
Nordrhein-Westfalen Gelsenkirchens Kampf gegen Schrottimmobilien
Die Stadt Gelsenkirchen hat ein Problem mit sogenannten Schrottimmobilien. Einige dieser Gebäude will die Stadt abreißen und Neues schaffen. Am Morgen gab es außerdem eine Razzia.
Die Schaufel eines Abrissbaggers nähert sich einem kleinen Anbau, der vor einer Reihe heruntergekommener Backsteinbauten steht. Wildwuchs und ein Graffiti an der Fassade verleihen dem Gebäude einen Touch "Lost Place". Manche Fenster in den Backsteinbauten sind verhängt, durch eines ist ein weiteres Graffiti zu sehen. An der Fassade bahnen sich Äste ihre Wege. Diese Gebäude am Ahlmannshof stehen leer - und sie sind bekannt, als sogenannte Schrottimmobilien. Jetzt soll die Häuserreihe weg. Die Stadt hat sieben Häuser gekauft und reißt sie nach und nach ab.
Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) sagt, sie würden hier nur verkommen, stattdessen gebe es in der Gegend Bedarf für eine Kindertagesstätte. Die soll in Zukunft hier gebaut werden. Unterstützung bekommt die Stadt vom Land NRW, im Rahmen einer "Zukunftspartnerschaft Wohnen". Staatssekretär Daniel Sieveke aus dem NRW-Bauministerium überreicht einen Förderbescheid: 15 Millionen Euro bekommt Gelsenkirchen für Maßnahmen wie diese. Es gab auch vorher schon mal Geld, davon hat die Stadt 54 "Problemimmobilien" angekauft.
Viel Leerstand in der Stadt

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Ein Abriss wie hier im Ahlmannshof ist eine Option, damit Platz für Neues ist. So soll der Leerstand in Gelsenkirchen behoben werden. Die Stadt kämpft schon lange mit den Folgen der Schwankungen in der Bevölkerung: Auf einen rasanten Wachstum folgte ein Schwund danach, sagt Oberbürgermeisterin Welge. Bei Daniel Sieveke sorgt der Abriss am Ahlmannshof fast schon für nostalgische Gefühle: Während die Schaufel des Baggers nach der Wand greift, erinnert Sieveke daran, dass ein Teil des Films "Der Junge muss an die frische Luft" hier gedreht wurde, in Ruhrgebietskulisse. Und er fügt hinzu: "Da haben Menschen gelebt, gearbeitet, gelacht, geweint", deshalb bedeute jeder Abriss etwas Herzschmerz. Doch der Herzschmerz dürfte schnell vergessen sein, immerhin handelt es sich bei den alten Backsteinbauten um sogenannte Problemimmobilien, die hier in Gelsenkirchen bekannt sind.
Schrottimmobilien als Geschäftsmodell
Schrottimmobilien sind Gebäude, die wegen gravierender Missstände auffallen. Manche dieser Gebäude stehen leer, manche werden bewohnt, teilweise leben dort Menschen unter unwürdigen Bedingungen, manche sogar in ausbeuterischen Verhältnissen. Erst vor Kurzem hatte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas auf ein solches Problem hingewiesen und angekündigt, kriminelle Strukturen zerschlagen zu wollen.
Der Vorwurf: Kriminelle locken Menschen aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland, bieten ihnen Minijobs an und kassieren zusätzlich Bürgergeld ab. Die Migranten lebten häufig unter schlechten Bedingungen.

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Diese Strukturen erkennt auch Karin Welge, ebenfalls SPD, in Gelsenkirchen. Und auch Sebastian Watermeier. Er sitzt für die SPD im Landtag, sein Wahlkreis ist in Gelsenkirchen. "Es ist klar, dass die Schrottimmobilien, die es in Gelsenkirchen und anderen Ruhrgebietsstädten gibt, massiv zurückgebaut werden müssen", so der Abgeordnete. "Sie sind ein Pull-Faktor für eine Zuwanderung aus Südosteuropa, die von skrupellosen Geschäftemachern als Geschäftsmodell mit hoher krimineller Energie teilweise betrieben wird."
Kontrollaktion in vier Gebäuden
In der Sache sind sich alle einig, auch Staatssekretär Sieveke. Aus Sicht des Ministeriums wünsche man sich aber, dass den Worten der Bundesministerin auch Taten folgen - vielleicht auch mit finanzieller Unterstützung. Das NRW-Bauministerium ist jedenfalls heute auch der Sicherheitskooperation Ruhr beigetreten, um kriminelle Clanstrukturen zu zerschlagen.
Erst am frühen Morgen gab es zudem einen Einsatz, bei dem vier Gebäude kontrolliert wurden. Unter Verdacht standen Verstöße gegen Wohn- und Meldevorschriften. Die Behörden werden in einigen Fällen die Nutzung untersagen, so viel ist bereits klar. Ob es auch um Sozialleistungsbetrug ging, wird sich noch zeigen.
Am Ahlmannshof geht es derweil weiter mit den Abrissarbeiten. Der Bagger kämpft sich durch die Ziegelwände, Staub wirbelt auf. In Zukunft soll hier eine Kita stehen. Und Staatssekretär Sieveke ist sicher: "Gelsenkirchen hat Zukunft."
Unsere Quellen:
- Reporterin vor Ort
- Interview mit Oberbürgermeisterin
- Interview mit Staatssekretär
- Interview mit Abgeordnetem
- Pressemitteilung