Rheinland-Pfalz Rüstungsindustrie: Chance für Betriebe in Rheinland-Pfalz?

Stand: 10.06.2025 19:40 Uhr

In Rheinland-Pfalz gibt es wenig Rüstungsindustrie. Die Unternehmen kann man an einer Hand abzählen. Jetzt sollten neue Betriebe die Branche und ihre Anforderungen kennen lernen.

Von Petra Thiele

Von kleinkalibriger Munition bis hin zu tonnenschweren mobilen Brücken: In Rheinland-Pfalz werden Produkte hergestellt, die weltweit von Armeen und Sicherheitskräften eingesetzt werden. Die Rüstungsindustrie hat aber nur einen kleinen Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes und auch bundesweit ist die Bedeutung gering. Experten sprechen von "Nischendasein".

Dies könnte sich durch die neue Sicherheitspolitik mit ihren Milliarden für das Militär ändern. Bei einem Forum stand am Dienstag in Mainz erstmals die "Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Rheinland-Pfalz" im Mittelpunkt. Die Rüstungsbranche, die sich früher meist nur auf Fachmessen traf, wird umworben und salonfähig.

Rüstungsindustrie in Rheinland-Pfalz im Fokus

Vernetzung auch von Wirtschaft und Verwaltung

Es gehe um Vernetzung, Kompetenzaufbau und Wertschöpfung - so die beiden Gastgeberinnen des Forums, Landeswirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) und Annette Lehnigk-Emden, Präsidentin des Bundeswehr-Beschaffungsamtes in Koblenz. Unternehmen aus verschiedenen Bereichen sollten sich bei dem Treffen in Mainz informieren, ob es für sie Chancen im Rüstungsbereich geben könnte. Rund 170 Firmen und weitere Gäste tauschten sich aus. Das Wirtschaftsministerium plant eine Folgeveranstaltung.

Dass das Interesse an und in der Branche steigt, stellt auch Matthias Witt von der Unternehmensberatung WIMCOM fest, der nach eigenen Angaben größten deutschen Unternehmensberatung im Militärsektor. Im Gespräch mit SWR Aktuell berichtet Witt von so vielen Anfragen von Unternehmen, wie noch nie in den zehn Jahren seit Gründung von WIMCOM. Den Nachfrage-Schub führt der Unternehmensberater unter anderem auf die von der Politik bereitgestellten sogenannten Sondervermögen der Bundeswehr zurück. Dabei zeige vor allem die schwächelnde Automobilindustrie Interesse, aber auch Logistiker und metallverarbeitende Betriebe stellten Anfragen, so Witt. Und er glaube nicht, dass das "ein Strohfeuer ist."

Das Metallwerk Elisenhütte GmbH - kurz MEN - in Nassau ist eine der größten Munitionsfabriken in Deutschland.  Die Entwicklung, Produktion und Vertrieb von kleinkalibriger Munition ist der Schwerpunkt. MEN ist Teil der Rüstungsindustrie in Rheinland-Pfalz.

Im Metallwerk Elisenhütte in Nassau wird Kleinkalibermunition gefertigt. Seit der Erweiterung können insgesamt 300 Millionen Patronen pro Jahr hergestellt werden.

Mit Blick auf die sich ändernde Sicherheitslage in Europa werden die gemeinsamen Anstrengungen von Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und Bundeswehr immer bedeutsamer. Daher freuen wir uns über die Gelegenheit zum Dialog und Austausch miteinander. Annette Lehnigk-Emden, Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr

Rüstungsindustrie in Koblenz

In Rheinland-Pfalz ist rund um das Bundeswehr-Beschaffungsamt in Koblenz ein Rüstungszentrum entstanden. Allerdings sind Firmen dort meist nur mit Büros oder kleineren Abteilungen vertreten. Daneben gibt es deutsche Unternehmen, die die Ausrüstung der amerikanischen Militärbasen (Ramstein und Spangdahlem) mit instand halten.

Mobile Brücken und Munition aus Rheinland-Pfalz

Zur Rüstungsindustrie in Rheinland-Pfalz gehören:

Bundeswehr-Kasernen und US-Streitkräfte

Rheinland-Pfalz hat 14.000 Soldatinnen und Soldaten an 18 Standorten. Anders als früher will die Bundeswehr inzwischen keinen Standort mehr aufgeben, vielmehr alte reaktivieren.

Außerdem sind die meisten amerikanischen Streitkräfte in Rheinland-Pfalz stationiert. 2022 waren rund 38.000 US-Soldaten in Deutschland - davon rund 19.000 in Rheinland-Pfalz.

Insgesamt arbeiten in Deutschland rund 12.000 Menschen für die US-Streitkräfte, davon in Rheinland-Pfalz rund 9.000.

Defence-Anteil bei Daimler Truck steigt

Daimler Truck in Wörth setzt auf Wachstum im Defence-Bereich. Der Anteil der Militär-Fahrzeuge an der Gesamtproduktion sei derzeit aber noch gering. Er würde im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen, so ein Daimler-Sprecher. Zum Vergleich: In Wörth werden jährlich rund 100.000 Fahrzeuge gebaut, der Jahresumsatz lag 2024 bei gut 54 Milliarden Euro.

Das Modell Zetros von Daimler Truck: Auf Wunsch werden die Fahrzeuge mit gepanzerter Fahrerkabine ab Werk ausgeliefert. Daimler sieht sich nicht als Teil der Rüstungsindustrie in Rheinland-Pfalz.

Das Modell Zetros von Daimler Truck: Auf Wunsch werden die Fahrzeuge mit gepanzerter Kabine ausgeliefert.

Mit dem Auftragsvolumen ist man "sehr zufrieden": Litauen hat für 216 Millionen Euro 230 Actros, 141 Zetros und 34 Unimogs bestellt. Außerdem 120 Geländewagen der G-Klasse für militärische Zwecke, die aber nicht in Wörth hergestellt werden. Kanada orderte mehr als 1.500 Zetros. In die Ukraine gehen 340 Zetros.

Daimler Truck will kein Rüstungsbetrieb sein

Obwohl die Defence-Sparte Schritt für Schritt ausgebaut werden soll, so Franziska Cusumano, Chefin von Mercedes-Benz Special Trucks, will man nicht als Rüstungsbetrieb bezeichnet werden.

Daimler Truck ist kein Rüstungsbetrieb und will und wird auch keiner werden. Daimler-Sprecher in der "Rheinpfalz" am 17.2.25

Brückensysteme und Amphibienfahrzeuge

Tonnenschwere Einzelteile für mobile Brückensysteme zum schnellen Überqueren von Gewässern werden in Kaiserslautern bei der General Dynamics-Tocher GDELS hergestellt. Außerdem wird zum Großteil das Amphibienfahrzeug M3 dort gefertigt.

Die Mitarbeiterzahl bei GDELS in Kaiserslautern ist seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine von 380 auf rund 500 gestiegen. Weitere Neueinstellungen sind geplant, In Kaiserslautern werden auch geschützte Radfahrzeuge namens Eagle und Piranha und der Panzer Pandur produziert.

Rund 90 Prozent der Schwimmbrückenkapazität der Nato stammen aus Kaiserslautern. Ohne uns wäre die Mobilität der Nato über Wasserhindernisse stark eingeschränkt. Christian Kauth, GDELS-Geschäftsführer

Munition aus Nassau für Bundeswehr und Polizei

Das Metallwerk Elisenhütte (kurz MEN) in Nassau ist eine der größten Munitionsfabriken in Deutschland. Seit im Sommer 2024 eine zweite Werkshalle eröffnet wurde, können bis zu 300 Millionen Patronen pro Jahr im Drei-Schicht-Betrieb produziert werden. Die Patronen sind für das Sturmgewehr G36 und die komplette Palette an Kleinkalibermunition der Bundeswehr. Von der 9-Millimeter-Pistole bis zum 12,7-Millimeter-Maschinengewehr von Browning. MEN ist auch der größte deutsche Lieferant für Polizeimunition.

Wir sind Lieferant der Bundeswehr, seit sie existiert. Hermann Mayer, Geschäftsführer von MEN

Das 1957 gegründete Unternehmen hat eine lange Tradition in der Rüstungsindustrie. Seit 2007 gehört MEN zum brasilianischen Konzern Companhia Brasileira de Cartuchos (CBC). CBC ist der größte Lieferant von Kleinkalibermunition an die Nato.

Lausberg verpackt Waffen in Holzkisten

Der Familienbetrieb Lausberg, der auch in Nassau beheimatet ist, produziert in Einzelanfertigung Spezialkisten für Waffen - von der Panzerfaust bis zur Rakete. Die Holzkisten müssen extreme Sicherheitsanforderungen erfüllen, etwa Temperaturen von plus 75 Grad aushalten.

Wir können alles bis zu fünf Tonnen verpacken. Philip Lausberg-Gajdosik in der "Rhein-Zeitung" am 26.4.25

2018 hat Philip Lausberg-Gajdosik den Handwerksbetrieb mit rund 55 Mitarbeitern von seiner Mutter übernommen. Das Hauptgeschäft der Firma, die mit Bollerwagen und Rührhölzern ("Persilknüppeln") begonnen hat, sind Kisten für Kleinkalibermunition. Kein Wunder: Lausberg ist Nachbar von MEN, dem Metallwerk Elisenhütte.

Sendung am Di., 10.6.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RP

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