
Nordrhein-Westfalen Freisprüche im Fall Dramé: Bundesgerichtshof muss über Revision entscheiden
Nach den Freisprüchen gegen fünf Polizisten im Dezember 2024 haben Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihre Revision begründet.
Ein halbes Jahr ist das Urteil im Fall Mouhamed Dramé her. Fünf Polizisten saßen wegen eines umstrittenen Polizeieinsatzes, bei dem der Jugendliche von einem Polizisten erschossen wurde, auf der Anklagebank. Das Landgericht Dortmund sprach nach einem einjährigen Prozess alle Angeklagten frei.
Jetzt liegen 400 Seiten auf dem Tisch der Dortmunder Anwältin Lisa Grüter. Sie hat die Angehörigen von Mouhamed Dramé als Nebenkläger vertreten. Die 400 Seiten sind die Revisionsbegründung, die sie an den Bundesgerichtshof geschickt hat. Das soll das Urteil nochmal überprüfen. Grüter und die Angehörigen sind mit dem Urteil nicht einverstanden gewesen.
Was war passiert?
Im August 2022 hockte Mouhamed Dramé mit einem Messer einer Dortmunder Jugendeinrichtung. Der Jugendliche aus dem Senegal richtete das Messer gegen seinen Bauch. Die Polizei wurde gerufen. Beamte in Zivil sprachen Dramé an - ohne Reaktion.
Der Einsatzleiter gab den Befehl, Dramé mit Pfefferspray einzusprühen. Als Folge daraus erhob sich der Jugendliche und begab sich in die einzige Fluchtrichtung, nämlich in Richtung der Polizisten. Die schossen mit Tasern und einer Maschinenpistole auf Dramé.
Erste Aussagen der Angeklagten laut Gericht nicht verwertbar

Das Gericht um den Vorsitzenden Kelm hatte die Aussagen mit einem Verwertungsverbot belegt
Mehrere Zeugen sagten im Prozess aus, dass der Jugendliche nicht ansprechbar gewesen sei. Doch Anwältin Grüter zweifelt daran. Es gab nämlich auch Zeugenaussagen, die etwas anderes schilderten. Nämlich die Aussagen der späteren Angeklagten. Zu Beginn der Ermittlungen waren diese jedoch als Zeugen und nicht als Beschuldigte mit der entsprechenden Belehrung vernommen worden. Das Gericht belegte deshalb ihre ersten Aussagen mit einem Verwertungsverbot.

Nebenklageanwältin Lisa Grüter mit Sidy und Lassana Dramé nach dem Urteil
Dadurch wäre die Darstellung, dass Dramé durchaus reagierte, nicht entsprechend gewürdigt worden, so Grüter. Dramé habe nämlich reagiert: "Das hätte zur Folge gehabt, dass man den Pfeffersprayeinsatz hätte androhen müssen. Dass man ihn dazu auffordern müsste, das Messer wegwerfen." Das sei aber nicht erfolgt.
"Das hatte zur Folge, dass man annimmt, dass das Verhalten der Einsatzkräfte gerechtfertigt war", so Grüter.
Anwältin: "Man hätte die Beamten nicht freisprechen dürfen"
"Und wenn all das erforderlich gewesen wäre, weil man davon ausgeht, dass Mouhamed es gehört und wahrgenommen hätte und sein Verhalten vielleicht auch angepasst hätte, nämlich das Messer weggelegt hätte, dann hätte man die Beamten nicht freisprechen dürfen", erklärt die Anwältin.

Auch Oberstaatsanwalt Dombert hat Revision eingelegt
Grüter hat gegen die Freisprüche aller fünf Polizisten Revision eingelegt. Auch die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt - allerdings nur gegen den Freispruch des Einsatzleiters. Sie hatte für ihn eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten gefordert. "Uns hat die mündliche Urteilsbegründung, was den Freispruch des Dienstgruppenleiters anbetrifft, nicht überzeugt. Und wir halten unsere Anträge auf Verurteilung für gerechtfertigt und haben deshalb Revision eingelegt", so Oberstaatsanwalt Carsten Dombert im Dezember im WDR-Interview.
Entscheidung des BGH könnte Monate dauern
Der Bundesgerichtshof kann die Revision ablehnen oder entscheiden, das Urteil des Landgerichts Dortmund aufzuheben. Die Entscheidung darüber kann Monate dauern.
Unsere Quellen:
- Anwältin Lisa Grüter
- Oberstaatsanwalt Carsten Dombert
- Gerichtsverhandlung vor dem Dortmunder Landgericht
- Recherchen des WDR