Wolodymyr Selenskyj (vorne) und Friedrich Merz (hinten) stehen auf einem roten Teppich.
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Merz und die Ukraine Zwar kein Zauberer, aber auch kein Zauderer

Stand: 28.05.2025 17:20 Uhr

Seit drei Wochen ist Kanzler Merz im Amt - und in diesen drei Wochen hat er den ukrainischen Präsidenten Selenskyj schon dreimal getroffen. Ein guter Anfang?

Ein Kommentar von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

Zauderer? Ankündigungskanzler? Dieser Friedrich Merz will gerade beweisen, dass er das Gegenteil ist. Jeden Tag, so hat er heute in Berlin verkündet, werde es jetzt Konsequenzen für Russland geben. Für dessen militanten Revisionismus. Für das tägliche Bombengewitter. Für Wladimir Putins Verhöhnung von jedem diplomatischen Bemühen.

Zauderer? Dass Deutschland jetzt auf deutschem und ukrainischem Boden weitreichende Raketensysteme für und von der Ukraine bauen und finanzieren will, lässt jedenfalls aufhorchen. Es ist mehr als nur ein bloßes "Wir stehen an Eurer Seite".

Drei Treffen binnen drei Wochen

Dass die Ukraine weiter den Taurus will, dass auch ein Teil der Kanzlerpartei weiter nach dem Taurus ruft, ist sicher keine große Überraschung. Aber dass Deutschland jetzt zusammen mit der Ukraine einsteigt in eine neue Form der militärischen Kooperation - Motto: "Dann bauen wir uns die Raketen eben selbst!" - ist es schon.

Merz, der "Außenkanzler in Ausbildung", hat eines schnell begriffen: Konkrete Hilfe ist wichtig, aber symbolische Bilder eben auch. Für Wolodymyr Selenskyj wie für ihn. Und als Botschaft an Putin allemal. Dass der Ukrainer mitten im massivsten russischen Bombardement seit Kriegsbeginn das Land verlässt und nach Deutschland kommt, sagt auch etwas aus: Selenskyj setzt auf diesen Friedrich Merz, den er in seinen drei Wochen als Kanzler jetzt schon drei Mal getroffen hat.

Bauchmensch folgt auf verkopften Hanseaten

Merz, der Zauderer? Er kündigt die Wiederaufnahme deutsch-ukrainischer Regierungskonsultationen an. Organisiert eine Industriekooperation für die Zukunft einer Ukraine jenseits des Krieges. Und er sagt militärische Hilfe zu.

Aber ein Zauberer ist dieser Merz deshalb noch lange nicht. Der Bundeskanzler, der übrigens auch ein emotionaler Bauchmensch ist. Der anders als der kühle Olaf Scholz manches aus der Emotion heraus sagt und dann auch entscheidet. Das kann - wie im Fall Israel - gut gehen. Das kann - wie bei seiner Bemerkung über die Aufhebung von Reichweitenbeschränkungen für deutsche Waffen - Probleme machen.

Dass der Kanzler übrigens ausdrücklich das persönliche Engagement des amerikanischen Präsidenten Donald Trump in Sachen Ukraine lobt - es ist wohl nicht mehr als die verbale Vorbereitung auf einen sehr schwierigen Antrittsbesuch von Merz in Washington.

"Nichts kommt von selbst"

Zwei Herzen schlagen in der Brust des "Außenkanzlers in Ausbildung". Da ist das Transatlantische. Das aber muss seit dem Irrlicht namens Trump im Weißen Haus täglich transatlantische Herzrhythmusstörungen aushalten.

Und da ist das Herz des überzeugten Europäers Friedrich Merz. Der immerhin geschafft hat, was der besonnen-kühle Hanseat Scholz nie wirklich zu Wege brachte: Frankreich, Großbritannien, Polen und eben dieses Deutschland als funktionierende Herzkammer Europas zu einen.

"Nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer. Deshalb besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will." Das hatte Willy Brandt einst den Sozialisten dieser Welt zugerufen. Heute könnte das für alle europäischen Freunde der Ukraine gelten. Besinnt Euch auf Eure Kraft.

Merz hat damit angefangen. Vieles unfertig, manches nur symbolisch. Aber es ist ein guter Anfang. So wie der Antrittsbesuch Selenskyjs heute in Berlin.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. Mai 2025 um 17:00 Uhr.