
Nordrhein-Westfalen Amoktat von Graz: Ergebnis eines laxen Waffenrechts?
Nach dem Amoklauf in Graz mit elf Toten steht das liberale Waffenrecht in Österreich in der Kritik. Wie sieht es bei uns aus?
Hätte der Amoklauf in einer Schule in Graz am Dienstag verhindert werden können, wenn das Waffenrecht in Österreich weniger liberal wäre? Auch wenn eine Antwort auf solche hypothetischen Fragen schwierig ist: Nach der Ermordung von zehn Menschen und dem Suizid des 21 Jahre alten Täters mehren sich auch in unserem Nachbarland die Stimmen, die den Waffenbesitz von Privatpersonen strenger handhaben wollen.
Klar ist, dass der Amokschütze die Pistole und die Schrotflinte, mit denen er in seinem ehemaligen Klassenzimmer ein Blutbad anrichtete, völlig legal besaß. Nach Angaben der österreichischen Polizei hatte der junge Mann eine Waffenbesitzkarte, wie sie für den Besitz einer Pistole zwingend nötig ist. Das heißt, er hatte nicht nur einen sogenannten Waffen-Führerschein erworben - durch eine theoretische und praktische Schulung -, sondern auch einen psychologischen Test erfolgreich bestanden.
Österreicher sind schwer bewaffnet
Besonders streng gehen die österreichischen Behörden bei der Erteilung von Waffenbesitzkarten offenbar nicht vor. Anders ist kaum zu erklären, dass österreichische Bürger im internationalen Vergleich so schwer bewaffnet sind. Nach den Zahlen des internationalen Rechercheprojekts "Small Arms Survey" entfallen dort rund 30 Schusswaffen auf 100 Personen. Höhere Zahlen gibt es in Europa nur in den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens sowie in Finnland und Zypern. In Deutschland gibt es der Studie zufolge nur knapp 20 Schusswaffen pro 100 Einwohner.
Tatsächlich ist in Österreich Privatleuten nur der Zugang zu schweren Waffen wie Maschinengewehren oder Pumpguns mit wenigen Ausnahmen streng verboten. Der Zugang zu einer Pistole oder einem Revolver ist hingegen vergleichweise leicht: Wer über 21 Jahre ist, keine Vorstrafen und einen festen Wohnsitz hat sowie nachweislich mit Waffen umgehen kann, muss nur noch ein psychologisches Gutachten vorlegen. Darin wird dem Antragsteller attestiert, dass er auch unter psychischem Druck nicht dazu neigt, mit Waffen "unvorsichtig" oder "leichtfertig" umzugehen.
Jagdwaffen müssen nur registriert werden
Anders als zum Beispiel in Deutschland ist auch keine strenge Überprüfung vorgesehen, ob der Antragsteller die Waffe aufgrund einer konkreten Gefährdung seiner Person wirklich dringend braucht. In der Regel genügt es anzugeben, dass man sich zum Zweck der Selbstverteidigung innerhalb der eigenen Wohnung bewaffnen möchte. Noch einfacher ist der Genehmigungsprozess für Jagdwaffen wie Büchsen und Flinten. Hier ist überhaupt keine besondere Erlaubnis notwendig. Besitzer müssen die Waffen in der Regel nur registrieren lassen.
Deutsches Waffenrecht immer wieder verschärft

Trauer in Graz
Im Vergleich zum Nachbarland ist das deutsche Waffenrecht in den vergangenen Jahren - auch als Reaktion auf blutige Gewalttaten wie dem Terroranschlag von Hanau - immer wieder verschärft worden. Unter anderem müssen die zuständigen Behörden nicht nur überprüfen, ob der Antragsteller ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen kann, sondern es erfolgt auch eine Abfrage bei den Gesundheitsämtern, ob Hinweise auf eine psychische Erkrankung vorliegen.
Wer Waffen nicht nachweislich für die Jagd oder den Schützenverein braucht, muss zusätzlich seinen Bedarf ausführlich begründen. Der lapidare Hinweis, man wolle sich und sein Zuhause gegen hypothetische Bedrohungen schützen, reicht nicht aus.
Selbst der Besitz sogenannter "Anscheinswaffen" wie Schreckschusspistolen ist mittlerweile reglementiert. Wer solche Waffen im öffentlichen Raum tragen will, benötigt seit einigen Jahren einen "Kleinen Waffenschein". In Österreich gibt es keine Entsprechung zu diesem Dokument.
Der leichtere Zugang dürfte einer der wichtigsten Gründe sein, dass die Zahl der registrierten Waffen in Österreich weit höher liegt als bei uns. Zum Vergleich: Das Bundesland Steiermark, Schauplatz des jüngsten Amoklaufs, hat rund 1.270.000 Einwohner, auf die etwa 210.000 Waffen registriert sind. In Nordrhein-Westfalen mit seinen mehr als 18 Millionen Einwohnern sind es nur rund 837.000.
Unsere Quellen:
- Small Arms Survey
- Österreichische Bundesverwaltung
- Bundesinnenministerium
- Nationales Waffenregister
- Deutsche Presse Agentur