Die Landtagsfraktion der AfD in RLP soll laut Landesrechnungshof eine Viertel Million Euro aus Steuermitteln nicht korrekt verwendet  haben.

Rheinland-Pfalz AfD-Fraktion in RLP soll 243.000 Euro unsachgemäß verwendet haben

Stand: 10.06.2025 17:54 Uhr

Der Rechnungshof Rheinland-Pfalz wirft der AfD-Landtagsfraktion vor, knapp eine Viertel Million Euro aus Steuermitteln nicht korrekt verwendet zu haben.

Von Frederik Merx

Das geht aus einem Bericht des Landesrechnungshofs hervor, der dem SWR exklusiv vorliegt. Konkret geht es um 243.499,91 Euro aus dem Budget der AfD-Fraktion, die laut Landesrechnungshof nicht bestimmungsgemäß ausgegeben wurden. Einen Teil des Geldes habe die Fraktion beglichen. 182.468,64 Euro seien aber auch nach Jahren noch offen. Laut Rechnungshof wurden auch durch die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP Steuermittel nicht ordnungsgemäß verwendet - insgesamt rund 55.000 Euro. In diesen Fällen sei die jeweilige Summe aber vollständig zurückgezahlt worden.

RLP-Rechnungshof rügt AfD-Fraktion

Die Fraktionen im rheinland-pfälzischen Landtag bekommen für ihre Arbeit im Parlament Geldleistungen aus Steuermitteln. In den Jahren 2016 bis 2018 waren SPD, CDU, AfD, Grüne und FDP im Landtag vertreten. Sie bekamen insgesamt mehr als 16,5 Millionen Euro an Geldleistungen. Auf die neu ins Parlament eingezogene AfD-Fraktion mit ihren damals 14 Abgeordneten unter dem Vorsitzenden Uwe Junge entfielen rund drei Millionen Euro.

Landesrechnungshof: Vermischung von Fraktions- und Parteiarbeit

Der Prüfbericht des Landesrechnungshofes nährt nun den Verdacht, dass mehrere Fraktionen Geldmittel nicht ordnungsgemäß verwendet haben - insgesamt geht es im Prüfzeitraum um 299.145,43 Euro. Es geht um "Standards" wie unvollständige Fahrtenbücher, fehlende Belege, unsaubere Buchungen oder uneinheitliche Buchführung. Vor allem aber um die Vermischung von Fraktions- und Parteiarbeit.

Warum Steuergeld nicht in Parteiwerbung fließen darf
Geldleistungen aus Steuermitteln dürfen die Fraktionen unter anderem dafür verwenden, über ihre Arbeit im Parlament zu informieren - zum Beispiel durch Broschüren oder Informationsveranstaltungen. Wichtig ist, dass hierbei die konkrete Arbeit der Fraktion im Parlament im Mittelpunkt steht. Keinesfalls darf das Steuergeld, das die Fraktionen bekommen, für Parteiwerbung benutzt werden. Sonst wäre - so ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2002 - die Chancengleichheit im Wettbewerb mit den Parteien verletzt, die nicht im Landtag vertreten sind. Anders gesagt: Fraktionen dürfen sich nicht mit Steuergeld, das für ihre Parlamentsarbeit gedacht ist, ihre eigene Wiederwahl sichern. 

So beanstandet der Rechnungshof zum Beispiel ein Fest der regierungstragenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP zur Hälfte der ersten gemeinsamen Regierungszeit, bei dem auch Journalisten und Regierungsmitglieder dabei waren. Bei dem Treffen habe es sich um unzulässige "Sympathiewerbung" gehandelt. Die Ampel-Fraktionen hätten nicht nachweisen können, dass es bei dem geselligen Fest tatsächlich darum gegangen sei, über die Arbeit im Landtag aufzuklären. Die 18.425,11 Euro zahlten die Fraktionen an das Land zurück.

Auch die CDU kommt in dem Bericht vor, etwa wegen falsch verbuchter Verpflegung bei Klausurtagungen von Fraktion und Landesvorstand.

Löwenanteil der beanstandeten Mittel von der AfD

Ein Löwenanteil von mehr als 81% der beanstandeten Mittel entfiel jedoch auf die AfD-Fraktion, obwohl diese nur gut 18 Prozent der gesamten Geldleistungen an die Fraktionen im rheinland-pfälzischen Landtag bekam. 

Unter anderem moniert der Rechnungshof in diesem Zusammenhang vor allem einen fehlenden Fraktionsbezug bei diversen Druckerzeugnissen und größeren Veranstaltungen. 2017 bis 2019 sei etwa mit dem "Blauen Max" eine Fraktionszeitung gedruckt und verteilt worden, in der zwischen Partei- und Fraktionspositionen nicht ausreichend unterschieden werde. Der Hinweis auf die Fraktion als Urheberin im Impressum reiche nicht aus. Druck, Erstellung und Verteilung der insgesamt 300.000 Exemplare hätten 70.346,69 Euro gekostet und seien zurückzuerstatten. 

Im Oktober 2016 hätte die AfD-Fraktion zur Veranstaltung "100 Tage Fraktion" aufs Hambacher Schloss geladen. Mehr als 300 geladene Gäste lauschten demnach den Reden von Fraktionschef Junge und Bundeschefin Frauke Petry zur Kritik an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer Asylpolitik. Der Rechnungshof sieht "keinen hinreichenden Fraktionsbezug". Kostenpunkt: 22.119,30 Euro. 

Ebenso geht es um die Verteilung von Klappkarten zur Verkehrs- und Migrationspolitik und zahlreiche Veranstaltungen. Jedes Mal bemängelt der Landesrechnungshof dasselbe: Keinen oder nicht ausreichenden Bezug zur Arbeit der Landtagsfraktion.

Andere zahlten Geld zurück, AfD zögert

Bemerkenswert: Während alle anderen Fraktionen beanstandete Summen komplett zurückzahlten, sind für die AfD-Fraktion aus dieser Zeit noch 182.468,64 Euro offen. Der Rechnungshof weist in seinem Bericht darauf hin, dass eine Rückzahlung ein Fehlverhalten grundsätzlich rechtlich nicht heilt. Trotzdem, so teilt die Behörde aus Speyer auf SWR-Nachfrage mit, habe die AfD nach der Veröffentlichung des Berichts drei Monate Zeit, den Betrag zu begleichen. Wann diese Frist beginnt, liegt demnach an Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD). Er entscheidet, wann der Bericht offiziell wird.

Bollinger behält sich rechtliche Schritte vor

Denkbar ist jedoch, dass die AfD-Fraktion auch dann der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen wird. Auf SWR-Nachfrage ließ Fraktionschef Bollinger mitteilen, dass die Fraktion sich rechtliche Schritte vorbehalte. Der Rechnungshof greife durch den Bericht "mindestens teilweise direkt in die politische Arbeit der Fraktion ein".

Außerdem kritisierte Bollinger, dass der Bericht mit jahrelanger Verspätung veröffentlicht werde - andere Bundesländer handhabten das anders. Der Landesrechnungshof verweist auf den rechtlich vorgegebenen Fünfjahresturnus, doch nach SWR-Informationen sehen auch andere Landtagsfraktionen den langen Zeitverzug kritisch.

Abgeordnetenwatch fordert Nachbesserungen

Dass die AfD die Unterscheidung zwischen Partei- und Fraktionsarbeit in einer Stellungnahme im Bericht als "Willkür" bezeichnet, kritisiert die Transparenzorganisation Abgeordnetenwatch. Pressesprecherin Sarah Schönewolf sagte dem SWR, Fraktionen könnten grundsätzlich sehr wohl unterscheiden, wo Fraktionsarbeit aufhöre und Parteiarbeit beginne.

Bemerkenswert sei die hohe Summe der Rückforderung an die AfD auch im Vergleich zu anderen Fraktionen. Das Land brauche eine Handhabe, die beanstandeten Summen zurückzufordern: "Wir sehen, dass Fraktionen versuchen, soweit wie möglich mit diesen Regeln zu gehen. Und es ist umso wichtiger, dass es sehr klare Sanktionen gibt, die auch deutlich machen: Hier ist eine Grenze und hier geht es nicht weiter. Dementsprechend braucht es hier einfach auch Nachbesserungen."

Sendung am Di., 10.6.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RP

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