
Sachsen Nichts für Abnehmwillige: Ausstellung erzählt Geschichte süßer Speisen
Das Deutsche Archiv der Kulinarik in Dresden ist die größte öffentlich zugängliche Sammlung von Kochbüchern sowie Menü- und Speisekarten im deutschsprachigen Raum. In seiner ersten großen Ausstellung präsentiert es nun eine Kulturgeschichte der Konditorei und der Desserts. Sie blickt auf die Anfänge, als Zucker noch ein teures Luxusgut war, bis hin zur süßen Kunstform der Neuzeit.
- Die Ausstellung "Die süße Kunst" vermittelt einen Einblick in die Kulturgeschichte der süßen Speisen.
- Anfangs stellten Apotheker Süßigkeiten her und Zucker war zehnmal so teuer wie Mehl.
- Süßes galt früher als gesund und verdauungsfördernd.
Das Deutsche Archiv der Kulinarik in Dresden präsentiert "Die süße Kunst – Eine Kulturgeschichte der Konditorei und der Desserts" seine erste große Ausstellung. Die Schau nimmt Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise durch die Jahrhunderte der süßen Kunst. Die Kulturgeschichte zentraler Zutaten wie Zucker oder Kakao wird dabei ebenso beleuchtet wie die ästhetische Entwicklung süßer Kreationen.

Postkarten, die die Schokoladenherstellung zeigen.
Der Duft von Karamell, eine kunstvoll verzierte Torte, eine zart schmelzende Praline – die Welt der süßen Verführungen spricht alle Sinne an. Doch Desserts und Konditoreikunst sind weit mehr als reiner Genuss, sie spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen, künstlerische Strömungen und wissenschaftliche Erkenntnisse wider.
So sieht es das vor fast drei Jahren in Dresden gegründete Deutsche Archiv der Kulinarik, eine Institution der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) sowie der Technischen Universität Dresden. Mit seiner öffentlich zugänglichen Sammlung von Kochbüchern, Menü- und Speisekarten ist das Archiv das größte seiner Art im deutschsprachigen Raum.
Ein opulenter Blick in die Dessertwelt des 19. Jahrhunderts
In der Schau ist unter anderem ein hochherrschaftlicher Salon um 1830 zu sehen. Die Festtafel ist eingedeckt für den Nachtisch: Dessertteller mit Blumendekor, kristallene Dessertweingläser, in der Mitte ein schmückender Tafelaufsatz aus Zucker und Tragant. Schalen mit Früchten, Bonbons, Konfekt. Kurator Dr. Janosch Förster beschreibt: "Wir sehen Fruchtgelees, kandierte Früchte, kandierte Orangen, kleine Gebäckstücke, Bonbons in historischen Folien und Eis in Form von Rosenblüten – das musste relativ schnell verspeist werden."

So oppulent tischte man im 19. Jahrhundert auf – zumindest in herrschaftlichen Kreisen.
Die historisch inszenierte Desserttafel ist ein besonders opulenter Augenschmaus der Ausstellung. Förster und der Historiker Josef Matzerath vom Deutschen Archiv der Kulinarik verantworten diese Schau des weithin einmaligen wissenschaftlichen Archivs. Matzerath hebt die Kulinarik auf die Höhe anderer Kunstgattungen mit seiner Beschreibung: "Wir wollen die ästhetische Entwicklung zeigen. Denn die spiegelt wie Malerei, Mode, Architektur oder Musik die jeweilige Zeit wider."
Die ästhetische Entwicklung spiegelt die jeweilige Zeit wider. Kurator Josef Matzerath, Deutsches Archiv der Kulinarik |
Apotheker stellten Süßigkeiten her
Das Dessert, also der Nachtisch mit den süßen Dingen, wandelt sich über die Jahrhunderte und lässt erst nach und nach das heute so komplexe und hoch angesehene Konditorhandwerk entstehen. Vorläufer sind Pfeffer- oder Lebküchler, Zuckerbäcker, Pastetenmacher – und auch Apotheker. Kochkunst-Forscher Förster beschreibt deren Funktion: "Der Apotheker macht das, was dann die Konditoren übernehmen – sie konservieren die Aromen des Sommers, der sommerlichen Früchte. Das gelingt ihnen mit Zucker. Sie stellen zum Beispiel Dragees, also Bonbons her."

Dieses Buch widmet sich dem Kakao, einer heute alltäglichen Speise, die einst herrschaftliches Luxusgut war.
Rohrzucker prägt die Dessertgeschichte
Zucker gehört zu den zentralen Zutaten der Desserthistorie. Das Zuckerrohr stammt ursprünglich aus Asien. Später lässt es Kolumbus in der Karibik kultivieren, wo es in den neuen Kolonien prächtig gedeiht. Zucker ist lange so wertvoll wie Gold. "Im späten Mittelalter ist ein Sack Zucker so wertvoll wie zehn Sack Weizen", sagt Kurator Matzerath. "Und schon Weizen war für die meisten unerschwinglich." Erst viel später sorgt die Herstellung von Zucker aus Rüben für einen starken Preisrückgang.
Im späten Mittelalter ist ein Sack Zucker so wertvoll wie zehn Sack Weizen. Josef Matzerath, Deutsches Archiv der Kulinarik |
Zum Zucker kommen Kakao und Gewürze wie Vanille, die das Dessert, den Nachgang immer mehr vervollkommnen. Süßes Speiseeis kann schon zu Zeiten Augusts des Starken selbst im Hochsommer hergestellt werden. Man schnitt im Winter Eisblöcke aus den Teichen, lagerte sie in Kellern ein. Und im Sommer zerhackte man das Eis, mischte es mit Salz und gab das in einen Behälter. In einer separaten Metallschüssel, die in dem Eiswasser gedreht wurde, rührte man Milch und Sahne und Vanille so lange, bis es richtig kalt und zu Eis geworden war.
Ananas als Symbol des kulinarischen Luxus
Im Barock und erst recht im frühen 19. Jahrhundert bestimmen oft Meister aus Frankreich, was für den Gaumen des Adels das Beste sei. Historiker Matzerath verweist auf ein Schaubild in der Ausstellung, auf dem ein aufgebautes Buffet des ersten großen französischen Starkochs, der für Napoleon oder für den Zaren oder für die Rothschilds kochte, zu sehen ist. Matzerath hebt die Ananas hervor, "zu dieser Zeit die tollste Frucht, der Gipfel der Genüsse. Denn Ananas reifen nicht nach, wer sie hierzulande ziehen will, muss im Winter heizen." Beispielsweise besaß Fürst Pückler in Bad Muskau einen solchen luxuriösen Ananaspavillon.

Die Ananas in den Gewächshäusern des einst fürstlichen Küchengartens geht auf Pückler zurück. Der Fürst liebte Ananas-Marmelade.
Süßes galt als gesund und verdauungsfördernd
Warum nun Süßes ans Ende eines mehrgängigen Menüs gehört, ist für Kulinarik-Forscher Matzerath eine historisch noch nicht gänzlich zu klärende Tradition. Man könne nur spekulieren, sagt der 68-jährige Wissenschaftler. In der zeitgenössischen Literatur hätten Früchte und Süßes als verdauungsfördernd gegolten, "weil man sich den Verdauungsprozess als Verbrennungsprozess vorstellte."

Das Deutsche Archiv der Kulinarik gehört zur Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek und widmet sich der Erforschung von Speisen, Getränken und Genussmitteln.
Medizinisch mag da inzwischen viel widerlegt sein. Die Kunst des Desserts beinhaltet aber immer noch viele überlieferte alte Rezepte, etwa für Marzipankonfekt, Brombeer-Törtchen oder Kakao, der ab dem 17. Jahrhundert an den Höfen als eher herzhaftes Getränk Furore machte. Süße Schokolade für Pralinen oder als Tafel kennt die Genusswelt erst ab Ende des 19. Jahrhunderts. Dresden gehört dabei über Jahrzehnte zu den wichtigsten Herstellerorten in Deutschland.
Auch neueste Kulinarik-Trends in Dresdner Schau
Jetzt im Trend ist die Molekularküche, was die neue Dresdner Schau zur Desserthistorie auch dokumentiert. Kurator Janosch Förster zeigt Bilder und Rezepte, in denen Nachspeisen plötzlich aussehen wie ein Stück Waldboden, unter Verarbeitung von hochwertiger Schokolade. "Oder es wird mit flüssigem Stickstoff gearbeitet", so der Genuss-Forscher, "weil man da aufgrund des extremen Kältemittels bislang Unbekanntes herstellen kann – zum Beispiel einen Olivenöl-Lolli."
Ob nun Himbeereis zum Nachtisch oder neuerdings Olivenöl-Lollis: Die Ausstellung des Deutschen Archivs der Kulinarik schlemmt sich kenntnisreich und fundiert durch die Evolution des meisterlichen Finales eines mehrgängigen Menüs. Auf Postkarten liegen dann noch berühmte sächsische Dessertrezepte bereit – zum Mitnehmen und Nachmachen.
Die Ausstellung
Die süße Kunst – Eine Kulturgeschichte der Konditorei und der Desserts
Ausstellung des Deutschen Archivs der Kulinarik, Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek
13. Juni 2025 bis 17. Januar 2026
Buchmuseum der SLUB Dresden
Zellescher Weg 18, 01069 Dresden
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr
Samstag von 14 bis 18 Uhr
Eintritt frei
Quelle: MDR KULTUR (Mario Süßenguth), Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek
Redaktionelle Bearbeitung: op