Eine Hebamme misst mit einem Maßband den Symphysen-Fundus-Abstand bei einer schwangeren Frau, die Länge zwischen Schambein und dem höchsten Punkt der Gebärmutter

Saarland Saar-Hebammen laufen Sturm gegen neue Vergütung

Stand: 27.04.2025 11:23 Uhr

Die Vergütung von Hebammen war über viele Jahre ein Streitthema. Anfang April hat die Schiedsstelle von GKV und Berufsverbänden nun einen neuen Hebammenhilfevertrag festgelegt. Dabei werden aber die Dienst-Beleghebammen stark benachteiligt. Der Hebammenverband und auch die Leiterin des Saarbrücker HTW-Studiengangs fordern eine Kurskorrektur.

Axel Wagner

Die neue Vergütung von Hebammen, die ab November gelten soll, sorgt bundesweit für Aufruhr. Denn viele Hebammen laufen Sturm gegen den Hebammenhilfevertrag, auf den sich die Schiedsstelle des GKV-Spitzenverbandes und der Hebammen-Berufsverbände festgelegt haben.

Verband sieht Rückschritt

Auch der Saarländische Hebammenverband weist das Ergebnis des Schiedsverfahrens scharf zurück. „Der am 2. April 2025 gefällte Schiedsspruch stellt aus unserer Sicht insbesondere für Dienst-Beleghebammen einen Rückschritt dar“, sagte die Landesvorsitzende Aline Okantah dem SR.

Dienst-Beleghebammen, auch einfach Beleghebammen genannt, sind selbstständige Hebammen, die sich selbst organisieren und in Eigenregie in Kreißsälen arbeiten. Das ist zum Beispiel in Saarbrücken auf dem Winterberg und in der Caritasklinik auf dem Rastpfuhl gängige Praxis.

Dort kann eine Dienst-Beleghebamme parallel mehrere Schwangere betreuen. Sie kann bei Bedarf Kolleginnen hinzurufen und Zusatzleistungen abrechnen. Das rechnet sich bislang, weil die Parallelbetreuung besser bezahlt wird.

Okantah: „Massive Entwertung der Arbeit“

Nach dem neuen Vertrag, der ab November in Kraft treten soll, erhalten Beleghebammen nur noch 80 Prozent des geplanten Stundenlohns. Für die Betreuung einer zweiten oder dritten Schwangeren sollen sogar nur 30 Prozent des schon gekürzten Stundenlohns gezahlt werden. Nacht- und Wochenendzuschläge sollen von 20 Prozent auf 17 Prozent gekürzt werden. Manche Hebammen rechnen mit Einnahmeverlusten von bis zu 30 Prozent.

„Diese Regelung bedeutet eine massive Entwertung der Arbeit von Dienst-Beleghebammen“, so Okantah. Sie verkenne die Realität in den Kliniken. „Hier leisten Hebammen tagtäglich unter herausfordernden Bedingungen professionelle und wichtige Arbeit.“

Verband: 1:1-Betreuung nicht umsetzbar

Zwar bewertet der Saarländische Hebammenverband den Bonus für die 1:1-Betreuung positiv. „Doch wurde hier der fünfte Schritt vor dem ersten gemacht: Die strukturellen und personellen Voraussetzungen für eine flächendeckende Umsetzung dieser Betreuung sind derzeit schlichtweg nicht gegeben“, stellte die Landesvorsitzende der Hebammen im Saarland fest.

Und Okantah warnt: „Der neue Hebammenhilfevertrag setzt durch die finanzielle Schlechterstellung keinen Anreiz, sich dem Dienstbelegsystem anzuschließen – im Gegenteil: Einige Hebammen kündigen bereits an, sich aus der Geburtshilfe zurückzuziehen.“

Gefahr für Versorgungsstruktur

Die Argumentation des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), dass bei einer Parallelbetreuung keine gleichzeitige Anwesenheit in mehreren Räumen möglich sei, greife zu kurz, so Okantah. „Denn die Hebamme trägt in jeder Situation die volle Verantwortung für alle betreuten Frauen, behält deren Bedarfe und Bedürfnisse im Blick und muss jederzeit einsatzbereit sein.“

Die neue Vergütung, so Okantahs Resümee, untergrabe nicht nur die wirtschaftliche Grundlage vieler Hebammen, sondern gefährde langfristig die geburtshilfliche Versorgungsstruktur.

Cattarius: Ausbildung in Frage gestellt

Auch an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar), wo es seit 2021 einen eigenen Studiengang für Hebammen gibt, betrachtet man den neuen Hebammenhilfevertrag mit großer Sorge. „Die neuen Regelungen könnten tiefgreifende Auswirkungen auf die Versorgungslage in der klinischen Geburtshilfe haben – auch im Saarland“, erklärte die Studiengangsleiterin Prof. Barbara Cattarius auf SR-Anfrage.

„Unsere Studierenden werden auf eine vielseitige, evidenzbasierte und bedarfsorientierte Hebammentätigkeit vorbereitet. Wenn jedoch ganze Versorgungsmodelle – wie das der Dienst-Beleghebammen – durch ökonomische Rahmenbedingungen gefährdet werden, stellt das auch die zukünftige Berufsausbildung in Frage.“

Neubewertung nötig

Die Förderung der 1:1-Betreuung sei zwar begrüßenswert. Allerdings sei diese aufgrund des Fachkräftemangels vielerorts kaum umsetzbar. „Es darf nicht dazu führen, dass Versorgungsrealitäten verkannt und funktionierende Strukturen wie die Dienst-Belegsysteme zusätzlich unter Druck geraten“, so Cattarius.

Auch sie hält eine Neubewertung der Vergütungsstruktur für dringend notwendig. Ob und wie sich die neue Vergütungsstruktur auf den Studiengang auswirken werde, lasse sich noch nicht abschätzen.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 27.04.2025 berichtet.

Geburtshilfe im Saarland