
Probleme mit der Technik Sind Wasserstoffzüge ein millionenteurer Flop?
Mit Millionenaufwand wurden in einigen Regionen Deutschlands teure Wasserstoffzüge beschafft. Doch immer wieder müssen Fahrten und Verbindungen gestrichen werden, weil die Technik streikt oder Wasserstoff fehlt.
Hinter Güterwaggons versteckt stehen sie auf einem Bahnhof im hessischen Gießen nutzlos rum: Regionalbahnzüge mit Wasserstoffantrieb. Als "größte Wasserstoff-Flotte der Welt" sollten 27 dieser Züge beim Rhein-Main-Verkehrsverbund durchstarten und Dieselzüge ablösen. 500 Millionen Euro hat das Projekt gekostet. Doch stattdessen folgte ein jahrelanges Chaos.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 war der Start der 27 Wasserstoff-Züge ursprünglich geplant. Das Problem: Der Hersteller, die französische Firma Alstom, konnte nur einen Teil der Züge rechtzeitig liefern. Die Folgen für die Region waren dramatisch. Ersatzzüge waren nicht ausreichend in Reserve vorhanden. Monatelang mussten Diesel-Busse eingesetzt werden. Erst ein Jahr später zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 waren dann endlich alle bestellten Wasserstoffzüge ausgeliefert - doch das Chaos ging weiter. Immer wieder gab es technische Probleme, die Züge fielen regelmäßig aus.
Hersteller gibt Probleme zu
Der Rhein-Main-Verkehrsbund (RMV) sah damals die Schuld nicht bei sich. Das Hauptproblem liege beim Fahrzeughersteller Alstom, und man sei "extrem erbost und mittlerweile sehr enttäuscht". Der Hersteller selbst teilte mit, man bedauere den schwierigen Start und die mangelnde Stabilität im Betrieb. "Hauptgründe dafür sind die eingeschränkte Funktionalität der Antriebstechnologie und Materialengpässe bei den Ersatzteilen", hieß es. Nun werden auf dem größten Teil der Strecke vorerst wieder Dieselzüge eingesetzt.
Dabei galten Wasserstoffzüge als Hoffnungsträger der Energiewende im Bahnsektor. Sie nutzen Brennstoffzellen, um aus Wasserstoff und Sauerstoff aus der Umgebungsluft elektrische Energie zu erzeugen, die in Akkus zwischengespeichert wiederum Elektromotoren antreibt. Wasserstoffzüge gelten als emissionsfrei, da sie während des Betriebs vor Ort lediglich Wasserdampf ausstoßen. Dies macht sie zu einer scheinbar idealen Lösung für nicht-elektrifizierte Bahnstrecken, auf denen bisher Diesellokomotiven und -triebwagen verkehren.
Welchen Klimavorteil hat Wasserstoff wirklich?
Doch der umweltfreundliche Betrieb während der Fahrt ist nur ein Teil der Wahrheit. Entscheidend für die ökologische Bilanz ist auch die Herkunft des Wasserstoffs. Grüner Wasserstoff, der mittels Elektrolyse unter Einsatz von erneuerbarem Strom hergestellt wird, ist bislang nur in begrenztem Umfang verfügbar. In der Praxis stammt der meiste Wasserstoff derzeit noch aus fossilen Quellen (grauer Wasserstoff) oder aus Verfahren mit teilweiser C02-Abscheidung (blauer Wasserstoff). Der tatsächliche Klimavorteil hängt also stark von der Wasserstoffquelle ab.
Ein zentrales Problem der Wasserstofftechnologie ist ihre vergleichsweise geringe energetische Effizienz. Der gesamte Prozess von der Stromerzeugung über die Wasserstoffproduktion und -speicherung bis hin zur Rückverstromung in der Brennstoffzelle ist von erheblichen Energieverlusten geprägt.
Studien zeigen, dass bei der Herstellung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Wasserstoff bis zu 70 Prozent der ursprünglichen Energie verloren gehen können. Zum Vergleich: Bei direkt elektrisch betriebenen Zügen liegt der Wirkungsgrad der gesamten Kette von der Stromerzeugung bis zur Antriebskraft bei über 80 Prozent. Dies bedeutet, dass rein elektrische Züge deutlich effizienter und wirtschaftlicher arbeiten - vorausgesetzt, es existiert eine entsprechende Oberleitungsinfrastruktur.
Experten sehen batterieelektrische Züge im Vorteil
Experten für Bahntechnik wie Arnd Stephan von der TU Dresden sehen für den Regionalverkehr sogenannte batterieelektrischen Züge klar im Vorteil. Diese können auf elektrifizierten Strecken mit Oberleitung fahren und auf nicht-elektrifizierten Strecken mit Batteriebetrieb. Der Wirkungsgrad solcher Systeme liege deutlich über dem von Wasserstoffzügen, da sie keine Umwandlung von Wasserstoff in Strom benötigen.
Zudem sei die Ladeinfrastruktur für Batterien oft kostengünstiger und einfacher zu realisieren als Wasserstofftankstellen. Solche batterieelektrischen Züge erreichen mittlerweile eine Reichweite von 80 bis 120 Kilometer. Völlig ausreichend, meint Stephan, da rund 90 Prozent der nicht-elektrifizierten Strecken in Deutschland kürzer als 70 Kilometer seien und sich somit die meisten Elektrifizierungslücken im Schienennetz überbrücken ließen.
Goldstandard bleibt Elektrifizierung mittels Oberleitung
Den höchsten Grad an Effizienz erreichen elektrische Züge, die rein über Oberleitungen betrieben werden, da der Strom ohne große Umwandlungsverluste direkt ins Antriebssystem gelangt. Im Gegensatz zu Batterien oder Wasserstoffantrieben ist die Oberleitungsinfrastruktur seit Jahrzehnten bewährt, weltweit standardisiert und ermöglicht einen zuverlässigen, leistungsfähigen Bahnbetrieb.
Die Anschaffungskosten für Wasserstofffahrzeuge liegen derzeit deutlich über denen von Diesel- oder batteriebetriebenen Zügen. Hinzu kommen die hohen Kosten für den Aufbau einer geeigneten Wasserstoffinfrastruktur, wie etwa Erzeugungsanlagen, Speicher, Transport und Betankungseinrichtungen.