
Öffentliche Pornoseiten Wie ein Vergewaltiger-Netzwerk ungehindert wachsen konnte
Ein Mann aus Niedersachsen hat jahrelang seine Ehefrau betäubt, vergewaltigt und Videos der Taten auf Pornoseiten gestellt, ohne ins Visier der Polizei zu geraten. Wie ein Vergewaltiger-Netzwerk ungehindert wachsen konnte, zeigt eine STRG_F-Recherche.
Auf öffentlichen Pornoseiten hat sich ein Vergewaltiger-Netzwerk entwickelt. Ein deutscher Nutzer veröffentlichte auf einer Seite Aufnahmen einer Frau, die offenbar in bewusstlosem Zustand vergewaltigt wurde. Mit 60 Aufnahmen hatte er dort fast eine halbe Millionen Aufrufe generiert. Das ergab eine Recherche von STRG_F-Journalistinnen, die drei Jahre lang mit Undercover-Profilen solche Pornoseiten infiltriert haben.
Auf einer anderen Plattform erreichte der Mann mit elf Videos mehr als 14 Millionen Aufrufe. Der Täter hatte offenbar schon 2006 erste Fotos seiner bewusstlosen Frau hochgeladen, wie STRG_F feststellte. Der Nutzer gab auf den Pornoseiten offen an, dass die vergewaltigte Person seine Ehefrau sei und diese nichts davon wisse.
Polizei Hamburg räumt "verhängnisvollen Fehler" ein
Bereits im Juli 2023 machte STRG_F das Bundeskriminalamt (BKA) auf den Nutzer aufmerksam. Das BKA teilte damals mit, den Sachverhalt an die Hamburger Polizei weiterzuleiten. Beim Aufruf des Profils im Herbst 2024 entdeckte STRG_F jedoch ein neues Vergewaltigungsvideo des Nutzers und kontaktierte diesen mit einem Undercover-Profil. Dieser antwortete prompt: "Ich bin grad dabei meiner Stute was unterzumischen. Mal schauen, was noch so geht heute Abend."
Erst als die Journalistinnen im Oktober 2024 bei der Polizei in Hamburg nachfragten, wurden Ermittlungen aufgenommen, wie STRG_F nachvollziehen konnte - mehr als ein Jahr nach der ersten Anfrage. In der Zwischenzeit wurde die Frau allein seit August 2024 durchschnittlich alle zwei Wochen betäubt und vergewaltigt, wie später die mittlerweile zuständige Staatsanwaltschaft in Niedersachsen bestätigte.
Die Polizei Hamburg teilte dazu auf Nachfrage mit, das BKA habe die Anfrage weitergeleitet, die Mail sei aus "noch nicht geklärten Gründen" in Hamburg nicht bearbeitet worden. "Wir bedauern zutiefst, dass die Ermittlungen erst mit so erheblichem Verzug aufgenommen wurden und erfahrenes Leid nicht schon viel früher beendet wurde", so die Polizei Hamburg. Man übernehme die Verantwortung dafür. Es laufen demnach interne Verwaltungsermittlungen. Man prüfe mögliche strafrechtliche oder disziplinarische Folgen.
Jahrelang unter Betäubungsmittel gesetzt
Die Staatsanwaltschaft in Niedersachsen hatte den Fall wenige Monate nach Aufnahme der Ermittlungen Ende 2024 übernommen und unmittelbar danach eine Hausdurchsuchung bei einem 60-jährigen Tatverdächtigen durchgeführt, der hinter dem Profil stecken soll.
Seine Ehefrau erfuhr erst im Zuge der Hausdurchsuchung, dass ihr Ehemann sie jahrelang unter Betäubungsmittel gesetzt und vergewaltigt hatte. Nach Angaben der Frau fanden die Ermittler hunderte Pillen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fielen. "Irgendwann hätte mein Mann mich getötet", erzählt die Frau in einem exklusiven Interview mit STRG_F.
Bevor der Haftbefehl vollstreckt werden konnte, starb der Mann jedoch bei einem Unfall ohne Fremdeinwirkung. Die Ermittlungen gegen ihn wurden deshalb eingestellt. Es wird nun wegen möglicher weiterer Beteiligter gegen Unbekannt ermittelt.
Auf eine Anfrage antwortete der Betreiber der Seite, auf der der Mann die Videos seiner betäubten Frau hochgeladen hatte, nicht. Der Domainregistrator und -administrator leitete allerdings eine Antwort weiter. Darin heißt es, dass man die entsprechenden Inhalte prüfen wolle und jeden Content entfernen werde, der gegen die Nutzungsbedingungen verstoße.
Öffentliches Vergewaltiger-Netzwerk aufgedeckt
Mutmaßliche Vergewaltiger, darunter viele Deutsche, konnten sich auf Porno-Plattformen vernetzen, Anleitungen teilen und echte Vergewaltigungsvideos hochladen, wie die STRG_F-Recherche zeigt.
Für die betroffene Frau aus Niedersachsen eine zusätzliche Belastung: "Es kann sich kaum einer vorstellen, wie grausam das ist, zu wissen, dass Männer vor ihrem Rechner sitzen und sich daran aufgeilen, meine Videos anzuschauen. Denn ich wurde wie ein billiges Stück Fleisch von meinem eigenen Ehemann zur Schau gestellt." Mit Sicherheit habe sich der eine oder andere ihr Video auch heruntergeladen und habe es noch auf seinem Rechner. "Ich habe Angst, dass irgendwann mal irgendjemand auf mich zukommt und sagt: Ich hab dich ja im Internet gesehen."
Besitz von Vergewaltigungsaufnahmen in Deutschland legal
Während die Verbreitung von Vergewaltigungsaufnahmen von Erwachsenen in Deutschland strafbar ist, ist der bloße Besitz legal. Das Bundesjustizministerium (BMJ) erklärte gegenüber STRG_F zur aktuellen Rechtslage: "Das geltende Strafrecht schützt diese Rechtsgüter umfassend." Eine Sprecherin verwies zusätzlich auf den Koalitionsvertrag, in dem eine Reform des Cyberstrafrechts in Aussicht gestellt wird.
Die betroffene Frau aus Niedersachsen sieht das anders. Sie fordert, dass der Besitz von Vergewaltigungsaufnahmen erwachsener Personen in Deutschland unter Strafe gestellt wird.
Das BKA schrieb im Namen des Bundesinnenministeriums (BMI) auf Anfrage: "Das BMI prüft derzeit möglichen gesetzgeberischen Änderungsbedarf im Zusammenhang mit Bildaufnahmen sexueller Übergriffe und steht dazu im Austausch mit dem Bundesjustizministerium."
Kein Unrechtsbewusstsein
Dass Täter selbst die Belege ihrer eigenen Straftaten auf teils öffentlichen Plattformen hochladen, um diese anderen Nutzern aus dem Netzwerk zu präsentieren, überrascht die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh nicht. Es zeige die völlige Auflösung eines Unrechtsbewusstseins, so Saimeh, da es in solch einer Community keine negativen Resonanzen gebe.
Dass dieses Netzwerk im Clearweb agiere, zeigt laut Saimeh, wie sicher sich die Täter fühlen. Ihre Erfahrung mit Tätern zeige, dass diese nur durch äußere Einflüsse wie eine Anzeige zu stoppen sind: "Nach meinem Dafürhalten muss man solche Plattformen von den Strafverfolgungsbehörden entsprechend ins Visier nehmen, denn auf diesen Plattformen finden diese Taten statt und werden diese Taten geplant." Es gehe um die Kontrolle solcher Plattformen, wie es mittlerweile im Bereich der pädophilen Netzwerke ja auch der Fall sei.
"Der Netzwerkcharakter der Übertretungen, der sexuellen Selbstbestimmung und der Schädigung von Menschen mit Mitteln der sexuellen Gewalt ist doch der gleiche."
BKA verweist an Bundesländer
Das Bundeskriminalamt gab STRG_F keine Auskunft darüber, inwiefern das Vergewaltigernetzwerk auf öffentlichen Plattformen insgesamt angeschaut wird. Bei konkreten Fällen verweist das BKA an die Bundesländer. Ebenso bei der Frage, ob derartige Pornoseiten gesperrt werden müssen. "Die Sperrung von Plattformen sowie einzelner Inhalte kann nur im Rahmen entsprechender Ermittlungsverfahren im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgen", so ein Sprecher des BKA.
Die STRG_F-Recherche löste mehrere Ermittlungen aus. In einem Fall sitzt ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft in der Schweiz.