
Schleswig-Holstein Lamm-Majestäten: Verstaubtes Frauenbild oder cleveres Marketing?
Die beiden Lamm-Majestäten in Nordfriesland standen vor dem Aus - bis jetzt. NDR Autorin Isabel Hofmann stellt heraus, warum Königin und Prinzessin unbedingt weiter machen sollten.
Der Verein Nordfriesische Lammtage ist seit Ende vergangenen Jahres Geschichte - doch für Melina Friedrichsen und Emma Ingwersen ist Schluss machen keine Option. Die ehemalige Lamm-Königin und ihre Prinzessin wollen den Deichschafen weiterhin eine Stimme geben. Sie setzen ihr Engagement nun im offiziellen Rahmen als landwirtschaftliche Botschafterinnen fort.
Zukünftig werden die beiden Majestäten an den Landesverband Schleswig-Holsteinischer Schaf- und Ziegenzüchter angegliedert und erhalten weiterhin die bereitgestellten Haushaltsmittel des Kreises Nordfriesland für Veranstaltungen, Aktivitäten und Reisen.
Seit seiner Gründung im Jahr 2003 setzte sich der ursprüngliche Trägerverein für die Förderung des Kreises, der Schäfer und Schäfereien an der Westküste sowie regionaler Lamm- und Schafprodukte ein. Letztlich führten mehrere Gründe zur Auflösung des Vereins.
Lamm-Majestäten Nordfrieslands: Zwischen Tradition und Moderne
Als Ziel hatte sich der Verein unter anderem die Steigerung der Bekanntheit und Imagepflege gesetzt. Dazu gehörte auch eine moderne und humorvolle Marketingkampagne, die mit Wortwitzen wie "Bock auf mäh" oder statt Nordfriesland eben mit "Nordfrieslamm" wirbt. Seit 28 Jahren zählen auch die beiden Lamm-Majestäten zum Aushängeschild der Region. Sie werben "aus dem echten Leben" für Nordfriesland und das Salzwiesen-Lamm umgeben von Schafen. Doch wie zeitgemäß sind Lamm-Königin und Lamm-Prinzessin eigentlich noch?
Tradition oder Marketing?
Man könnte nun Debatten über längst überholte Frauenbilder, Klischees und Traditionen führen. So ist der Kohlschnitt ohne Kohlregentin in Dithmarschen seit dem 16. Jahrhundert beispielsweise undenkbar. Andere Produkt-Majestäten stammen aber entgegen der ersten Betrachtung aus deutlich jüngeren Zeitaltern. Die Pellkartoffelkönigin aus Hohenlockstedt (Kreis Steinburg) gibt es seit 2003, die Krokusblütenmajestät Husum (Kreis Nordfriesland) seit 2001, die Probsteier Kornkönigin (Kreis Plön) seit 2000 und eben die Lamm-Majestäten seit gerade einmal drei Jahren. Diese Majestäten sind also nicht in jahrhundertealten Traditionen verwurzelt.
Modernes Ehrenamt: Lamm-Majestäten als Influencerinnen
Die Aufgabe der Produkt-Majestäten: ländlichen, regionalen Erzeugnissen ein Gesicht geben und ihre Region repräsentieren - auf Stadtfesten, überregionalen Veranstaltungen oder auch auf Social Media Kanälen. Sie engagieren sich ehrenamtlich aus Verbundenheit zu ihrer Heimat. Nun werden diese Ämter aber nicht von alt eingesessen Herrschaften bekleidet, sondern vielmehr von jungen Menschen, oftmals von jungen Frauen. Allerdings ist die Krone der Lamm-Königin oder des Lamm-Königs nicht an ein Geschlecht gebunden. Auch Männer dürfen sich dafür bewerben.
Sichtbarkeit für Frauen in der Landwirtschaft
Sind Königin und Prinzessin nun überholt oder vielmehr strategisch sinnvoll? Frauen sind in der Landwirtschaft immer noch unterrepräsentiert. Eine Gleichstellung der Geschlechter ist in landwirtschaftlichen Betrieben lange noch nicht erreicht.
Nur jeder neunte Agrarbetrieb wird von einer Frau geleitet. Dies zeigt eine Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Auftrag gegeben wurde. Majestäten verschaffen Frauen so eine Sichtbarkeit und können auch Vorbilder sein. Schließlich verfügen sie über absolutes Know-How in ihrem Fachgebiet und werben weit über die Regions- und Landesgrenzen hinaus für ihre Produkte.
Lamm-Königin besucht Landwirtschaftsschule
Die amtierende Lamm-Königin Melina Friedrichsen besucht aktuell die Landwirtschaftsschule in Bredstedt. Seit Sommer ist sie Lammkönigin und lebt auf einem Milchviehbetrieb in Horstedt. Die 23-Jährige sieht die Notwendigkeit über Schafe und somit auch den Küstenschutz in Nordfriesland aufzuklären. Seit Kindertagen hat sie einen engen Bezug zur Landwirtschaft und der Region.
Wie Social Media regionale Tradition stärkt
Wer könnte also nicht besseres Werbegesicht sein, als junge Frauen und Männer, die sich in die Verpflichtungen eines Ehrenamts begeben und zu starken Repräsentantinnen und Repräsentanten ihrer Region werden? Schließlich sind beim Bewerbungsverfahren zur Lamm-Majestät Social Media-Kenntnisse erwünscht - so werden die Produktköniginnen und -könige zu Influencern ihrer Region. Damit wird auch die jüngere Zielgruppe für Zucht und Erhalt des Lamms, für traditionelle Feierlichkeiten Nordfrieslands oder darüber hinaus für den Küstenschutz begeistert. Auch nachfolgende Generationen sind somit für Themen in ihrer Region sensibilisiert. Ein klares Investment in die Zukunft Nordfrieslands.
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Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 25.04.2025 | 19:30 Uhr