Blick durch einen Bauzaun auf die stillliegende Baustelle der ACC-Batteriefabrick in Kaiserslautern

Rheinland-Pfalz Batterien für E-Autos: XXL-Fabrik in Kaiserslautern vor dem Aus?

Stand: 24.04.2025 10:05 Uhr

Die Pläne ließen Politik und Stadt jubeln: In Kaiserslautern sollte eine Gigafactory - eine Batteriefabrik der Superlative - entstehen. Inzwischen ruht das Projekt. Und nun?

Die damalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach bei der Vorstellung der Pläne von einer "Sternstunde für Rheinland-Pfalz und Kaiserslautern" und der frühere Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) feierte es als eine "industriepolitische Entscheidung ersten Ranges". Batterien für 600.000 E-Autos pro Jahr sollten in Kaiserslautern schon Anfang 2025 vom Band gehen, so der ambitionierte Plan. Investitionen als Impuls für die dahindümpelnde Verkehrswende.

Was wird aus der geplanten Gigafactory für E-Auto-Batterien?

Gigafactory wird jetzt kleiner geplant

Sind diese Träume geplatzt? Seit Sommer 2024 liegt der Bau des Werks auf Eis und die Bauwüste auf einem Teil des Opel-Geländes zeigt: Hier ist seitdem offenbar wirklich nichts mehr passiert. Kommt die Fabrik überhaupt noch? Wir recherchieren und erfahren von Insidern, dass ACC derzeit am Standort Kaiserslautern wohl noch festhält, aber kleiner als geplant: Statt 2.000 sollen es nun 1.500 Mitarbeiter werden.

Eine Entscheidung über die Fortführung des Projekts in Kaiserslautern (…) wird nicht vor Ende 2025 erwartet." ACC per E-Mail auf SWR-Anfrage

Wir haken bei ACC nach. Ein Interview vor der Kamera gibt es nicht, man schreibt uns: "ACC fokussiert sich auf die Steigerung der Produktionseffizienz und auf die Wettbewerbsfähigkeit seiner Gigafactory in Billy-Berclau/Douvrin. […] Infolgedessen prüft ACC Optionen zur Anpassung seines Teams in Kaiserslautern. Eine Entscheidung über die Fortführung des Projekts in Kaiserslautern (…) wird nicht vor Ende 2025 erwartet."

Hohe Ausschuss-Quote bei Batterien

Eine Anpassung des Teams in Kaiserslautern? Was heißt das für den Standort? ACC hat in Frankreich bereits eine Batteriezellfabrik im Testbetrieb, wollte neben Kaiserslautern noch eine dritte in Italien bauen - auch dieses Projekt pausiert. Was uns ein Informant sagt: Die Hälfte der Batterien seien defekt. Die technologischen Grundlagen der Batterien müssen offenbar auf den Prüfstand - also zurück auf Anfang.

Luftbild der ACC-Gigafactory in Billy-Berclau/Douvrin in Frankreich.

Hier fließen aktuell die Investitionen hin: Die ACC-Gigafactory in Billy-Berclau/Douvrin in Frankreich.

Das sei ein Rückschlag, sagt Tim Hettesheimer vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI- in Karlsruhe: "Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist so etwas natürlich katastrophal." Wenn ACC die Ausschussquote nicht reduzieren könne, sei das Unternehmen auf dem Markt nicht wettbewerbsfähig.

Daher hat der Forscher durchaus Verständnis, dass das Unternehmen Pläne für neue Standorte im Moment pausiert: Die Entwicklung der Batterietechnologie sei in den vergangenen Jahren rasant verlaufen - sowohl was die technische Leistungsfähigkeit anging, als auch, dass die Preise deutlich zurückgegangen seien, so Hettesheimer. "Ich glaube, das Problem ist, dass es nicht an einem Fehler liegt, sondern an vielen Fehlern, es wahnsinnig viele unterschiedliche Fehlerquellen innerhalb dieser Produktionskette gibt, die man erst mal kennenlernen muss. Und da haben die asiatischen Hersteller natürlich viele Jahre Vorsprung und konnten lernen, was wir jetzt auf europäischer Seite erst nachholen müssen."

Programmtipp
Mehr zum Thema sehen Sie heute Abend in "Zur Sache Rheinland-Pfalz" um 20:15 Uhr im SWR. Die gesamte Sendung finden Sie anschließend in der ARD Mediathek.

E-Autos verkaufen sich schlechter – hohe Energiekosten

Weitere Gründe für die Zurückhaltung von ACC sind wohl auch der immer noch schleppende Absatz von E-Autos und Planungsunsicherheiten wegen hoher Strom- und Energiepreise, schätzt der Experte.

Das war alles andere als ein Musterbeispiel für eine Industrie-Ansiedlung. Stefan Glander (Linke)

Statt in Kaiserslautern will ACC also nun verstärkt in sein Werk in Frankreich investieren. Was bedeutet das? Wir fragen im Rathaus nach. Oberbürgermeisterin Beate Kimmel (SPD) möchte sich nicht äußern, obwohl die Stadt dauerhaft im Austausch mit ACC stehe. Kritik am Projekt kommt von einzelnen Stadtratsfraktionen. Stefan Glander (Linke) etwa meint, das ganze Projekt sei von Anfang an zäh verlaufen, "was Kommunikation anging, von dem Investor, von der politischen Seite. Das war alles andere als ein Musterbeispiel für eine Industrie-Ansiedlung".

CDU-Stadträtin Ursula Düll fordert schnell Klarheit, wie es weitergehen soll. "Es ist ja auch eine sehr attraktive Industriefläche. Und das wäre natürlich schön, wenn man sich dann um eine andere Nutzung dieser Fläche kümmern könnte, die ja dann auch wieder Arbeitsplätze generiert."

Was passiert mit den 3 Millionen Fördergeld?

Bislang hat ACC rund drei Millionen Euro Fördergelder von Bund und Land erhalten. Insgesamt waren 437 Millionen Euro an Fördermitteln zugesagt. Wenn vereinbarte Ziele nicht erreicht würden, können Gelder auch zurückgefordert werden, schreibt uns das Bundeswirtschaftsministerium. Bund und Land halten an der Fabrik in Kaiserslautern fest. Zitat: "Eine Batteriezellfertigung aufzubauen, ist im strategischen Interesse Deutschlands und Europas - daran hat sich nichts geändert. Die Zukunft der Fahrzeugbranche ist elektrisch. Bei Bussen, Lkw und Pkw haben sich alle Hersteller entsprechend ausgerichtet. Der Batteriehochlauf findet jedoch europaweit in einem schwierigen Umfeld statt."                             

Batterie-Produktion: Problemzone Deutschland und Europa
Etwa 90 Prozent der Batterien für E-Fahrzeuge werden von asiatischen Unternehmen hergestellt. China ist mit 60 Prozent führend, gefolgt von Südkorea mit 32 Prozent. Von den 14 weltweit größten Herstellern stammt keiner aus Europa. In Europa gibt es aktuell 38 Fabriken für E-Auto-Batterien (Stand 2024). In Deutschland gibt es 17 solcher Fabriken, bzw. sind geplant. Ob sie alle an den Start gehen, ist fraglich (siehe Beispiel ACC Kaiserslautern in diesem Artikel). Zu den größten Unternehmen in Deutschland zählen:
  • CATL in Arnstadt (Thüringen). Der chinesische Weltmarktführer beliefert u.a. BMW und Mercedes.
  • Mercedes Benz/ACC in Kamenz (Sachsen) / Mercedes Benz/MDC Power in Kölleda (Thüringen) / Mercedes Benz in Unterdürkheim und Sindelfingen (Baden-Württemberg)
  • Tesla in Grünheide (Berlin-Brandenburg)
  • VW in Salzgitter (Niedersachsen)
  • BMW in Leipzig (Sachsen) / BMW in Irlbach und Straßkirchen (Bayern/geplant 2026)
  • Northvolt hat seine geplante Fabrik in Heide (Schleswig-Holstein) gestoppt. Der schwedische Mutterkonzern hat Insolvenz angemeldet.
  • Svolt ist ein Ableger des chinesischen Autokonzerns Great Wall Motors und hat sein geplantes Werk im Lauchhammer in der Lausitz gestoppt. Dafür sollen 2028 im saarländischen Heusweiler und Überherrn zwei Fabriken entstehen.

Ein schwieriges Umfeld? Die Standortdiskussion und die aktuellen Probleme der Unternehmen könnten dem Image der E-Mobilität weiter schaden, befürchtet Fraunhofer-Experte Hettesheimer. Die Forschungslandschaft in Europa sei durchaus Weltspitze. Es fehle aber oft der Mut, "um einfach in diese Produktion reinzugehen, auch unter der Gefahr, immer zu scheitern".

Klar ist: Bislang hat Deutschland kaum eigene Batteriezellfabriken. Das Werk in Kaiserslautern wird gebraucht; die Nachfrage nach E-Batterien dürfte steigen. Umso wichtiger ist es, dass das Unternehmen seine Qualitätsprobleme in den Griff bekommt. Ob die Fabrik in der Pfalz nun kommt oder nicht, dürfte auch davon abhängen, wie sich Politik und Gesellschaft weiter zur E-Mobilität stellen.

Sendung am Do., 24.4.2025 20:15 Uhr, Zur Sache Rheinland-Pfalz, SWR RP

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