
Zollabkommen und Inflationsdaten Ernüchterung an der Wall Street
Die Wall Street tat sich heute mit den neuesten Inflationszahlen sowie dem Rahmenabkommen im Zollstreit mit China schwer. Zuvor hatte auch schon der DAX geschwächelt.
Wie schon zuvor in Europa, kam heute auch an der Wall Street nach dem Zollabkommen mit China sowie neuen Preisdaten für den Mai keine rechte Begeisterung auf. Die großen Aktienindizes fanden keine klare Richtung und wechselten des Öfteren das Vorzeichen. Am Ende schloss der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, nach wechselvollem Handel nahezu unverändert bei 42.865 Punkten.
Der marktbreite S&P-500 sowie die Technologiebörse Nasdaq taten sich schwerer. Der S&P-Index gab am Ende moderat um 0,27 Prozent nach auf 6.022 Punkte. Die Nasdaq verlor nach anfänglichen Avancen ein halbes Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 fiel um 0,37 Prozent. Im Tageshoch hatte der Index bei 22.041 Punkten die Marke von 22.000 Zählern erstmals seit Februar wieder überwunden, konnte das erhöhte Niveau aber nicht halten. Der Schluss lag bei 21.860 Zählern.
Der wechselvolle Handel zeigte einmal mehr, wie nervös die Wall-Street-Anleger in Anbetracht der weiterhin unklaren Auswirkungen der Zollpolitik der US-Regierung weiter sind. Der Leitindex Dow Jones ist seit Jahresbeginn kaum von der Stelle gekommen, der DAX hat hingegen schon über ein Fünftel an Wert zugelegt.
"Während die Preise in den USA im Mai weniger stark gestiegen sind als erwartet, ist die Verwirrung um Trumps Zollpolitik einmal mehr komplett", sagte Jochen Stanzl, Chefanalyst beim Broker CMC Markets. Dem Experten zufolge ist der in der Nacht verkündete Rahmen für ein US-Handelsabkommen mit China den Anlegern zu wenig konkret.
Auch Stratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets konstatierte: "Chips gegen seltene Erden, so könnte die Formel für die Lösung dieses Konflikts lauten." Doch was genau hinter dem Deal stehe und wie viel Zoll von den über 100 Prozent noch übrig bliebe, dürften wohl erst die kommenden Tage zeigen.
Auch die US-Preisdaten für den Monat Mai wurden von Investoren letztlich eher verhalten aufgenommen. So stiegen die Verbraucherpreise im Mai im Vorjahresvergleich wie erwartet um 2,4 Prozent nach 2,3 Prozent im April. Die Kerninflation (ohne die volatilen Notierungen für Lebensmittel und Energie) fiel mit 2,8 Prozent nur leicht besser aus als erwartet.
Eine nachhaltige Verlangsamung der Teuerung sei nicht erkennbar, kommentierte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank. "Unter dem Strich kann man feststellen, dass die Inflation zu hoch und der Arbeitsmarkt zu robust ist, um in der kommenden Woche die Zinsen zu senken."
Allerdings schlägt sich die Zollpolitik der Trump-Regierung auch (noch) nicht in höheren Inflationsraten nieder, was primär der Verbilligung der Energiepreise zu verdanken sein dürfte. Experten erwarten, dass im weiteren Jahresverlauf aber noch mit höheren Raten zu rechnen sein dürfte.
"Die Entwicklung der US-Konsumentenpreise bleibt ein Mysterium", schrieb Analyst Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg. "Auch im Mai fehlte von den Auswirkungen der massiven Zollaufschläge Donald Trumps jede Spur. Und dies, obwohl die US-Unternehmen in allfälligen Umfragen, wie jüngst dem Beige Book der US-Notenbank, gebetsmühlenartig betonen, die zollbedingten Preisanstiege an die Verbraucher mehr oder weniger ungefiltert weitergeben zu wollen."
US-Präsident Trump ficht das alles nicht an. Er setzte derweil die Notenbank nach den neuesten Inflationszahlen mit der Forderung nach einer kräftigen Senkung des Leitzinses erneut unter Druck. "Die Fed sollte ihn um einen ganzen Punkt senken. Dann müssten wir viel weniger Zinsen auf fällige Schulden zahlen. So wichtig!!", schrieb Trump in Großbuchstaben auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social.
Ein Medienbericht über Kürzungen des US-Verteidigungsministeriums bei der Beschaffung von F-35-Kampfjets drückte unter den Einzelwerten die Aktie des Herstellers Lockheed Martin. Am Ende stand ein Minus von 4,26 Prozent auf 456,60 Dollar.
Der Grund: Ein Beschaffungsantrag des US-Verteidigungsministeriums, der diese Woche an den Kongress geschickt wurde, sieht 24 Flugzeuge vor, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Im vergangenen Jahr wurde eine Bestellung von 48 Maschinen prognostiziert.
Das Pentagon hat außerdem nur noch zwölf Maschinen der trägergestützten Version der F-35 für die Marine angefordert – weniger als die 17, die der Kongress für das laufende Haushaltsjahr genehmigt hatte. Lockheed Martin hatte 2024 insgesamt 110 F-35-Kampfjets an die USA und ihre Verbündeten geliefert. Das F-35-Programm macht rund 30 Prozent des Konzernumsatzes aus.
Nachbörslich legte SAP-Konkurrent Oracle gute Quartalszahlen vor, die Aktie stieg danach deutlich um über sechs Prozent. Gestützt auf eine robuste Cloud-Nachfrage hat Oracle dabei Quartalsergebnisse über Markterwartungen vorgelegt. Dieser Trend werde sich in den kommenden Monaten verstärken, prognostizierte Firmenchefin Safra Catz.
"Das Geschäftsjahr 2024/2025 war sehr gut. Wir glauben, dass das Geschäftsjahr 2025/2026 noch besser wird", so Catz weiter. Das Wachstum der Cloud-Sparte werde sich voraussichtlich auf 40 Prozent von 24 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten nahezu verdoppeln.
Im abgelaufenen Quartal steigerte der US-Softwarekonzern seinen Umsatz den Angaben zufolge währungsbereinigt um elf Prozent auf 15,9 Milliarden Dollar und machte einen Gewinn von 1,70 Dollar je Aktie. Das Cloud-Geschäft wuchs sogar um 27 Prozent. Damit summierten sich die Konzernerlöse für das Geschäftsjahr 2024/2025 auf 57,4 Milliarden Dollar und der Überschuss auf 6,03 Dollar je Aktie.
Dabei habe sich die Kooperation mit den weltweit führenden Cloud-Anbietern Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud ausgezahlt, betonte Oracle-Verwaltungsratschef Larry Ellison. Die Umsätze im Zusammenhang mit dieser Zusammenarbeit hätten sich im vierten Quartal im Vergleich zum vorangegangenen Vierteljahr mehr als verdoppelt.
Den Anlegern bot sich am heimischen Aktienmarkt heute erneut ein ambivalentes Bild. Der DAX bewegte sich wie schon in den vergangenen Tagen um die Marke von 24.000 Punkten und blieb dabei in überschaubaren Handelsbandbreiten. Dabei pendelte der deutsche Leitindex rund ein Prozent zwischen 23.949 Punkten und 24.151 Zählern. Am Ende lag der Schlussstand bei 23.978 Punkten, ein leichter Tagesverlust von 0,16 Prozent.
Damit tendierte der DAX wie schon an den Vortagen zwar weiter leicht schwächer, aber trotzdem auf hohem Niveau. Auch gestern war der Index knapp 0,8 Prozent leichter aus dem Handel gegangen. Der MDAX der mittelgroßen Werte legte moderat um 0,27 Prozent zu, nachdem er gestern gut ein Prozent gefallen war.
Im Fokus der heimischen Anleger stand ebenfalls sowohl das in der Nacht bekannt gegebene Rahmenabkommen zwischen den USA und China im Zollstreit, als auch die neuesten US-Verbraucherpreisdaten für den Mai. Beide eigentlich mit viel Spannung erwarteten Ereignisse sorgen aber wie auch an der Wall Street nicht für nennenswerte Impulse, sondern eher für neue Fragezeichen.
So bleibt trotz des Rahmenabkommens zwischen den USA und China im Zollstreit weiter unklar, ob es zu einem echten, weitreichenden Deal kommt. "Den Märkten ist bewusst, dass der Weg zu einem Handelsabkommen zwischen den großen Volkswirtschaften keine einfache Angelegenheit ist", betont Han Tan von der Exinity Group.
Auch die Inflationsdaten waren kein großer Wurf, obwohl schlimmere Befürchtungen sich nicht bestätigten. Für neuen Impulse am Nachmittag reichte es aber nicht, so dass die Notierungen abbröckelten.
Nach den US-Preisdaten legte der Euro deutlich zu auf bis zu 1,1499 Dollar, zuletzt wurden im US-Handel XX Dollar für die Gemeinschaftswährung bezahlt. Offensichtlich waren die Anleger am Devisenmarkt heute eher davon überzeugt, dass die Federal Reserve die Zinsen doch noch senken könnte. Dabei spielt auch das vage US-Zoll-Rahmenabkommen mit China eine Rolle, das Konjunktursorgen eher befördert als ausräumt.
"Zwar zeigen sich in Teilbereichen gewisse Auswirkungen der höheren Zölle, insgesamt ist deren preistreibender Effekt zumindest bislang schwächer als befürchtet", kommentierten die Volkswirte der Commerzbank. "Damit wird eine Zinssenkung der Fed in absehbarer Zeit wahrscheinlicher." Eine Senkung bereits nächste Woche sei allerdings nahezu ausgeschlossen. Sinkende Zinsen belasten tendenziell eine Währung.
Der Zinsvorteil ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn die Unsicherheit über den Zoll- und Zinskurs der USA belastet das Vertrauen in die Weltleitwährung schon länger und sorgt für eine strukturelle Schwäche des Greenback. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1433 (Dienstag: 1,1429) Dollar fest.
Am Rohstoffmarkt haben die Ölpreise nach anfänglichen leichten Verlusten klar ins Plus gedreht. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verteuert sich zuletzt um 4,4 Prozent auf 69,56 Dollar je Barrel (159 Liter).
Im DAX lag die Bayer-Aktie ganz vorne und gewann 3,78 Prozent. Mit SBC und Kepler Cheuvreux haben gleich zwei Investmentbanken die Papiere zum Kauf empfohlen - mit Kurszielen von bis zu 33 Euro. Ein Großteil des "worst case" für die US-Rechtsstreitigkeiten sowie alle operativen Probleme des DAX-Konzerns seien längst in den Aktienkurs eingepreist, heißt es bei Kepler.
Die Papiere der Deutschen Telekom litten mit minus 1,7 Prozent unter einem Bericht zu einer wichtigen Personalie bei der Tochter T-Mobile US und standen am DAX-Ende. T-Mobile-US-Chef Mike Sievert plant angeblich, seinen Posten noch vor Vertragsende 2028 aufgeben. Das Papier war bereits gestern durch die Personalie belastet.
Die zuletzt scharfe Korrektur bei den Rüstungswerten scheint vorerst beendet. Im DAX war die Rheinmetall-Aktie einer der größten Gewinner. Im MDAX waren Papiere von Hensoldt und Renk ebenfalls gefragt.
Der Vorstandsvorsitzende der italienischen Großbank Unicredit hat Erwartungen hinsichtlich einer möglichen Übernahme der Commerzbank durch sein Institut vorerst gedämpft. Andrea Orcel sagte dem US-Sender CNBC, man sei derzeit "weit entfernt" von einem konkreten Übernahmeangebot. Zunächst strebe die Bank eine "konstruktive Lösung" für den Widerstand aus der deutschen Politik an. "Wir haben Geduld", so Orcel weiter.
Diese Geduld wird der Chef der Unicredit auch brauchen. Denn Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellte sich gestern in einem Brief an den Vorsitzenden des Commerzbank-Konzernbetriebsrats, Sascha Uebel, deutlich hinter das Institut. "Ich teile die Ansicht des Bundesministers der Finanzen, dass ein unabgestimmtes und unfreundliches Vorgehen wie das der UniCredit Group nicht akzeptabel ist", erklärte Merz. Die Bundesregierung setze auf eine "starke und unabhängige Commerzbank".
Daimler Truck hat einen Großauftrag der Bundeswehr erhalten. Deren Mobilitätsdienstleister BwFuhrpark Service habe eine mittlere dreistellige Stückzahl an Fahrzeugen vom Typ Mercedenz-Benz Arocs bestellt, teilte der Nutzfahrzeughersteller heute mit. Ein Auftragswert wurde nicht genannt. Geplant sei die Auslieferung aller Fahrzeuge bis Ende Mai 2026. Die Lkws sollten gemäß der aktuellen Beschaffungsstrategie der deutschen Bundesregierung zur Verbesserung der militärischen Transportkapazitäten für die Landes- und Bündnisverteidigung beitragen, hieß es weiter.
Der US-Konzern Nvidia will in Deutschland seine erste Cloud-Plattform für künstliche Intelligenz (KI) mit Schwerpunkt auf industrielle Anwendungen aufbauen. Das kündigte Unternehmenschef Jensen Huang heute auf der VivaTech-Konferenz in Paris an. Er werde am Freitag in Berlin auch Kanzler Friedrich Merz treffen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus deutschen Regierungskreisen.
"In nur zwei Jahren werden wir die KI-Rechenkapazität in Europa um den Faktor 10 erhöhen", sagte Huang weiter. Gleichzeitig ergab eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom unter Nutzern, dass die meisten deutschen Firmen etwa bei der Cloud-Nutzung unabhängiger von US-Anbietern werden möchten. Hintergrund ist die politische Unsicherheit unter US-Präsident Donald Trump und die Sorge, dass der Zugang zu Daten oder Software plötzlich abreißen könnte.
Angesichts einer teilweisen Entschuldigung von Elon Musk bei Donald Trump nach dem Zerwürfnis der beiden in der vergangenen Woche bleiben Tesla-Aktien weiter auf Erholungskurs. "Ich bedauere einige meiner Beiträge über Präsident Donald Trump in der vergangenen Woche. Sie gingen zu weit", schrieb Musk auf seiner Plattform X. Zudem kündigte er die ersten Fahrten der selbstfahrenden Roboter-Taxis seiner Firma für die Öffentlichkeit für den 22. Juni an.
Apple hat zum ersten Mal ausführlicher erklärt, warum eine neue Version der Sprachassistentin Siri mit Künstlicher Intelligenz auf sich warten lässt. Der iPhone-Konzern habe zwar funktionierende Prototypen der Software gehabt. "Aber wir konnten sie nicht so schnell verlässlich machen, wie wir dachten", sagte Apples Software-Chef Craig Federighi dem Wall Street Journal.