Menschen liegen auf großen Kissen und schauen auf eine Wand, an die "Luft - Wider mich" projiziert ist.

Thüringen Weimarer Ausstellung verbindet Goethes Werk mit Hollywood und Graphic Novel

Stand: 01.05.2025 03:00 Uhr

In Weimar ist das Themenjahr "Faust" offiziell eröffnet worden. Anlass für die Klassik Stiftung ist, dass Goethe 1775 in Weimar ankam, also vor genau 250 Jahren. Deswegen will man sein Hauptwerk, den "Faust", einem breiten Publikum neu vorstellen. Die zentrale Ausstellung dazu ist im Schiller-Museum zu sehen.

Von Stefan Petraschewsky, MDR Kulturdesk

Wie kommt Goethes "Faust" in Schillers Museum? Der Anbau am historischen Schillerhaus wurde in den 1980er-Jahren als Literaturmuseum neu erbaut. Die späte DDR-Architektur steht heute unter Denkmalschutz.

Das Gebäude hat eine passende Größe für Sonderausstellungen: nicht zu groß und nicht zu klein, ideal für Besuche von Schulgruppen oder Kulturtouristen. Beide sind hier in Weimar Zielgruppe.

Goethes "Faust" ist kein Schulstoff mehr

Seit Goethes "Faust" kein Schulstoff mehr ist und in der Konsequenz nicht mehr zur Allgemeinbildung zählt, stellt sich für die Klassik Stiftung Weimar, die dieses Erbe verwaltet, die Frage, wie sie den "Faust" einem jungen Publikum neu nahebringen kann.

Das hat die Klassik Stiftung versucht, indem sie mit der Ausstellung eine Art Wohnungsbesichtigung inszeniert. Hereinspaziert bei Familie Goethe-Faust: drei Zimmer, Küche, Flur.

Ausstellung, auf einer Wand in Wolkenform steht: "Denn bist du erst ein Mensch geworden, dann ist es völlig aus mit dir."

Die "Faust"-Ausstellung in Weimar zielt auch auf ein junges Publikum, das nicht mehr so viele Berührungspunkte mit dem Goethe-Klassiker hat.

Filme von Hollywoodschinken bis "Metropolis"

Die Menschen kommen zunächst die Treppe im Weimarer Schiller-Museum hoch, betreten diesen Flur und gucken auf drei große Bildschirme. Hier laufen, schnell geschnitten, Szenen aus verschiedenen Hollywoodschinken. Man sieht rauschende Partys, eiskalte Unternehmer, Frauen als Vamp; dazu Dystopie-Klassiker wie Fritz Langs "Metropolis" oder Terry Gilliams "Brazil".

Ausstellung, Menschen stehen vor einer Wand mit drei projizierten Filmen.

Film-Klassiker wie Fritz Langs "Metropolis" (hier rechts und links im Bild), ziehen ihre Bezüge auch aus dem klassischen Faust-Stoff Goethes.

In der langen Filmgeschichte sind alle Themen präsent, die im ersten und zweiten Teil des "Faust" schon verhandelt werden. Goethe wird in dieser Ausstellung als Prophet der Moderne eingeführt. Vergilbte Blümchentapete im Flur ist also Fehlanzeige.

Weimarer Ausstellung will in Handlung einführen

Vom Flur aus geht es links in die Küche. Dort sind die Zutaten aufgereiht, aus denen der "Faust" zusammengekocht ist. Zentral füllt ein Wimmelbild eine ganze Wand. Alle Orte, an denen der "Faust" spielt, sind auf einer Landkarte versammelt. Daneben findet man kleine Tafeln, die uns die Haupt- und Nebenfiguren vorstellen. In der Mitte ist ein Rundsofa aufgestellt. Da kann man sich den Plot vom "Faust" anhören.

Menschen sitzen und stehen in einer Ausstellung und schauen auf ein großes Wandbild.

Ein großes Wimmelbild in der Ausstellung zeigt alle Orte, die in Goethes "Faust" eine Rolle spielen.

Wolkenwelten und Zitate aus "Faust"

So angefüttert, geht es dann in die drei Zimmer. Das erste liegt gleich gegenüber der Küche. Das Publikum sieht viele rosa Wolken, kuhgroß, aus Sperrholzplatten zurechtgeschnitten. Genauer betrachtet sind es neun, auf denen "Faust"-Zitate notiert sind.

Man kann auch hinter die Wolken gehen. Dort sind Vitrinen mit Objekten aus Goethes eigener Sammlung aufgebaut, die das Thema der jeweiligen Wolke illustrieren: Schnitzereien, Mineralien, Wandteller – auch ein kleines Krokodil.

Es gibt zum Beispiel eine Wolke mit dem Satz: "Bin weder Fräulein, weder schön / Kann ungeleitet nach Hause gehn." Klar, hier geht es um Margarete, um Gretchen, wie sie auch genannt wird. Und hinten wird uns in der Ausstellung dann dieses Gretchen näher vorgestellt.

Menschen in einer Ausstellung vor aufgestellten Wolkenwänden, auf einer steht "Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehen."

Überall tauchen in der Ausstellung Wolken mit Sprüchen und Zitaten aus "Faust" auf.

Goethes große Themen

Da gibt es Videos, in denen Expertinnen und Experten das Thema ausleuchten. In diesem ersten Raum sind es die Themen: Margarete und Helena, also die beiden wichtigen Frauen im "Faust"; die Natur in ihrer Doppelexistenz als unbefleckter, paradiesischer Ort und dann als zerschundenes Abbaugebiet von Rohstoffen. Ein weiteres Thema ist Homunkulus, ein künstlicher Mensch, der im "Faust" erschaffen wird.

Menschen betrachten Exponate in einer Ausstellung, darunter ein großer bemalter Teller und ein Buch.

In Weimar kann man in die Geschichte der Helena eintauchen.

Im zweiten Raum geht es um das Thema Erlösung. Besser gesagt um das Ende dieser Welt, um zerstörte Utopien und Hoffnungen, um die finale Katastrophe. Hier spielt Faust eine Rolle. Er ist Unternehmer geworden und zum Autokraten mutiert: ein Faust, der Menschen abschiebt, um sein eigenes Ego zu befriedigen. Wieder gibt es Beispiele aus dem "Faust", Erklärungen und Videos. Hier sind es vier Wolken.

"Faust" als Comic-Erzählung

Parallel, in beiden Zimmern der Ausstellung neben den Wolken und teilweise auf ihren Rückseiten, wird der "Faust"-Stoff auch als Comic vom renommierten Illustrator Simon Schwartz erzählt. Er findet mit dezenten blaugrauen und orangebraunen Farbtönen eine eigene Ästhetik, die sich gegen die bunten Farben der Vitrinen und Videos abhebt.

Eine Ausstellungswand mit einer gezeichneten Geschichte im Comic-Stil.

Die Handlung wird in Weimar teilweise im Stil einer Graphic Novel gestaltet.

Comic oder Wolken – es ist eine Ansprache für mehrere Zielgruppen. Auch das scheint der "Faust"-Küche abgelauscht, wo im "Vorspiel auf dem Theater" der Dichter schon weiß: "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen / Und jeder geht zufrieden aus dem Haus."

Die Sprache des "Faust"

Zum Schluss der Weimarer Ausstellung geht es noch eine Treppe höher und wir sind praktisch über den Wolken angekommen, in höheren Sphären. Nun geht es um "Faust" als Sprachkunstwerk.

Rechts an der Wand kann man sich auf einer großen Magnettafel aus ganz speziellen "Faust"-Wörtern wie "Schneckeschnickeschnack" selber etwas zusammenreimen. Links erzählen die schon bekannten Expertinnen und Experten, welche ihre Lieblingsstellen im "Faust" sind.

Eine Frau hält in der Hand das gedruckte Wort "Papiergespenst".

Eine Wand voller Wörter, die sich neu zusammensetzen lassen, lädt in der Ausstellung zum eigenen Sprachspiel ein.

Goethes Dichterworte deklamieren

Mittendrin und dominant im Raum ist ein Haufen nachtblauer Sitzsäcke aufgereiht, auf die man sich setzen oder legen kann. Dann hört man aus Lautsprechern an der Decke kurze Sentenzen aus dem "Faust", die von Schauspielerinnen und Schauspielern des Deutschen Nationaltheaters in Weimar eingesprochen sind.

Ein Ausstellungsraum mit mehreren projizierten Menschen an einer Wand, davor stehen Besucher.

Natürlich gibt es den "Faust" in der Ausstellung auch zum Hören, dargeboten von Stimmen des Deutschen Nationaltheaters Weimar.

Die Dichterworte, die auf einen herabrieseln, sind mit leisen Akkorden untermalt. Das ist fast so schön wie in der Toskana-Therme in Bad Sulza: für die einen ein tolles, esoterisches Erlebnis – für die anderen eher kitschig und plump, auch weil die Texte manchmal sehr schwülstig interpretiert sind.

Alter, weißer Erklärbär

Die "Faust"-Ausstellung im Schiller-Museum Weimar ist gut strukturiert. Man kann sie kurz durchschlendern; man kann sich vertiefen. Es gibt sogar QR-Codes an den Vitrinen, um an weitere Informationen zu kommen. Auch die parallele Comic-Ebene ist gelungen.

Sitzgruppe in der Mitte eines farbig beleuchteten Ausstellungsraumes

Wer möchte, kann sich in der Schau auch auf gemütlichen Riesenkissen entspannen und über den eigenen Bezug zum "Faust" sinnieren.

Bei den Experten in den Videos wird es problematisch: Wenn da ein Erklärbär alter Schule zu hören ist, erscheint das als unnötiges Mansplaining. Da sieht man im Video beispielsweise einen emeritierten Literaturprofessor mit verschränkten Armen sitzen, der sich sechs Minuten lang über die Figur der Helena auslässt.

Was schon von der Körperhaltung her total uncool ist, wird vom Vortrag noch getoppt, wenn der Professor zu Helena festhält: "Dort arbeitet die dichterische Fantasie Goethes an dem Unmöglichen, nämlich den Versuch zu wagen, eine durch und durch mythologische Figur zu der psychologisch motivierten und durchdrungenen Figur des modernen Dramas zu machen. Das ist eine poetische Tour de Force, der ich nur mit größter Bewunderung gegenübertreten kann."

Da ist er wieder: der alte, weiße Mann, der seinem Gegenstand in Bewunderung gegenübersteht und ihn quasi anbetet. Diese Ehrfurcht ist unzeitgemäß, gerade dann, wenn man den "Faust" einer jungen Generation nahebringen will. Stattdessen wird er hier auf einen Sockel gestellt – und uns damit entrückt.

Die Ausstellung

Faust – Eine Ausstellung
1. Mai 2025 bis 1. November 2027

Schiller-Museum

Schillerstraße 12
99423 Weimar

Öffnungszeiten:
Sommer: Dienstag bis Sonntag, 09:30 bis 18 Uhr
Winter: Dienstag bis Sonntag, 09:30 bis 16 Uhr
Montags geschlossen

Redaktionelle Bearbeitung: op, tsa