
Rheinland-Pfalz Unbekannte zerstören Strommast in Rheinhessen: Was zu dem Fall bekannt ist und wie das Netz gesichert wird
Ein Hochspannungsmast wird in Rheinhessen von Unbekannten beschädigt und stürzt in einen Weinberg bei Albig. Passiert ist es an Ostern. Wir versuchen, ein paar Fragen zu klären.
Inzwischen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz in dem Fall. Eine politisch motivierte Straftat könne nicht ausgeschlossen werden. In Bezug auf den Tathergang macht sie aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben.
Warum konnte die Stromversorgung schnell wiederhergestellt werden?
Nur für zehn Minuten war der Strom am frühen Ostersonntag in den betroffenen Gemeinden im Kreis Alzey-Worms weg - trotz eines mutmaßlich abgesägten Hochspannungsmastes. Wie war das möglich?
Das Stromnetz sei redundant aufgebaut, sagt dazu der Pressesprecher der zuständigen EWR Netz GmbH, Dominik Nagel, auf Anfrage des SWR. Das bedeute, es gebe alternative Versorgungswege, über die der Strom umgeleitet werden könne. Die rund um die Uhr besetzte Leitstelle habe den Fehler schnell lokalisieren können. Das moderne Leitsystem bildet laut Nagel das Stromnetz in Echtzeit ab. Es erlaube, aus der Ferne Schaltungen vorzunehmen. Nachdem die Stelle identifiziert gewesen sei, habe man den Strom schnell umschalten können.
Der Ausfall wichtiger Leitungen oder Netzknotenpunkte kann also jederzeit kompensiert werden. Experten wie Dominik Häring von der Technischen Hochschule in Bingen sprechen vom sogenannten n-1-Prinzip (sprich: N-minus-eins). Der Strom, der normalerweise durch die defekte Leitung fließt, wird von einer anderen übernommen.
Das heißt, das Netz ist aufgeteilt in kleinere Einheiten, die doppelt gesichert sind. Der redundante Aufbau ist Standard in Deutschland. Daher sind Stromausfälle in der Regel innerhalb einer Stunde behoben.
Um was für einen Hochspannungsmast handelte es sich?
Der betroffene Mast ist etwa 20 Meter hoch. Die Freileitung wird nach Angaben von EWR-Sprecher Nagel mit einer Spannung von 20.000 Volt betrieben. Zum Vergleich: An der Phase einer Haushaltssteckdose liegt eine Spannung von bis zu 230 Volt an.
Lässt sich ein Strommast leicht absägen?
Ein Strommast lasse sich nicht ohne Weiteres absägen, sagt Nagel. Wie schnell ein solcher Vorgang möglich ist, hänge stark vom eingesetzten Werkzeug ab. Das Absägen eines Masts sei mit erheblichem Aufwand verbunden und erfordere Zeit sowie entsprechende Ausrüstung.
Was passiert, wenn ein Mast zu Boden stürzt?
Stürzt ein Strommast um und beschädigt dabei die Leitungen, kommt es zu einem Kurzschluss. In einem solchen Fall greift nach EWR-Angaben der sogenannte vorgelagerte Netzschutz: Computergesteuerte Schutzsysteme erkennen den Fehler und schalten die betroffene Leitung umgehend automatisch ab.
Häring, Professor für Elektrische Energietechnik, sagt im Gespräch mit dem SWR, man könne den Ablauf nicht pauschal darstellen. Allgemein gesagt, trete beim Sturz eines Hochspannungsmastes ein Kurzschluss (zwischen den Leiterseilen) oder ein Erdschluss (zwischen Leiterseil und Erdboden) auf. Das könne als "Blitzentladung" oder "Funken" wahrgenommen werden. Solche Entladungen könnten dann unter Umständen auch zu Bränden führen, etwa auf trockenen Feldern.
Wie sieht es am Tatort aus?
Die Stelle wurde abgesichert. Eine Gefahr besteht nach Angaben des Landeskriminalamtes nicht. Der Netzbetreiber EWR aus Worms hat mit Reparaturarbeiten begonnen. Ein neuer Mast werde aufgestellt.

Monteure beim Aufbau eines Stahlfachwerkmasts im Rheinland (Archivbild)
Haben sich der oder die Täter in Lebensgefahr gebracht?
Das könne bei dem aktuellen Stand der Ermittlungen noch nicht abschließend beurteilt werden, heißt es zwar dazu von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.
Grundsätzlich ist aber zu sagen: Eindeutig Ja. Die Täter hätten sich in große Lebensgefahr begeben, betont EWR-Sprecher Nagel. Man sei sehr froh, dass niemand zu Schaden gekommen sei. Ein unbefugter Zugang zu Mittelspannungsanlagen, wie im vorliegenden Fall, sei lebensgefährlich. Es bestehe akute Gefahr durch einen elektrischen Schlag beim Berühren unter Spannung stehender Teile sowie durch möglicherweise herabfallende Anlagenteile oder das Risiko eines Sturzes beim Besteigen von Masten.
Auch Jutta Hanson, die an der Technischen Universität Darmstadt lehrt, warnt vor den gefährlichen Folgen von Sabotage. Wenn nur ein Leiter den Boden berühre, dann könne es sein, dass sich das Netz nicht abschaltet, und dann gebe es für jemanden, der noch in der Nähe sei, die Gefahr einer sehr großen Spannung, die sich über den Boden ausbreite. Das sei wie, wenn der Blitz einschlage.
Wie verletzlich ist das deutsche Stromnetz? Ist der Schutz ausreichend?
Der Vorfall habe gezeigt, dass das Stromnetz der EWR Netz sicher aufgebaut sei, sagt der Sprecher. Die Anlagen verfügten über einen sehr hohen Standard laut der Vorgaben für den Schutz kritischer Infrastrukturen. Man tausche sich regelmäßig mit der Polizei aus, um auf mögliche Gefahren vorbereitet zu sein. Vollständig ausschließen lasse sich eine gezielte Manipulation des Stromnetzes jedoch grundsätzlich nicht.
Das sieht auch Jutta Hanson so, die an der TU Darmstadt Professorin für Elektrische Energieversorgung unter Einsatz Erneuerbarer Energien ist. Es handle sich um eine Flächeninfrastruktur. Man könne nicht an jedem Mast jemanden postieren, der aufpasse, dass der nicht umgesägt werde, sagt sie. Sie vergleicht es damit, dass man auch nicht auf jede Brücke jemanden stellen kann, der dafür sorgt, dass es keinen Steinewerfer gibt.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts?
Ein kurzzeitiger Stromausfall, der regional begrenzt ist wie in Albig am Ostersonntag, ist kein Blackout. Hanson ist es wichtig, da zu unterscheiden. Bei einem Blackout falle ein großes Netz aus. So sei nicht nur Deutschland komplett verbunden, sondern auch Kontinentaleuropa. Erst wenn ein solches Netz ausfalle, sei es ihrer Ansicht nach ein Blackout.
Netzfehler oder Schäden wie im vorliegenden Fall passierten immer wieder. Dann werde selektiv abgeschaltet, also nur so viel wie gerade notwendig. Allein schon, um an den Leitungen Wartungsarbeiten durchführen zu können, müsse es möglich sein, kleine Einheiten abschalten zu können.
Dennoch wirft ein solcher Fall wie in Albig, zumal es sich um Sabotage handeln könnte, Fragen auf. Könnten mehrere solcher Taten einen Blackout herbeiführen?
Deutschlands Stromnetz gilt als eines der sichersten in Europa. Die Energieversorgungsnetze seien auf solche singulären Fehler vorbereitet, sagt Dominik Häring von der TH Bingen. Würden in Netzgruppen oder -gebieten jedoch mehrere Fehler gleichzeitig auftreten, so könne es durchaus regionale Stromausfälle geben, warnt er. Dies sei dann der Fall, wenn die Redundanz der Systeme vollständig erschöpft sei.
Derzeit würden die Netze im Kontext der Energiewende verstärkt und ausgebaut. Dabei spiele die Einspeisung erneuerbarer Energien neben Sicherheitsmaßnahmen eine maßgebliche Rolle, so Häring.
Die Experten sind sich weitgehend einig: Man kann einen Blackout nicht ausschließen, es gibt keine absolute Sicherheit. Aber: Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Die Aufgabe der Netzbetreiber liegt also darin, bei einem Störfall schnell reagieren und auf redundante Systeme umschalten zu können.
Sendung am Mi., 23.4.2025 13:00 Uhr, Der Nachmittag, SWR1 Rheinland-Pfalz