
Nordrhein-Westfalen Nagelkünstler Günther Uecker gestorben
Der Düsseldorfer Künstler Günther Uecker ist tot. Das erfuhr der WDR am Abend von seinem Kunstverlag. Bekannt geworden durch seine "Nagelbilder", gehörte Uecker zu den bedeutendsten Künstlern der internationalen Kunstszene. Bis ins hohe Alter arbeitete er an neuen Projekten.
Tausende Nägel schlug Günther Uecker im Lauf der Jahrzehnte in seine Kunstwerke – und sie wurden zu seinem Markenzeichen. Der Bleistiftstrich, so erklärte er viel später einmal, habe ihm "an der Realität gemessen" nicht ausgereicht.

Günther Uecker bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung "Der geschundene Mensch" in Rostock, Juli 2016
So sei die Herausforderung entstanden, "den Bleistift in das Papier einzuschlagen, die Faust zu erheben". Anstatt eines Bleistifts habe er dann einen Nagel eingeschlagen, "der Schatten bildete, so dass es eine kosmische Verbindung gab wie mit einer Sonnenuhr". Der Nagel hatte für Uecker "mythischen Charakter".
Geboren für die Kunst
Ueckers Verlangen, Kunst zu schaffen, kam ganz aus ihm selbst heraus. Als Sohn einer Bauernfamilie 1930 in Wendorf geboren, wuchs er unter harten Bedingungen und fern jeder akademischen Bildung auf der Ostseeinsel in Wustrow auf. Doch mit 19, nach einer Ausbildung als Maler und Schreiner, zog es den jungen Uecker in die Stadt.

Das Kunstwerk "Übernagelter Tisch" (1964) von Günther Uecker
Sein Land hieß mittlerweile DDR, er ging nach Ostberlin. Da war längst klar: Sein Leben würde die Kunst sein. Einige Jahre Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, dann marschierte Uecker im Sommer 1953 zu Fuß durch das Brandenburger Tor in den Westen. Sein Ziel: Die Kunstakademie Düsseldorf, wo er bei seinem Idol Otto Pankok studieren wollte.
Als Uecker dann das erste Mal dem von ihm so verehrten Pankok gegenüber steht, zeigt der sich kaum beeindruckt von dem jungen Mann. Uecker aber beschrieb diesen Moment viele Jahre später so: "Ich habe einen solchen Weinkrampf bekommen, es hat mich fast zerrissen vor Schmerz."
Nägel überall
Doch er kämpft. 1956 entsteht das erste Nagelbild: Weiß gestrichen auf weißem Grund, ein Meer von Nägeln. Wie ein bewegtes Relief sieht es aus, mit je nach Lichteinfall wechselnder Dynamik. Fortan bestimmen eiserne Nägel seine Werke: In Möbel oder Musikinstrumente eingehauen, als Reliefs, bewegliche Installationen oder Skulpturen in Übergröße – Werke, die heute auf dem Kunstmarkt für bis zu einer halben Million Euro oder mehr gehandelt werden.
Radikal und rastlos

Objekt "Kinetische Scheibe" des Künstlers Günther Uecker in der Ausstellung "ZERO" am 20.03.2015 im Martin-Gropius-Bau in Berlin
Uecker lebt zunächst von der Hand in den Mund – in einer alten Scheune in Düsseldorf-Oberkassel, die er für 50 Mark im Monat mietet. Als die Stadt ihm kündigen will, brennt er das Gebäude nieder. "Ich war immer von dieser radikalen Art“, sagt er dazu 2016 in einem Interview, "so bin ich hoffentlich heute noch“.
Er lernt Pablo Picasso und Jean Cocteau kennen, Ende der 1950er Jahre auch Joseph Beuys, Heinz Mack, Otto Piene und Yves Klein. Im April 1957 gründen Mack und Piene in Düsseldorf die Gruppe ZERO, zu der später auch Uecker stößt. Die Idee: Man will nach den Zerstörungen des Krieges in Deutschland mit dem Kunstverständnis "bei Null" (Zero) beginnen.
Innerhalb eines knappen Jahrzehnts soll Zero zu einer der bedeutendsten Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts werden. Seine erste Einzelausstellung folgt bald: 1960 nimmt ihn die Düsseldorfer Galerie Schmela unter Vertrag, mit der Uecker über viele Jahre eng zusammenarbeiten wird.
Erste Erfolge in den USA
Als einer der wenigen deutschen Künstler jener Zeit sind Ueckers Werke bereits in den 1960er Jahren in New York zu sehen. Seine Nagelwerke verkaufen sich gut - David Rockefeller kauft Uecker-Werke ebenso wie die Chase Manhattan Bank.
1964 ist Uecker auf der documenta 3 vertreten. Gemeinsam mit Thomas Lenk, Heinz Mack und Georg Karl Pfahler stellt er 1970 im Deutschen Pavillon der "35. Biennale von Venedig" aus. Ab 1976 lehrt er an der Kunstakademie Düsseldorf.
Tschernobyl, Irak, Klima

Günther Uecker mit seiner Frau Christine (links) bei der Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum in Berlin (11.11.2017)
Als Auswirkung zahlreicher Reisen rund um den Globus werden seine Werke ab Anfang der 1980er Jahre zunehmend politisch. So ist der Zyklus "Aschebilder" eine Reaktion auf die Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl. Auch der Irakkrieg und der Klimawandel finden sich in seinen Werken wieder. 1998 gestaltet Uecker einen Andachtsraum im Reichstagsgebäude des Deutschen Bundestags.
In Düsseldorf lernt Günther Uecker 1968 seine spätere Frau Christine, eine Nachrichtensprecherin beim Fernsehen, kennen. Gemeinsam bewohnen sie zehn Jahre lang ein einziges Zimmer. 1986 kommt der gemeinsame Sohn Jacob zur Welt, da ist Uecker bereits 56. Er arbeitet bis zu seinem Tod in einem Atelier im Düsseldorfer Medienhafen. Im Dezember 2024 – da ist er schon 94 - werden im Schweriner Dom die übrigen zwei von insgesamt vier Kirchenfenstern von Günther Uecker eingeweiht – sein Lichtbogen-Projekt.
Zero Foundation in Düsseldorf

Heinz Mack, Otto Piene und Guenther Ücker in Düsseldorf bei der Eröffnung der Ausstellung " ZERO-Kunst-Retrospektive
2008 gründen die drei ehemaligen Zero-Vertreter Uecker, Mack und Piene zusammen mit der Stadt Düsseldorf und dem Museum Kunstpalast die Zero-Foundation, die das Werk der internationalen ZERO Bewegung erhalten und fördern soll.
Noch mit 80 Jahren bekennt Günter Uecker in einem Interview: "Wäre ich kein Künstler, wäre ich ein Krimineller. Soviel Kraft und Gewalt drängen aus mir heraus, dass man Furcht davor haben muss.“ Seine künstlerische Heimat sei das Rheinland, sei Düsseldorf. Die Sehnsucht aber sei bei der Insel, von der er stammt.