Josefine Paul sitzt alleine in einer Parlamentsbank im NRW-Landtag

Nordrhein-Westfalen Solinger Messerattacke: Blieb das Handy der Ministerin wirklich stumm?

Stand: 10.06.2025 17:04 Uhr

Nach dem Solinger Messeranschlag will Fluchtministerin Paul tagelang keine Chatkommunikation mit ihren engsten Mitarbeitern geführt haben. Das bekräftigte sie noch einmal schriftlich.

Von Nina Magoley

Die Vorwürfe gegen Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) reißen nicht ab seit der tödlichen Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest am 23. August vergangenen Jahres. Der eigentlich ausreisepflichtige Syrer Issa al H. hatte damals drei Menschen getötet und acht weitere teils lebensgefährlich verletzt.

Längst schon beschäftigt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) im Landtag mit der Frage, ob Pauls Ministerium ausreichend und richtig gehandelt habe.

Tagelang keine Chatkommunikation nach dem Anschlag?

Zuletzt Ende Mai hatte die SPD im Ausschuss der Ministerin vorgeworfen, Details darüber, wie sie sich mit ihren engsten Mitarbeitern nach dem Anschlag ausgetauscht hat, unter Verschluss zu halten. Insbesondere ging es um Chatnachrichten zwischen Ministerin Paul, ihrem persönlichen Referenten und ihrem Staatssekretär Lorenz Bahr in den drei Tagen nach dem Anschlag.

Nach Aussage der SPD hat Paul für die Zeit zwischen dem 23. und dem 26. August 2024 bislang trotz Aufforderung keinerlei Chatprotokolle mit ihren Mitarbeitern vorgelegt. Weil die Opposition das nicht hinnehmen wollte, schrieb die Ministerin vergangenen Freitag noch einen Brief an den Untersuchungsausschuss, der dem WDR vorliegt. Darin erklärt sie erneut, dass die Kommunikation zwischen ihr und ihren beiden Mitarbeitern zwischen dem 23. und dem 26. August 2024 bereits "vollständig vorgelegt" worden sei. Für den genannten Zeitraum gebe es "keine weiteren Beweismittel".

"Widerspricht jeder Lebenserfahrung"

Bei der SPD wächst die Empörung: Es widerspreche "jeder Lebenserfahrung", sagte SPD-Obfrau Lisa Kapteinat am Dienstag dem WDR noch einmal, "dass die Ministeriumsspitze monatelang nicht untereinander schriftlich kommuniziert haben soll". Während gleichzeitig aber "zufälligerweise" Chatnachrichten des Staatssekretärs mit seiner Amtskollegin im Innenministerium durchaus verfügbar seien.

"Besonders glaubwürdig ist das nicht", so Kapteinat. Es stehe "der schwerwiegende Verdacht im Raum, die Beweismittel gelöscht zu haben". Nach Ansicht der SPD werde es nun Zeit, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) einschreite, "um der versprochenen umfassenden Aufklärung gerecht zu werden".

Wüst sieht keinen Handlungsbedarf

Der sieht aber offenbar keinen Handlungsbedarf. Auf WDR-Nachfrage sagte ein Sprecher der Staatskanzlei am Dienstag dazu knapp: Die Vorlage der Unterlagen an einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sei Sache des jeweiligen Ressorts. Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration habe "dargelegt, dass alle Unterlagen vorgelegt wurden".

Auskunft des Ministeriums bleibt schmallippig

Könnte es sein, dass es im Fluchtministerium Vorgaben gibt, nach denen Chatkommunikationen regelmäßig nach gewisser Zeit gelöscht werden? Auf Nachfrage des WDR gab eine Sprecherin keine Antwort darauf. Sie verwies lediglich auf die Aussage im Brief vom 6. Juni. Alle vorhandenen Kommunikationen der Ministerin innerhalb der fraglichen drei Tage seien "bereits vorgelegt" worden.

FDP fordert lückenlose Aufklärung

Auch für die FDP bleibe so die Frage, "ob nach dem Terroranschlag tatsächlich widerrechtlich Kommunikationsdaten gelöscht wurden", sagte Marc Lürbke, Sprecher der FDP-Landtagsfraktion im Untersuchungsausschuss, dem WDR. "Das Ministerium muss hier lückenlos aufklären und alle relevanten Unterlagen vorlegen." Sollte sich bestätigen, dass Daten gelöscht wurden, wäre das ein schwerwiegender Vorgang, so Lürbke, "der auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen müsste".

Quellen:

  • Brief der NRW-Fluchtministerin an den Untersuchungsausschuss "Terroranschlag vom 23.08.2024", vom 06.06.25
  • Statement von SPD-Obfrau Lisa Kapteinat
  • Statement Sprecherin Fluchtministerium NRW
  • Beobachtung des Untersuchungsausschusses durch WDR Reporter

Über dieses Thema berichtet der WDR am 10.06.2025 auch im Radio: Sendung "Westblick" ab 17.04 Uhr auf WDR5.