
Israels Vorgehen Die Bundesregierung muss umdenken
Israels Regierung will weitere jüdische Siedlungen im besetzten Westjordanland bauen. Im Gazastreifen setzt die Netanjahu-Regierung Hunger als Kriegswaffe ein. Es sei Zeit, das Bild von Israel zu überdenken.
Es ist Zeit, unser Bild von Israel zu überdenken. Das Bild von der einzigen Demokratie im Nahen Osten, von dem Land, das einfach nur Frieden will und das von allen Seiten bedroht ist.
Und ja: Viele Menschen in Israel kämpfen dafür, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat bleibt, die meisten wünschen sich Frieden und fühlen sich zugleich bedroht - zumal nach dem 7. Oktober 2023.
Aber ein Land wie Deutschland sollte seine Haltung zu Israel nicht primär an dem festmachen, was eine Bevölkerung eines Landes fühlt - von der übrigens ein Viertel zur nicht-jüdischen Minderheit gehört. Grundlage der Beurteilung muss die israelische Regierung sein - denn sie ist verantwortlich für das staatliche Handeln.
Und hier ist das Bild ein ganz anderes. Es könnte nicht klarer sein, denn es zeigt sich nicht nur an Aussagen von Mitgliedern der Regierung in Jerusalem, sondern auch an den Taten.
Der größte Ausbau seit Jahrzehnten
Gerade erst hat das Kabinett 22 neue Siedlungen im besetzten Westjordanland beschlossen. Dabei handelt es sich zum Teil um sogenannte Außenposten, die nun legalisiert werden - und damit noch mehr staatliche Förderung bekommen können. Zum Teil sollen neue Siedlungen gebaut werden. Das ist der größte Ausbau seit Jahrzehnten, und das Ziel wurde klar benannt: Verteidigungsminister Israel Katz hat gesagt, es handele sich um einen strategischen Schritt, um die Errichtung eines palästinensischen Staates zu verhindern.
Um es klar zu sagen: Der Siedlungsbau ist völkerrechtswidrig, ebenso der Transfer von Bevölkerung in besetztes Gebiet. Israel hält das Westjordanland seit 1967 besetzt, inzwischen leben dort, einschließlich von Ostjerusalem, rund 750.000 jüdische Siedler.
Zu wenig Hilfslieferungen
Auch im Gazastreifen hält sich Israel nicht an das Völkerrecht, indem es Hunger als Kriegswaffe einsetzt. Die zu wenigen Hilfslieferungen, die vor wenigen Tagen, nach mehr als elf Wochen totaler Blockade begonnen haben, verfolgen offensichtlich keine humanitären Ziele. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat erklärt, es werde nur das notwendige Minimum nach Gaza gelassen. Sein Ziel ist es, den Krieg fortzusetzen, die Bevölkerung in Gaza auf kleinen Gebieten, in denen Hilfe verteilt wird, zusammenzutreiben, und die Vereinten Nationen bei der Versorgung der Bevölkerung außen vor zu lassen.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat vor kurzem gesagt, er verstehe nicht mehr, mit welchem Ziel Israel in Gaza vorgehe. Dabei würde es reichen, dem zuzuhören, was die israelische Regierung sagt - und sich anzuschauen, was sie und in ihrem Auftrag die israelische Armee tun. Die Fakten sprechen für sich.
Das Bild von Israel zu überdenken ist umso wichtiger, als dass die Doktrin von der "Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson" der deutschen Politik Verpflichtungen auferlegt - zumindest, wenn sie nicht nur eine hohle Phrase sein soll.
Es kann Deutschland in Schwierigkeiten bringen, wenn es einen Krieg mit Waffen und Kriegsgerät unterstützt, die dann völkerrechtswidrig eingesetzt werden. Es macht deutsche Politik mehr als unglaubwürdig, wenn man sich einerseits für die regelbasierte internationale Ordnung einsetzt und andererseits ein Land bedingungslos unterstützt, dass ebendiese Ordnung mit Füßen tritt.
Entrechtung, Vertreibung und Unterdrückung von Palästinensern
Und: Das, was Israels Regierung mit dem Bau neuer Siedlungen und dem Krieg in Gaza tut, mag zwar radikalzionistischen Fantasien eines Groß-Israel dienen - aber nicht der Sicherheit Israels. Die wird es nur geben, wenn auch Millionen Palästinenser in Sicherheit leben können und eine Perspektive haben. Doch davon will die israelische Regierung nichts wissen, sie treibt die Entrechtung, Vertreibung und Unterdrückung von Palästinensern weiter voran.
So gesehen müsste die Staatsräson, der sich die deutsche Politik verschrieben hat, bedeuten, der israelischen Regierung die rote Karte zu zeigen, wenn man es mit der Sicherheit denn wirklich ernst meint.
Und übrigens: Auch viele Menschen in Israel erwarten das von Deutschland. Die, die dafür kämpfen, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat bleibt - und die, die wollen, dass der Krieg in Gaza endet, damit die immer noch verschleppten Geiseln freikommen.
Die Bundesregierung muss umdenken.