Vor einem Bauzaun steht ein Schild mit der Aufschrift "Naturerlebnisraum Posberg Süderlügum".

Schleswig-Holstein Artenvielfalt in SH soll wieder steigen: Das sind die Maßnahmen

Stand: 10.06.2025 19:17 Uhr

Die Artenvielfalt in Schleswig-Holstein ist zurückgegangen. Die Ergebnisse der letzten Biotopkartierung waren für viele Naturschützer erschreckend. Die Hälfte der Biotopflächen ging verloren.

Von Andreas Rackow

Besonders betroffen sind laut Umweltministerium in Kiel für die Biodiversität wichtige Flächen wie Grünland, Feuchtwiesen (zum Beispiel Sumpfdotterblumenwiesen - Rückgang hier um ca. 87 Prozent), Hochmoore, Heiden und Trockenrasen. Auch die Knicklänge in Schleswig-Holstein ist deutlich geschrumpft, von ehemals rund 80.000 Kilometer auf etwa 54.000 Kilometer. Die ökologisch wertvollen Säume fehlen inzwischen weitgehend. Hauptursachen für den Rückgang sind nach Angaben des Ministeriums Entwässerung, Nährstoffeinträge, Nutzungsintensivierung, fehlende Pflege sowie direkter Verlust durch Baumaßnahmen.

Das ist die Strategie für mehr Artenvielfalt

Das Land will mit dem Strategiepapier "Kurs Natur 2030" den Erhalt der biologischen Vielfalt sichern. Immerhin: Das Grundgesetz (Artikel 20a) und die Landesverfassung Schleswig-Holsteins (Artikel 11) definieren den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als staatliche und kommunale Aufgabe. Außerdem soll die Biokartierung noch im Juni fortgesetzt werden.

Für das laufende Jahr wurde die Kartierung von Flächen in den Kreisen Nordfriesland, Dithmarschen, Schleswig-Flensburg, Flensburg, Rendsburg-Eckernförde und Kiel ausgeschrieben. Der Schwerpunkt liegt laut Umweltministerium zunächst auf der Erfassung von Grünlandflächen.

Maßnahmen für den Artenschutz

Der Runde Tisch Naturschutz NF e.V. hat seit 2019 viereinhalb Vollzeitstellen, die vom Land finanziert werden, um den Erhalt der biologischen Vielfalt voranzutreiben. Der Verein hat seinen Sitz in Bredstedt (Kreis Nordfriesland).

Ute Schröder-Westerheyde ist die Geschäftsführerin und sie ist optimistisch, dass sich die Situation in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren verbessern wird. "Das Land fördert ganz gezielt Maßnahmen, die dem Artenschutz in Schleswig-Holstein zugutekommen," so ihre Zwischenbilanz. Ähnliche Projekte gibt es im ganzen Land. Hierfür stehen im Haushalt 2025 laut Umweltministerium 19,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Marit Scharrmann, Ute Schröder Westerheyde und Luise Hähnert vom Runden Tisch Naturschutz Nordfriesland e.V.

Marit Scharrmann, Ute Schröder- Westerheyde und Luise Hähnert vom Runden Tisch Naturschutz Nordfriesland e.V.

Naturerlebnisraum an der deutsch-dänischen Grenze

Ein Vorzeigeprojekt ist der Naturerlebnisraum Posberg in Süderlügum (Kreis Nordfriesland). "Hier wurde früher Kies abgebaut, später war es Weideland", sagt Ernst-Rudolf Mochner, Vorsitzender des Umwelt- und Wegeausschusses der Gemeinde. Gut ein Drittel der Fläche wird von einer Binnendüne eingenommen. Hier tummeln sich Ameisen, Käfer und Wildbienen. Trocken- und Magerrasen können sich entfalten, denn die Naturschützer sorgen dafür, dass sich dagegen zum Beispiel die Spätblühende Traubenkirsche nicht weiter ausbreitet.

"Die invasive Art aus Nordamerika schränkt den Lebensraum der heimischen Pflanzen ein", so Marit Scharrmann vom Runden Tisch. 15.000 Euro vom Land und 5.000 Euro von der Gemeinde flossen hier kürzlich in eine "Bekämpfungsmaßnahme". Im Klartext: Pflanzen und Wurzeln der Traubenkirsche wurden teilweise in Handarbeit "gezupft". Auch heute müssen noch einzelne Triebe der Traubenkirsche entfernt werden.

Ein kleiner Berg im Naturerlebnisraum Posberg in Süderlügum.

Der Posberg in Süderlügum ist ein beliebter Nauturerlebnisraum.

Naturwiese als Insekten-Paradies

Ein weiteres Beispiel ist eine Naturwiese in Langenhorn (Kreis Nordfriesland). Landwirt Björn Feddersen hat eine "Kräutermischung" auf seiner 1,2 Hektar großen Fläche ausgesät. Gemäht wird hier erst Ende Juni. Das heißt Käfer, Bienen und andere fliegende Insekten finden hier über Wochen eine reichlich "gedeckte" Wiese mit viel Futter. Die Natur blüht auf und die Kühe des Landwirts bekommen gesundes Futter. "Auch wenn die Kräuter nicht ganz so viel Energie wie herkömmliches Gras enthalten", so Feddersen. Auch er wird vom Runden Tisch unterstützt.

Kühe und Kaulquappen teilen sich eine Wiese

In Bohmstedt (Kreis Nordfriesland) haben die Naturschützer vom Runden Tisch einen Teich auf einer Wiese angelegt. Natürlich mit Erlaubnis des Landwirts. Die Kühe erfrischen sich hier und genießen die Abwechslung. Im Teich tummeln sich Kaulquappen. "Es ist einfach ein Paradies für Amphibien", freut sich Luise Hähnert vom Runden Tisch Naturschutz Nordfriesland e.V. Das Konzept setzt auf Freiwilligkeit bei den Landwirten. "Wir setzten die Projekte dann gemeinsam um", so Hähnert weiter.

Kaulquappen in einem matschigen Wasser.

In Bohmstedt tummeln sich Kaulquappen in einem extra angelegten Teich.

BUND fordert mehr Naturschutz

Der BUND Schleswig-Holstein sieht die kleinen Maßnahmen durchaus positiv, aber weist andererseits auf die großen Probleme hin. Der Rückgang der Biodiversität sei ein globales Problem. Die Maßnahmen zum Beispiel in Nordfriesland würden zwar in die richtige Richtung gehen, aber allein reiche das nicht, so Bini Schlamann, die beim BUND SH für Biodiversität zuständig ist. "Die Daten sind verheerend - 80 Prozent der Lebensraumtypen in Schleswig-Holstein sind gefährdet oder bereits verschwunden", stellt Schlamann fest. Die Biodiversitätskrise - so ihr Fazit - sei noch überhaupt nicht in den Köpfen der Menschen angekommen.

Dieses Thema im Programm:
Schleswig-Holstein Magazin | 11.06.2025 | 19:30 Uhr