
"Blind Date Cinema" Dating an der Kinotheke
Freunde finden oder die große Liebe: Ohne App und Algorithmus wird das immer seltener. Einige Kinos wollen das Daten aber wieder zu den analogen Wurzeln zurückführen - etwa das Berliner "Moviemento".
Zwischen Imbissbuden und Cafés mit Matcha Latte ist vor dem "Moviemento"-Kino in Berlin-Kreuzberg ordentlich Trubel. Drinnen riecht es nach Popcorn und Kinogeschichte. Es ist das älteste Kino Deutschlands, gegründet 1907, und es fühlt sich auch so an. Klein, ist es, irgendwie schief und charmant - mit Wänden, die Geschichten erzählen könnten, so voll wie sie sind mit Kinoplakaten aus früher und heute.
Hier laufen selten Blockbuster, sondern Arthouse-Filme, Dokus, kleine europäische Produktionen, die im Mainstream keinen Platz finden. Menschen, die hierherkommen, suchen tiefgründige Diskussion als Ablenkung. Viele sind allein, einige zu zweit, niemand wirkt, als sei er zufällig hier.
Erst Fragebogen, dann Film
An diesem Abend allerdings ist etwas anders: Beim "Blind Date Cinema" treffen ganz unterschiedliche Kinoliebhaber aufeinander - die zwar noch keine Paare oder Freunde sind, aber es vielleicht werden. Die Atmosphäre ist entspannt.
Vor dem Kinosaal sitzen Menschen mit Stiften in der Hand über einem Fragebogen. "Was ist deine Superkraft?", steht da, und "Was suchst du: Dates, Freundschaft oder einfach einen netten Abend?" Das alles wird zügig beantwortet und danach ab in den Film. An diesem Abend läuft "Oslo Stories: Liebe", in der norwegischen Originalfassung mit Untertiteln.
Wenn Lieblingsort und -Essen matchen
Berlin nennt sich selbst gerne die Hauptstadt der Dates. Doch echte Begegnungen sind selten geworden und gerade im Alter lassen sich Freundschaften schwieriger schließen. Es sind nur ein paar Gründe, weshalb dieses Format hier gut ankommt: keine Apps, kein Algorithmus, kein Swipen.
Die Idee: Kino und Kennenlernen verbinden. Wer teilnehmen möchte, bucht online ein Ticket oder kommt spontan vorbei. Anhand der Antworten sortieren die Mitarbeitenden im Kino die Fragebögen und platzieren sie paarweise auf Tischen in der Nähe der Bar.
Elli Bender, ist Teil des sogenannten "Cupid-Teams", sie achtet beim "matchen" der Kinogäste darauf, dass sie mehrere Angaben gemeinsam haben. Ihr fällt zum Beispiel auf: "Hier haben wir zwei Leute, deren Lieblingsort Kreuzberg ist, und hier mediterranes als Lieblingsessen." Zack, hat sie einen "Match" gefunden. Nach dem Film holen sich die Teilnehmenden ein Freigetränk ab und finden ihr "Match" für den weiteren Abend. Es dürfen aber auch gerne gemischte Gruppen an Leuten entstehen, die nicht direkt vom "Cupid-Team" zugeteilt wurden.
Alles kann, nichts muss
Eine Garantie für die große Liebe gibt es hier nicht. Aber die Stimmung ist locker und die meisten Teilnehmenden nutzen den Film als Gesprächseinstieg. Das Freigetränk lädt zum Verweilen ein. Die Kinogäste sprechen über den Film oder vergleichen ihre Antworten auf dem Fragebogen.
"Ich fand es spannend zu sehen, was für eine Auswirkung so eine Prostata-OP mitbringt", heißt es etwa an einem der Tische über den Protagonisten des Films. Und im anderen Moment: "Sag mal, hast du auch einen Bootsführerschein?"
Das Format kommt an. "Ich finde die Aktion schon besonders. Man bleibt nicht allein und kann sich auch darüber austauschen, was andere im Film gesehen haben", so der Eindruck einer Teilnehmerin, die zum ersten Mal beim Moviemento-Überraschungs-Date mitgemacht hat. Lust auf ein Wiedersehen bekunden immerhin sechs der acht Teilnehmenden.
Filmgeschmack beeinflusst das Publikum
Wer sich beim "Blind Date Cinema" anmeldet, sollte beachten: Die Altersgruppen variieren je nach Film. Bei einem Arthaus Film wie "Oslo Stories: Liebe" waren eher ältere Kinogänger vertreten. Bei populäreren Filmen, wie zum Beispiel "Babygirl" oder "Mickey 17" sei das Publikum jünger und gemischter, so Tatjana Kuplewatzki, Moviemento-Mitarbeiterin und Teil des "Matching"-Teams. Und sie macht noch auf einen Bonus aufmerksam: Falls ein Moviemento-Blind-Date tatsächlich in eine Ehe münden sollte, gibt es beim nächsten Besuch eine Tüte Popcorn gratis.
Und auch wenn man das Popcorn beim nächsten Mal selbst zahlen muss - eine interessanten Erfahrung ist es allemal. Vielleicht ist das schon Erfolg genug: ein Format, das zeigt, wie man sich auch in einer digitalisierten Gesellschaft wieder analog begegnen kann - zwischen Popcorn, Fragebögen und norwegischem Liebesdrama.