
Nordrhein-Westfalen NRW will Möglichkeit für Arrest bei häuslicher Gewalt
Bei häuslicher Gewalt soll es künftig bundesweit die Möglichkeit geben, die potenziellen Täter in Deeskalationshaft zu nehmen. Justizminister Limbach will dazu einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen.
Die Zahlen sind bekannt und schockieren dennoch immer wieder: Jeden Tag werden in Deutschland im Durchschnitt zwei bis drei Frauen oder Mädchen Opfer eines versuchten oder vollendeten Mordes. Gewalt - größtenteils durch Männer - in Beziehungen ist ein drängendes Thema.
"Viele dieser Frauen könnten noch leben", sagte die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh am Dienstag, "wenn die männlichen Täter rechtzeitig präventiv betreut worden wären". Gemeinsam mit ihr stellte NRW-Justizminister Benjamin Limbach einen Gesetzentwurf vor, den das Land im Bundesrat einbringen will. Dessen Ziel: Gewalttätige Partner, die sich trotz gerichtlicher Aufforderung nicht von ihrem Opfer fernhalten, sollen künftig in "Deeskalationshaft" genommen werden.
"Männer in ein neutrales Umfeld bringen"
Zeitlich unbegrenzt könnten beispielsweise Männer, die bereits bedrohlich in Erscheinung getreten sind, "aus dem Hochrisikobereich herausgezogen und in ein neutrales Umfeld gebracht werden", erklärte Saimeh. Beim Thema Stalking gibt es diese Möglichkeit bereits. Minister Limbach will seinen Gesetzentwurf "zur Effektivierung des Gewaltschutzes in Hochrisikofällen" am kommenden Freitag in den Bundesrat einbringen.
Den Gerichten würde so die Möglichkeit gegeben, "die Gewaltspirale schneller zu durchbrechen und rechtzeitig Haft für Wiederholungstäter anzuordnen". Beschließen müsste das im Einzelfall ein Gericht. Voraussetzung wäre, so Limbach, dass grundsätzlich der Verdacht auf eine bereits begangene Straftat und die Gefahr der Wiederholung bestehe.
Anzeichen für Gewaltrisiko

Forensikerin Nahlah Saimeh
Es gebe "klare Risiko-Anzeichen", dass ein Mann in einer Beziehung potentiell gewalttätig werden könne, sagte Forensikerin Saimeh: "Dissoziale Persönlichkeiten" beispielsweise seien gefährdet - Menschen, die leicht reizbar sind und Gewalt als Mittel der Konfliktlösung sehen. Alkohol- und Drogenmissbrauch erhöhten das Risiko ebenfalls.
Risikofälle fänden sich aber ebenso in "normalbürgerlichen" Beziehungen: Beispielsweise, wenn Partner eine "schwer narzisstische" Kränkung erleben – wie die Trennungsabsicht der Frau oder die Ankündigung einer Scheidung.
Bei den "Gründen" für die Tötung einer Frau durch männliche Täter beobachte sie in der Praxis grob drei Kategorien: Einmal die "rächende Bestrafung", bei der die Tötung meist genau geplant sei und der Täter sich bewusst bewaffne. Dann die Fälle, in denen ein scheinbar unerträglicher Konflikt "durch Vernichtung" gelöst werden solle. Dem gehe meist eine "emotionale Spirale" voraus, zum Beispiel heftiger Trennungsschmerz. Und schließlich gebe es die klassische Eifersuchtssituation als Auslöser.
Auch Suizidabsichten können in Mord enden
Anzeichen, dass eine Beziehung tödlich enden könnte, gebe es ebenso viele: Gewalttätigkeit während der Schwangerschaft, das Äußern von Todesfantasien, auch Selbstmordabsichten könnten in einer stressreichen Beziehung ein Warnhinweis sein: "Die Richtung der Energie kann in solchen Fällen auch wechseln." Auch eine übertriebene Kontrolle der Partnerin – Handy, Tagesabläufe, Kontakte – könnten Vorläufer einer Gewalttat sein.
Was es dringend bräuchte, so Psychiaterin Saimeh, sei mehr Aufklärung und Diskussion über "die reife männliche Persönlichkeit". Denn: "Ein wirklich reifer Mann schlägt nicht."
In ihrer Praxis stelle sie fest, dass männliche Gewalttäter sehr häufig kaum Zugang zu den eigenen Emotionen hätten, dass sie ihre Gefühle nicht benennen könnten. "Meist gibt es in solchen Fällen nur zwei Vokabeln: 'geil' und 'scheiße'." Das reiche aber nicht aus, um im Leben gewaltfrei zu bestehen.
Die Aufgabe der "Söhne-Eltern"
Justizminister Limbach hakte an dieser Stelle mit einem persönlichen Statement ein: Als Vater von Töchtern stelle er fest, dass zwar "Töchter-Eltern" meist versuchten, bei ihren Kindern ein Bewusstsein zu schaffen, wie sie sich selber schützen und selbstbewusst auftreten können. "Söhne-Eltern" dagegen machten sich meist gar nicht klar, dass auch sie die Aufgabe hätten, ihre Kinder zu reifen Menschen zu erziehen und damit zu verhindern, "dass Jungs zu Tätern werden".
Über dieses Thema berichtet der WDR am 20.05.2025 auch im Radio: WDR 5 Westblick, 17.04 Uhr.
Unsere Quellen:
- Gesetzentwurf zur Stärkung des Gewaltschutzes in Hochrisikofällen, Justizministerium NRW
- Pressekonferenz des Justizministeriums am 20.05.2025