
Schleswig-Holstein Nach "schwieriger Saison": THW Kiel steht vor großen Aufgaben
Für Handball-Rekordmeister THW Kiel ist die Saison mit einem Titelgewinn zu Ende gegangen. Das Verpassen der Champions League wiegt aber schwer. Mindereinnahmen im größeren sechsstelligen Bereich sind die Folge. Wie gut war also die Saison der "Zebras"?
Festzuhalten ist schon einmal: Der Briefkopf des THW Kiel hat sich durch diese Saison verändert. Unter dem Eintrag "DHB-Pokalsieger" findet sich nun auch die Jahreszahl 2025. Mitte April gewann die Mannschaft von Trainer Filip Jicha beim Final Four in Köln das Endspiel gegen die MT Melsungen - es war der 13. Triumph der Vereinsgeschichte in diesem Wettbewerb.
Welche Note wäre für die THW-Saison angemessen?
Mehr kam jedoch nicht an Trophäen hinzu, und deswegen stellen sich angesichts der Ansprüche des deutschen Rekordmeisters Fragen: War das jetzt eine gute Saison, eine eher magere oder eine irgendwo dazwischen? Welche Note würde passen? Eine 2? Womöglich gar eine 4? Oder besser eine 3? Und sind Zwischenschritte mit plus und minus notwendig?
"Es ist nicht so einfach, das jetzt auf eine Schulnote zu begrenzen", sagte THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi im Interview mit dem NDR.
European League ging "enttäuschend zu Ende"
Der 46 Jahre alte Österreicher bittet um eine vielschichtige Betrachtung, unter Berücksichtung gewisser Umstände. "Es sind ja drei Wettbewerbe, und der Pokalsieg war sicherlich die Krönung - auch aufgrund unseres anspruchsvollen Weges in der Auslosung." So erfreulich sich der nationale Pokalwettbewerb mit Siegen unter anderem beim HSV Hamburg und gegen den SC Magdeburg gestaltete, so unbefriedigend verlief es insgesamt in der European League.
"Es ist - das muss man ganz ehrlich sagen - ein sehr unbeliebter Wettbewerb, der uns in die kleinsten Metropolen Europas gebracht hat", so Szilagyi. Das Highlight war "auf jeden Fall das Final Four, das für uns dann aber auch ein bisschen enttäuschend zu Ende ging. Wir hätten da sehr gerne das Finale gespielt, noch dazu gegen die SG Flensburg-Handewitt, aber es sollte nicht sein."
In der Bundesliga reichte es für den 23-maligen deutschen Meister lediglich zum vierten Platz. Die Chancen auf den Gewinn der Schale und auch die Qualifikation für die Champions League waren bereits im Frühjahr dahin. Schon der Start in die Saison mit 4:4 Punkten blieb hinter den Erwartungen zurück. Und letzten Endes wogen die jeweils zwei Niederlagen gegen den späteren Champion Füchse Berlin, Flensburg-Handewitt und die MT Melsungen zu schwer.
"Wir haben in der Liga unsere Zielsetzung nicht erreicht."
— THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi
Einen großen Anteil daran hatten nach Ansicht von Szilagyi die "vielen Widrigkeiten, mit denen wir da zu kämpfen hatten, insbesondere die vielen verletzten Leistungsträger". Wenn man das mit einbeziehe, "war die Mannschaft nah dran, das Potenzial ausgeschöpft zu haben".
Nah dran - mehr aber auch nicht. Die Zeiten, in denen die "Zebras" die Trophäen abräumten, sind vorbei. In der Bundesliga ist die Anzahl der Titelkandidaten erheblich gestiegen - das hat zweifellos auch damit zu tun, dass Kiel längst nicht mehr in einer anderen Flughöhe unterwegs ist. Szilagyi sieht für den THW, der zuletzt 2023 deutscher Meister wurde, seit der Saison 2023/2024 (ebenfalls Platz vier) einen Rückstand auf die anderen Topteams.
Szilagyi: "Rückstand noch mehr verkleinern"
"Wir haben jetzt zwei schwierige Saisons hinter uns, haben aber auch den Abstand zu den Mannschaften, die vor uns stehen, verringern können. Und das ist genau das Ziel für die kommende Zeit - dass wir diesen Unterschied noch mehr verkleinern und den einen oder anderen überholen", sagte Szilagyi. Vor einem Jahr waren es 15 Punkte Rückstand auf den damaligen Meister SC Magdeburg und neun auf den Zweiten Berlin, jetzt sind es sieben Zähler Rückstand auf die Füchse und sechs auf Vizemeister Magdeburg.
Die große Herausforderung für die Kieler besteht darin, aus dem sportlichen Dasein in der European League heraus näher an die Konkurrenten heranzukommen. Die verpasste Champions-League-Qualifikation hat erhebliche Mindereinnahmen für den THW zur Folge, die wiederum Aktivitäten auf dem Transfermarkt erschweren oder punktuell gar unmöglich machen.
Verpasste CL-Qualifikation hat große finanzielle Folgen
"Wir werden wirtschaftlich ein sehr herausforderndes Jahr vor uns haben", sagte Szilagyi. "In welcher Größenordnung das letztlich ist, das muss man dann schauen. Das liegt auch am Losglück im Pokal, ob wir attraktive Heimgegner bekommen. Und auch daran, welche European-League-Gruppe wir erwischen. All diese Punkte spielen da natürlich noch mit hinein, aber trotzdem ist das im Vergleich zur Champions League ein Unterschied im größeren sechsstelligen Bereich."
Kein Geld für weiteren Torhüter vorhanden
Genau dies führt auch dazu, dass der THW auf der Torhüter-Position höchstwahrscheinlich nicht mehr tätig werden wird. Der spanische Nationaltorwart Gonzalo Perez de Vargas hat sich Mitte Februar in einem Ligaspiel mit dem FC Barcelona einen Kreuzbandriss zugezogen - es wird also noch mehrere Wochen dauern bis zu seinem ersten Einsatz für die "Zebras".
Szilagyi geht diesbezüglich - recht optimistisch - von Oktober oder November aus. "Aber die interessante Phase der Reha kommt erst noch, in der es sich um Wochen nach vorne oder nach hinten verschieben können", räumte der ehemalige Bundesliga-Profi ein. Erst im August lasse sich das besser einschätzen. "Ich hoffe aber, dass wir im Zeitplan bleiben und ihn spätestens im November im Torwarttrikot in der Halle sehen", so Szilagyi.
THW setzt auf Torwart-Duo Wolff/Nowottny
Der THW baut bis dahin auf auf das Duo Andreas Wolff und Nachwuchskeeper Leon Nowottny. "Wir werden das Risiko eingehen müssen. Durch die Teilnahme an der Champions League hätten wir andere wirtschaftliche Möglichkeiten gehabt, dann hätten wir uns auch noch mal mit dem Transfermarkt mehr beschäftigt", sagte Szilagyi.
Er setzt bei diesem Kalkül auch darauf, dass die erste Gruppenphase der European League nicht so anspruchsvoll ist. "Ich hoffe, dass 'Andi' das mit Leon zusammen, der ja auch Junioren-Nationaltorwart ist, gut hinkriegt", sagte der THW-Geschäftsführer. Fest steht aber auch: Wolff darf sich in den ersten Monaten auf keinen Fall schwer verletzen.
Nach Pekeler-Verletzung: Hilft Wiencek aus?
Die wirtschaftlichen Zwänge werden wohl auch dazu führen, dass nach der schweren Verletzung von Abwehrchef Hendrik Pekeler (Achillessehnenriss, wahrscheinlich sechs bis acht Monate Zwangspause) kein weiterer Kreisläufer verpflichtet wird. Naheliegend wäre hier, dass Patrick Wiencek doch noch einige Monate dranhängt und erst Ende des Jahres auf die Geschäftsstelle wechselt.
Will der THW in der kommenden Saison, die am 23. August mit dem Supercup in München gegen Berlin beginnt, wieder im Kampf um die Meisterschaft mitmischen, ist lauf Szilagyi vor allem eines wichtig: "Wir müssen mal ein Jahr haben, in dem wir personell aus dem Vollen schöpfen können. Diese Breite werden wir brauchen, um Leistungsschwankungen besser zu kompensieren und mehr Punkte zu holen." Damit in einem Jahr bestmöglich wieder der Briefkopf aktualisiert werden darf.
Dieses Thema im Programm:
Schleswig-Holstein Magazin | 08.06.2025 | 19:30 Uhr