Satellitenaufnahme der Straße von Hormus. (Archivbild: 27.12.2011)
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Straße von Hormus Iran würde sich mit einer Blockade selbst schaden

Stand: 23.06.2025 14:20 Uhr

Sperrt der Iran als Reaktion auf den Angriff der USA die Straße von Hormus? Das ist eine Frage, die vor allem die Wirtschaft beschäftigt. Ein solches Szenario ist allerdings aus mehreren Gründen unwahrscheinlich.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Es sind nervenaufreibende Tage am Ölmarkt. Mit dem US-Angriff auf den Iran erreichten die Notierungen am Wochenende den höchsten Stand seit Januar. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent sprang bis auf 81,40 Dollar. Zu Wochenbeginn ging es zusehends wieder bergab - gegen Mittag notierte Brent bei 77,60 Dollar. Auch der Gaspreis, der zeitweise den höchsten Stand seit Anfang April erreicht hatte, fiel wieder zurück.

Waren die Marktteilnehmer zuvor im Unklaren, was US-Präsident Donald Trump unternimmt, rätseln sie nun, ob das iranische Regime seine Drohung wahr macht und die Straße von Hormus sperren wird. Durch die Meerenge fließt täglich mit rund 20 Millionen Barrel pro Tag etwa ein Fünftel des weltweiten Ölverbrauchs und rund ein Viertel des weltweit verschifften Flüssiggases (LNG).

Experten halten Sperrung für unwahrscheinlich

Die gute Nachricht ist: Es gibt zahlreiche gewichtige Gründe für die Mullahs, von einer solchen Attacke auf die Weltwirtschaft abzusehen. Ein wesentlicher Grund ist, dass der Iran damit auch seiner eigenen Wirtschaft schaden würde. Höhere Ölpreise würden dem Golfstaat kaum nützen, wenn er seine eigenen Ausfuhren von rund anderthalb Millionen Barrel pro Tag blockiert.

Zugleich würde er damit auch in eine direkte Konfrontation mit seinen arabischen Nachbarn treten. Das meiste Öl, das den Seeweg passiert, stammt aus Saudi-Arabien, dem Irak und Kuwait. Noch weniger Interesse kann das Land an einer Schädigung seines engen Partners China haben, das einen Großteil seines Ölbedarfs aus dem Golf bezieht.

Die Karte zeigt den Persischen Golf, die Straße von Hormus und den Golf von Aden sowie Anrainerstaaten

Dazu kommt die erhebliche militärische Präsenz der USA in der Region, die jedem Versuch, Minen zu legen oder Tanker zu beschießen, entgegentreten könnte. Außer einigen Störungen in den vergangenen Jahrzehnten hat der Iran auch nie versucht, die Handelsroute vollständig zu sperren.

Viele Experten wie etwa Energiemarktanalyst Gaurav Sharma aus London halten eine solche Blockade denn auch für unwahrscheinlich. Solche Überlegungen erklären auch, warum der jüngste Anstieg der Ölpreise vergleichsweise bescheiden ausfiel - trotz der historisch zu nennenden Eskalation des israelisch-iranischen Konflikts.

Ölpreise über 100 Dollar?

Die schlechte Nachricht: Niemand weiß genau, wie weit das iranische Regime zu gehen bereit ist, wenn es mit dem Rücken zur Wand steht. Wer den Ölmarkt analysiert, muss folglich auch das Szenario einer Sperrung der Schifffahrtsroute einbeziehen.

Im Fall der Fälle rechnen die Marktbeobachter mit starken Preisanstiegen. Der Brent-Ölpreis könne binnen kurzer Zeit auf 120 Dollar klettern, schätzen die Ökonomen Robin Winkler und Marc Schattenberg von Deutsche Bank Research. Das würde die Inflationsrate kurzfristig um etwa einen Prozentpunkt steigen lassen. "Die derzeitige Konjunkturerholung würde abbrechen", warnen die Experten. Auch die Ökonomen der ING-Bank rechnen bei einer effektiven Blockade damit, dass der Brent-Preis kurzfristig bis auf 120 Dollar steigen würde. "Bei einer längeren Blockade (bis Ende 2025) würden die Preise wahrscheinlich über 150 Dollar je Barrel steigen und neue Rekordhöhen erreichen", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

"Die schiere Menge an Öl, die über die Straße von Hormus exportiert wird, und die begrenzten Möglichkeiten, sie zu umgehen, bedeuten, dass jede Unterbrechung der Ölströme enorme Folgen für die weltweiten Ölmärkte hätte", warnt auch die Internationale Energie-Agentur (IEA). Bei längerer Unterbrechung seien signifikante Preisanstiege unvermeidlich und Engpässe schnell zu erwarten.

Das letzte Szenario könnte tatsächlich eine weltweite Wirtschaftskrise auslösen. Doch auch wenn die Marktexperten keine Eintrittswahrscheinlichkeit dafür angeben, darf es als äußerst unwahrscheinlich gelten.

Nach Angaben der IEA könnten Pipelines durch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate etwa ein Viertel der sonst verschifften Ölmenge transportieren. Höhere Ölpreise würden zudem die Förderung in anderen Weltregionen ankurbeln, allen voran in den USA, Kanada, Norwegen und Brasilien, was innerhalb von Wochen einen weiteren Teil der Ausfälle kompensieren würde.

In jedem Fall wäre die Energieversorgung Deutschlands auf absehbare Zeit nicht gefährdet, wie auch Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. Juni 2025 um 11:57 Uhr.