
Thüringen Die Sophienheilstätte Bad Berka: Party-Location mit Gruselfaktor
Farbe, die von den Wänden bröckelt, beschmierte Türen, fehlende Fenster und Löcher in den Decken, wo einst Kronleuchter hingen. Das riesige Gebäude der einstigen Sophienkliniken strahlt einen morbiden Charme aus. Heute wird der allerdings genutzt.
Zu sagen, die Sophienheilstätte in München bei Bad Berka hat eine wechselvolle Geschichte, wäre fast untertrieben. 1898 wurde sie mitten im Wald als Kureinrichtung zur Behandlung Tuberkulosekranker erbaut. In Abgeschiedenheit und bei guter Luft sollten Lungenkranke dort genesen.

So empfing die Heilstätte um 1927 ihre Gäste.
Die Zahl der Betten stieg bis 1911 auf 200 an und aus der einstigen Kurklinik wurde eine klinische Heilstätte. Fortan wurde intensiver behandelt und auch operiert. Es wurden Labore eingerichtet und Röntgenapparate angeschafft.

Lange war die Liegekur ein Heilmittel bei Tuberkulose. Hier etwa 1905.
Die Klinik und ihre Bedeutung wuchsen, insbesondere nach dem 2. Weltkrieg, als Deutschland von einer regelrechten TBC-Welle erfasst worden war.
Die Sophienheilstätte allein reichte nicht mehr aus. Das Gesundheitsministerium der DDR ließ unweit eine weitere Klinik bauen. Im Herbst 1957 wurde die Zentralklinik Bad Berka eingeweiht, zu der die Sophienheilstätte fortan gehörte.

So sah der Speisesaal der neuen Klinik in Bad Berka-München aus.
Wechselvolle Geschichte auch nach der Schließung
1994 wurde die Spezialklinik mitten im Wald geschlossen. Was begann, war eine Odyssee. Das denkmalgeschützte Haus wurde an eine Klinikgruppe verkauft, die vorhatte, eine Reha-Klinik dort zu errichten. Passiert ist nichts und das Haus wurde erneut verkauft. Eine andere Reha-Klinikgruppe meldete Interesse an. Gebaut wurde jedoch wieder nicht.
Abenteurer, Fotografen, Jugendliche und Spaziergänger entdeckten das Haus für sich. Sie brachen ein und feierten Partys, was nicht ungefährlich war.
2015 kam ein neuer Investor. Seine Idee, dort eine Seniorenresidenz zu erreichten, hat sich ebenfalls zerschlagen. Behördliche Auflagen, eine unübersichtliche Situation im Bausektor und eine Pandemie kamen dazwischen.
Die Sophienklinik stand weiter leer und verfiel zusehends. Die Einbrüche setzten sich fort und es gab Brandstiftungen. Die Klinik war zum Abenteuerspielplatz geworden.
Zwischen Vandalismus und dem Zahn der Zeit
Vor knapp zwei Jahren hat der Bad Berkaer Unternehmer und Investor Silvio Kayser einen neuen Anlauf genommen. "Wir haben unsere Handwerker ins Objekt geschickt und die haben erst einmal aufgeräumt. Es hat vier, fünf Wochen gedauert, bis all der Müll, Schutt, Flaschen und Holz eingesammelt waren und das Haus in einem angemessenen Zustand war", sagt Mitarbeiterin Goilina Kayser.

Vieles ist trotz des langen Leerstands dem völligen Verfall entgangen.
Lampen, Möbelstücke, selbst Heizkörper waren zu diesem Zeitpunkt schon längst herausgerissen. Eindringlinge hatten sich Jahre zuvor an allem bedient, was nicht niet- und nagelfest war.
Kayser hat das Dach reparieren und abdichten lassen, die Kapelle wurde behutsam saniert, jedoch ohne am Charme des "Lost Place" zu rütteln. "Wir haben den Boden ausgetauscht, damit man ihn sicher betreten kann. Das Haus ist nun ohne Weiteres begehbar. Ein Zaun schützt das Objekt inzwischen allerdings vor ungewollten Besuchern."
Großes Interesse bei ehemaligen Mitarbeitenden
Vor rund einem Jahr hat das Unternehmen Kayser zum Tag der offenen Tür geladen und das Interesse war von Anfang an groß. Vor allem ehemalige Patienten und Mitarbeiter der Klinik wollten sehen, was aus der Heilstätte geworden ist.
Sie kann Geschichten erzählen, wie keine andere. Schließlich hat sie jahrelang hier gearbeitet und weiß, was sich hier abgespielt hat. Silvio Kayser | Investor
Eine der einstigen Krankenschwestern bietet inzwischen regelmäßig Führungen an. "Sie kann Geschichten erzählen wie keine andere. Schließlich hat sie jahrelang hier gearbeitet und weiß, was sich hier abgespielt hat."

Die Gänge des ehemaligen Sanatoriums können jetzt nur noch offiziell erkundet werden.
Auch Fototouren werden angeboten. Fotografen nutzen teils tageweise das gesamte Objekt für Aufnahmen. "Besonders spannend wird es immer, wenn Ghost Hunter die Klinik anmieten. Sie sind auf der Suche nach Geistern. Viele übernachten dort und zeichnen mit ihren großen Geräten dann tatsächlich Stimmen auf. Vielleicht sind das wirklich Botschaften ehemaliger Patienten", sagt Goilina Kayser.
Potential des Hauses auf völlig unterschiedliche Weise nutzen
Das Haus hat einen gewissen Gruselfaktor und das nutzen die neuen Betreiber aus. Grusel- und Halloweenpartys hat es auch schon gegeben. Auch bei Produktionsfirmen hat sich das Objekt inzwischen einen Namen gemacht. "Wir sind schon mehrfach Drehort gewesen. Der 'Tatort' war hier und auch 'In aller Freundschaft' und etliche Musiker drehen hier Videos."

Alte Häuser mit einer solchen Geschichte inspirieren immer wieder Künstler aller Sparten.
In diesem Sommer wird die erste Hochzeit im "Lost Place" gefeiert und auch Klassen verirren sich gern dorthin. "Deshalb werden wir auch unser Außengelände erweitern. Wir wollen Tiny Houses aufstellen, damit Gruppen auch hier übernachten können. Auf dem Heizhaus wird eine Dachterrasse entstehen. Wir haben einige Pläne", so Kayser.
Noch sind die wenigen Zimmer im Obergeschoss spartanisch eingerichtet, ohne Heizung und nur selten gebucht. "Aber der Ausblick von dort oben ist einfach fantastisch", schwärmt Goilina Kayser. Rettungshundestaffeln haben das Objekt ebenfalls für sich entdeckt. Die Suche nach Vermissten lässt sich dort wunderbar trainieren.

Dass hier auch Halloween gefeiert wird, liegt eigentlich schon fast auf der Hand.
Auch die Zahl der Veranstaltungen nimmt weiter zu. Die Menschen suchen offenbar das Besondere. Diesen Kick kann die Sophienheilstätte durchaus bedienen. Wo sonst wird der Champagner schließlich in einer einstigen Intensivstation ausgeschenkt?
MDR (gh)