
Anklage gegen Linksextremisten Das Ende der "Hammerbande"?
Johann G. galt als Kopf der "Hammerbande" und als einer der meistgesuchten Linksextremisten des Landes. Nun müssen sich er und weitere mutmaßliche Mitglieder wohl bald vor Gericht verantworten. Es geht auch um den Vorwurf des versuchten Mordes.
Es war das Ende einer mehr als vier Jahre dauernden Flucht. So lange hatte sich Johann G., Spitzname "Gucci", Deutschlands wohl meist gesuchter Linksextremist, erfolgreich vor den Zielfahndern des sächsischen Landeskriminalamtes versteckt. Im November 2024 fassten ihn die Fahnder schließlich in einem Regionalzug zwischen Jena und Weimar.
Nun hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen Johann G. und sechs weitere Linksextremisten vor dem Oberlandesgericht Dresden erhoben. Es geht auch um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung, um gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung. Drei Angeklagten, darunter Johann G., wird zudem versuchter Mord vorgeworfen.
Damit könnte in Dresden schon bald einer der spektakulärsten und größten Prozesse gegen linksextremistische Straftäter seit der RAF stattfinden. Das Oberlandeslandgericht Dresden muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden. Es geht um ein Netzwerk von Personen aus mehreren Bundesländern, die teilweise gemeinschaftlich im In- und Ausland Gewalttaten verübt haben sollen.
Opfer ausgespäht
"Die auch überregional vernetzte Gruppierung verübte über mehrere Jahre hinweg gewaltsame Angriffe gegen Personen, die ihrer Ansicht nach aus der 'rechten Szene' kamen", teilte der Generalbundesanwalt mit. "Die Aktionen wurden in der Regel intensiv vorbereitet. Sie schlossen etwa im Vorfeld die Ausspähung der Lebensgewohnheiten der ausgewählten Tatopfer ein."
So sollen G. und weitere Personen etwa im Januar 2023 gezielt Jagd auf einen bekannten Rechtsextremisten in Erfurt gemacht haben. Die Gruppe schlug Dutzende Male auf den Kopf und den Körper des Mannes ein. Er erlitt dabei einen Schädelbruch. Die Generalbundesanwaltschaft wertet diesen Übergriff als versuchten Mord.
In einem anderen Fall geht es um einen Angriff auf einen rechten Szenetreffpunkt in Eisenach, bei dem mehrere Personen mit Schlagstöcken und Eisenstangen attackiert wurden.
"Mit äußerster Brutalität und heimtückisch"
Ein Tatmuster, das Denis Kuhne, Leiter Staatsschutz des Landeskriminalamtes Sachsen, bei der Beobachtung der linksextremistischen Szene immer wieder beobachtet. Im Interview mit NDR und WDR sagt er: "Die Taten wurden mit äußerster Brutalität und heimtückisch ausgeführt. Die Täter haben es oft gezielt auf den Kopf abgesehen. Auch die Tatvorbereitung lief konspirativ, arbeitsteilig und trainiert. Die Opfer wurden gezielt und professionell ausgespäht. Zum Glück ist niemand zu Tode gekommen."
Johann G. soll auch bei Angriffen auf die Teilnehmer des rechtradikalen Aufmarsches "Tag der Ehre" in Budapest im Frühjahr 2023 beteiligt gewesen sein. Mehrere der Tatopfer erlitten dort zum Teil erhebliche Verletzungen.
Angriffe mit Hämmern
G. gilt als führender Kopf der "Hammerbande", einer Gruppe von Linksextremisten, die teilweise den Strukturen der "Antifa-Ost" zugeordnet werden und die für zahlreiche Straftaten, darunter mehrere gewalttätige Angriffe auf Rechtsextremisten und Personen, die sie für solche hielten, verantwortlich gemacht werden.
"Er war maßgeblich für die Planung und Durchführung von Angriffen zuständig, sprach gezielt Mittäter für einzelne Aktionen an und vernetzte sich in der linksextremistischen Szene, um weitere Personen zu mobilisieren", so der Generalbundesanwalt. Der Name "Hammerbande" rührt daher, dass bei einigen Taten die Opfer mit Hämmern angegriffen und teils schwer verletzt wurden.
Bis zu 40 Tatverdächtige
Nach Informationen von NDR und WDR rechneten die sächsischen Sicherheitsbehörden dem Netzwerk um Johann G. zuletzt bis zu 40 Tatverdächtige zu, denen insgesamt neun Straftaten zugeordnet werden. Zwei Verdächtige sollen bis heute nicht identifiziert sein.
Die Leipziger Studentin Lina E., die ebenfalls zu der Gruppierung gezählt wird, musste sich bereits für mehrere Taten, an denen auch ihr zeitweiliger Verlobter Johann G. und einige der nun vom Generalbundesanwalt Angeklagten beteiligt gewesen sein sollen, vor Gericht verantworten. Dabei ging es um gezielte Angriffe auf Personen aus der rechten Szene, die zwischen 2018 und 2020 in Sachsen und Thüringen verübt worden waren.
Form von "Selbstjustiz"
Lina E. war im November 2020 in Leipzig festgenommen worden. Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte sie zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis, das Urteil ist seit März dieses Jahres rechtskräftig. Auch die Mitangeklagten erhielten Haftstrafen. Das Gericht sprach von einer Form der "Selbstjustiz", die die Angeklagten gegenüber politischen Gegnern ausgeübt hätten.
Die Ermittlungen gegen die "Hammerbande" um Lina E. und Johann G. wurden von der Sonderkommission LinX des sächsischen Landeskriminalamtes geführt, die in den vergangenen Jahren mehrere der gesuchten Linksradikalen aufspüren konnten.
Vor Gericht in Ungarn
So wurde im Dezember 2023 die non-binäre Person Maja T. in einem Berliner Hotel gefasst. T. wurde anschließend nach Ungarn ausgeliefert und muss sich nun in Budapest wegen der Angriffe auf Neonazis beim Aufmarsch "Tag der Ehre" vor Gericht verantworten. Zuletzt ging T. in Hungerstreik und beklagte die Haftbedingungen in Budapest, die menschenunwürdig seien. Im Januar hatte das Bundesverfassungsericht entschieden, dass die Auslieferung von Maja T. rechtswidrig war. T. hatte zuvor eine Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Prozessbeginn in diesem Jahr möglich
Im November 2024 wurde zudem der gebürtige Brandenburger Thomas J. in Berlin auf offener Straße von Zielfahndern festgenommen. Er soll der Gruppe Kampfsportunterricht erteilt haben. Sieben weitere Personen aus dem Ermittlungskomplex, die als untergetaucht galten, stellten sich im Januar dieses Jahres der Justiz.
Wenn das Oberlandesgericht Dresden die Anklage zulässt, könnte noch in diesem Jahr der Prozess gegen die mutmaßlichen "Hammerbande"-Mitglieder und Unterstützer beginnen. Die Anwältin von Johann G. teilte mit, sich zu gegebenem Zeitpunkt zu den Vorwürfen zu äußern.
In einer vorherigen Version dieses Artikels hieß es, dass der Generalbundesanwalt Anklage gegen Johann G. und fünf weitere Linksextremisten erhoben habe. Richtig ist jedoch, dass neben Johann G. auch gegen sechs weitere Linksextremisten Anklage erhoben wurde.
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