hohe Zahl an Schließungen in Zukunftsbranchen bereitet Experten Sorgen.
Immer mehr Firmen in Deutschland werfen das Handtuch. Die Zahl der Unternehmensschließungen lag im vergangenen Jahr bei 196.100 - das waren 16 Prozent mehr als 2023, wie die Auskunftei Creditreform und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mitteilten. Das ist die höchste Zahl seit 2011 - damals sorgten die Folgen der Finanzkrise für Bremsspuren in Deutschlands Wirtschaft.
"Die Schließungszahlen sind in allen Wirtschaftsbereichen alarmierend", sagt der Creditreform-Wirtschaftsforscher Patrik-Ludwig Hantzsch. "Vor allem die Industriebetriebe leiden unter den hohen Energiekosten in der Produktion, während der Wettbewerbsdruck durch ausländische Anbieter steigt."
Auch Zukunftsbranchen betroffen
In den energieintensiven Wirtschaftsbereichen wurden 1.050 Betriebsschließungen gezählt und damit 26 Prozent mehr als 2023. Auch in der Pharma- und Chemieindustrie war die Zahl der Schließungen ungewöhnlich hoch, ebenso im Gesundheitswesen. "Die flächendeckende Versorgung mit Apotheken und Arztpraxen dürfte sich damit weiter verschlechtern", heißt es dazu in der ZEW-Studie.
Im Bereich "IT, Produktentwicklung, Umwelttechnik und Diagnostik" nahm die Zahl der Schließungen um etwa ein Viertel zu, 2024 schlossen rund 13.800 Unternehmen dieser Branche. ZEW-Forscherin Sandra Gottschalk weist darauf hin, dass dieser Wirtschaftsbereich eigentlich wachsen müsste, da er eine Zukunftsbranche sei. Doch wegen eines gravierenden Fachkräftemangels konkurrierten Unternehmen um knappe Ressourcen. "Das führt dazu, dass nicht genug Aufträge angenommen werden können, um wirtschaftlich zu arbeiten."
Immer mehr größere Betriebe sind betroffen
Bei den Schließungen geht es häufig um kleine inhabergeführte Betriebe, in den vergangenen Jahren waren es aber auch immer mehr größere Unternehmen. "Das ist ein klares Alarmsignal an die Wirtschaftspolitik. Viele Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland, schließen Standorte oder investieren gar nicht mehr in Deutschland", warnt Hantzsch. Die deutsche Wirtschaft verliere dadurch zunehmend an Substanz und Know-how.
Mit Unternehmensschließung sind dabei nicht nur Insolvenzen, sondern auch mehr oder minder freiwillige Geschäftsaufgaben gemeint - etwa wenn ein Firmeninhaber partout keinen Nachfolger findet und endlich in den Ruhestand gehen möchte. "Viele junge Menschen empfinden eine abhängige Beschäftigung als attraktiver und lukrativer als den Weg in die Selbstständigkeit", so Gottschalk.
Außerdem gibt es Fälle, in denen eine Firma zwar noch profitabel ist, die langfristige Perspektive aber düster. Hinzu kommen Todes- oder Krankheitsfälle, was eine Fortführung der Geschäfte unmöglich macht.