Hamburger SV, Europapokalsieger der Landesmeister 1983

Schleswig-Holstein Von Norderstedt nach Athen - Die große Ära des HSV

Stand: 15.06.2025 05:00 Uhr

Die Paul-Hauenschild-Anlage in Norderstedt ist heute eine Anlage für den Breitensport des HSV. Doch jahrelang haben dort auch die Profis trainiert. Für Bernd Wehmeyer ist sie sogar die "Keimzelle der großen Erfolge des HSV".

Die Erinnerungen an damals sind sofort wieder da. Direkt nach dem Eingang aufs Gelände. "Da ging es rein zu den Kabinen. Der Hermann-Rieger-Weg", sagt der frühere HSV-Profi Bernd Wehmeyer und zeigt den Weg hinunter. Hermann Rieger wurde als Masseur zur Kultfigur bei den HSV-Fans. Vor dem Stadion steht seine Statue. Hier in Norderstedt, auf dem früheren Trainingsgelände der Profis, ist ein Weg nach ihm benannt.

Wer ist eigentlich Paul?

Bernd Wehmeyer, als Spieler deutscher Meister und Europapokalsieger mit dem HSV, trifft sich hier mit Dieter Matz, der als langjähriger Reporter für das Hamburger Abendblatt den HSV begleitet hat. Beide wissen: Hier wurde der Grundstein gelegt - für die erfolgreichste Epoche der Vereinsgeschichte.

Ein älterer Mann schaut in die Kamera.

Nach ihm ist die Anlage in Norderstedt benannt: HSV-Präsident Paul Hauenschild.

Benannt ist die Sportanlage nach dem Mann, der sie vor fast 100 Jahren möglich gemacht hat: HSV-Präsident Paul Hauenschild. Er kauft das 130.000 Quadratmeter große Gelände 1928, einen alten Bauernhof, lässt dort Sportplätze errichten.

Hauenschilds Millionenerbe ermöglicht professionellen Ausbau

Erstmal für den Breitensport. Die Profis ziehen erst nach Norderstedt, als der HSV dort neue Kabinen baut. Finanziert wird das aus den Millionen, die der 1962 verstorbenen Hauenschild seinem Verein vermacht hatte.

Schon seit 1959 wohnt Uwe Seeler mit seiner Familie direkt nebenan. Hauenschild hatte ihm ein Grundstück zum Freundschaftspreis überlassen. Damit "Uns Uwe" nicht zu Inter Mailand wechselt. Mit Erfolg: Seeler bleibt - und wird zur Vereinslegende. Aber die großen Jahre des HSV kommen noch.

Mit Klötzer zu den ersten Pokalen seit 1960

Und sie fangen an unter Trainer Kuno Klötzer. "Der hat hier angefangen zu trainieren", erzählt Dieter Matz. Kein Wunder, Klötzer selbst war Norderstedter. Mit einem Augenzwinkern sagt der frühere HSV-Reporter: "Ich glaube, der hat das zur Bedingung gemacht, als er unterschrieb, dass er hier trainieren kann, um ein bisschen länger schlafen zu können." Denn vorher trainierten die Profis am Rothenbaum, doch in Norderstedt haben sie schon damals die besten Trainingsbedingungen - und holen mit Klötzer 1976 den DFB-Pokal und ein Jahr später den Europapokal der Pokalsieger.

Ein älterer Mann lächelt in die Kamera.

Der erste Trainer, der in Norderstedt mit den Jungs trainiert, ist Kuno Klötzer.

"Wir haben vorher auf ner Radrennbahn trainiert"

Bernd Wehmeyer wechselt ein Jahr später, 1978, zum HSV - und staunt über die Trainingsmöglichkeiten in Norderstedt: "Da hast du gedacht, boah, das kannte man so ja nicht. Ich kam von Hannover 96, da waren die Trainingsbedingungen auch schon ordentlich. Aber vorher war ich bei Arminia Bielefeld, da haben wir in einer Radrennbahn trainiert. Unser Trainingsplatz hatte nicht mal die Maße eines Fußballplatzes."

Hartes Training unter Branko Zebec

Wehmeyers erster Trainer beim HSV heißt Branko Zebec. Ein harter Hund. Archivaufnahmen zeigen, wie Zebec im Trainings Felix Magath auffordert, es müsse mehr zur Sache gehen. Magath selbst wurde während seiner Trainerkarriere später "Quälix" genannt. So hart wie unter Zebec hat er selbst als aktiver Profi wohl nicht noch einmal trainiert. Bernd Wehmeyer erinnert sich: "Unter Branko war es wirklich so, da hast du die Woche trainiert und da hast du dich wirklich aufs Spiel gefreut, weil du gedacht hast, Gott sei dank kein Training."

Auch Matz hat die Zeit damals miterlebt: "Ganz hinten der Platz ist ja relativ neu. Da stand doch früher eine Eiche. Da musstet ihr immer rumlaufen. Und er saß im Gras und legte seine Stöcker dahin, wie viele Runden ihr schon gemacht habt." "Immer wenn eine Runde vorbei war", ergänzt Wehmeyer, "hat er ein Stöckchen weggelegt und dann haben wir gedacht, jetzt hat er ja nicht mehr viel in der Hand. Aber als die Hand leer war, hat er sie alle wieder aufgesammelt und es ging weiter."

Ein Mann in einem schwarzen Trainingsanzug steht auf dem Rasen. Es ist Branko Zebec.

Für hartes Training war er bei den Spielern bekannt und gefürchtet: Branko Zebec.

Wer wird deutscher Meister? H-H-H-HSV

Neben dem harten Training kontrollierte Zebec unter anderem auch telefonisch, ob die Profis die von ihm verordnete Bettruhe einhielten. Doch der Erfolg gibt dem Trainer recht. 1979 sitzen Branko Zebec und Bernd Wehmeyer beim Meisterkorso in einem Auto. Doch schon Ende 1980 musste Zebec gehen, wegen "wiederholter Trunkenheit im Dienst".  

Zu dieser Zeit werden die großen Stars beim HSV popkulturelle Phänomene - so wie der englische Superstar Kevin Keegan, der mit dem Song "Head over heels" bis auf Platz zwei der deutschen Charts stürmt. Auch Franz Beckenbauer schnürt in der Zeit zwei Jahre lang seine Schuhe für den HSV - und in Norderstedt.

Mit Happel auf Europas Thron

1981 verpflichten die Hamburger Ernst Happel - einen Taktik-Revolutionär. Für Bernd Wehmeyer einer der ganz Großen: "Das war wirklich der Pep Guardiola, der Jürgen Klopp seiner Zeit. Das war einer der größten Trainer, nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt. Und das war vom ersten Tag an zu spüren." Mit ihm, dem österreichischen Grantler, beginnt die erfolgreichste Ära der Vereinsgeschichte.

"Kling, Glöckchen, klingelingeling"

1983 singt Horst Hrubesch auf dem Hamburger Rathausbalkon "Kling, Glöckchen, klingelingeling", die Meisterschale in der Hand. Schon 1982 hatten sie mit Happel die Meisterschaft gewonnen. Ein paar Wochen später dann das Finale im Europapokal der Landesmeister, dem Vorläufer der heutigen Champions League. Der HSV spielt gegen Juventus Turin, eine Mannschaft gespickt mit Weltstars rund um Europas Fußballer des Jahres, Michel Platini.

Ein Mann mit blonden Haaren singt in ein Mikrofon. Es ist Horst Hrubesch.

1983 gewinnt der HSV zum zweiten Mal in Folge die Meisterschaft. Zur Freude der Fans singt Horst Hrubesch auf dem Rathausbalkon.

Das Tor von Felix Magath entscheidet das Spiel, der HSV ist auf Europas Thron. Und 1983 auf einer Stufe mit Real Madrid, Liverpool, Ajax Amsterdam oder dem FC Bayern. "Das muss man wirklich so sagen", erklärt Dieter Matz, "dass der HSV auf Augenhöhe mit denen gespielt hat. Gerade die 83er Mannschaft. Da war ein Horst Hrubesch, der überall hätte spielen können. Felix Magath ganz genauso. Uli Stein war ein toller Torwart. Also die waren schon auf Augenhöhe."

In Norderstedt hat alles angefangen

Erfolge, die mit weniger professionellen Trainingsmöglichkeiten als in Norderstedt vielleicht nicht möglich gewesen wären. Für Bernd Wehmeyer ist die Paul-Hauenschild-Anlage die "Keimzelle" der großen Erfolge des HSV. "Denn hier hat ein Uwe Seeler trainiert, hier haben Felix Magath, Manni Kaltz, Horst Hrubesch, Kevin Keegan alle trainiert, ich auch. Also eigentlich war das unsere Heimat hier.

Mehrere Sportplätze auf einer Anlage in Norderstedt.

Heute soll die Anlage in Norderstedt für den Jugend- und Breitensport genutzt werden.

Seit 2004 trainieren die Profis nicht mehr in Norderstedt, sondern direkt am Volksparkstadion. Aber mit der Paul-Hauenschild-Anlage bleibt ein Stück HSV in Schleswig-Holstein. Der Verein hat angekündigt, hier in Zukunft weiter zu investieren - in sein Zentrum für Jugend- und Breitensport.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 15.06.2025 | 19:30 Uhr