Eine Frau steht lächelnd neben einem großen Bücherregal. Sie trägt ein schwarzes Oberteil und dunkle, schulterlange Haare.

Mecklenburg-Vorpommern "Wer im Moor lesen kann, erkennt die Geschichte der Landschaft"

Stand: 09.06.2025 06:00 Uhr

Die Landschaftsökologin Franziska Tanneberger sieht das Moor als Archiv, aus dem man die Geschichte der Landschaft herauslesen kann. Wie Moore funktionieren und was sie so einzigartig machen, erzählt sie im Interview bei NDR Kultur à la carte.

Moore sind besondere Naturlandschaften: Gebiete, die dauernd feucht, kühl und nass sind, in denen ständiger Wasserüberschuss herrscht oder Wasser gespeichert werden kann. Das ist ihr Markenzeichen. Dann sind sie intakt, dann können in diesem ganz eigenen Lebensraum seltene Arten existieren. Aber Moore selbst sind gefährdet: Moorlandschaften verkleinern sich durch Versiegelung, Zersiedelung, durch die gravierenden Folgen des Klimawandels.

Franziska Tanneberger leitet das Greifswald Moor Centrum und arbeitet an der Revitalisierung von Mooren. Für ihre Arbeit wurde die Landschaftsökologin 2024 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Martina Kothe hat mit Franziska Tanneberger über die Magie des Moores gesprochen.

Was macht ein Moor aus? Welche Bestandteile müssen in einer Landschaft sein, damit man sie Moor nennt?

Tanneberger: Wenn wir zurückgehen bis zur Entstehung des Moores, sind es mehrere Komponenten. Da ist das Wasser, aber natürlich sind es auch Pflanzen, die dort wachsen. Ohne Pflanzen und Wasser gäbe es kein Moor. In der Landschaft muss das beides dann in bestimmten Stellen zusammenkommen. An den Küsten hat man solche Bedingungen, dort gibt es Überflutungen, beispielsweise entlang der Flüsse. Es gibt außerdem die Hangmoore dort wo es viel regnet und es gibt einen Wasserüberschuss. Diese Moore kommen an bestimmten Bereichen in Gebirgen vor. Überall dort können Moore entstehen.

An Mooren siedeln sich Pflanzen an, bei denen Torfbildung passiert. Der ganze Trick eines Moores ist, dass die Pflanzen Photosynthese betreiben wie überall auf der Welt. In der Regel wird aber dieses Material, was aus dem aufgenommenen CO2 gebildet wird und zu großen Teilen aus Kohlenstoff besteht, im Jahresverlauf wieder zersetzt. Es geht wieder in die Atmosphäre, es gibt einen Kreislauf. Dieser Kreislauf ist in den Mooren unterbrochen, weil mehr im Boden bleibt, als wieder rausgeht. Das machen diese Pflanzen über ihre unterirdischen Teile, die unteren Teile der Moose oder eben die Wurzeln. Die Pflanzen haben in der Regel im Boden große Wurzelgeflechte und -systeme, die jedes Jahr auch weiterwachsen. Dieses Material bleibt langfristig in einem Moor erhalten, weil es vom Wasser wie mit einer Schutzglocke bedeckt wird und sich nicht weiter zersetzt und abbaut. Damit können die Moore immer weiter in die Höhe wachsen, natürlich nicht unendlich weit.

Die Moore in Deutschland haben sich nach der letzten Eiszeit gebildet, und viele davon konnten schon Schichten von etwa zehn Metern Torf aufbauen. Man muss sich vorstellen, man steht in so einem Moor, das vielleicht ganz unscheinbar aussieht. Da ist zum Beispiel eine grüne Wiese drauf, aber unter einem sind zehn Meter von dem Torf, der über die letzten Jahrtausende gebildet wurde. Was spannend ist: In einem Moor ist nicht nur viel Kohlenstoff, sondern es ist auch ein Archiv. Wer darin lesen kann, der kann in der Geschichte der Landschaft lesen.

Im Klappentext Ihres Buches steht, dass Sie zunächst an der Uni Greifswald Landschaftsökologie und Naturschutz studiert haben. Dann haben Sie sich auf die Moorforschung spezialisiert, weil Sie die Menschen mochten, die sich mit den Mooren beschäftigt haben. Was sind denn das für Menschen?

Franziska Tanneberger: Das ist eine schöne Frage. Das erste Wort, was mir entfällt, ist "fröhlich". Ich habe sehr viele fröhliche Menschen in meinem Arbeitsumfeld. Das war auch damals während des Studiums und meiner Ausbildung der Punkt, dass ich mich zu der Lebenshaltung bestimmter Menschen, die sich mit Mooren beschäftigten, hingezogen gefühlt habe. Aber immer auch in Verbindung damit, genau hinzugucken, was passiert da eigentlich. Das ist auch das Kerngeschäft von Wissenschaftlern. Wir wollen Dinge ganz genau wissen. Wir bohren nach und messen, messen nochmal und vergleichen. Diese Kombination geht mit einer gewissen Fröhlichkeit und positiven Haltung einher. Spannend fand ich auch, genau zu erforschen, wie es um Moore steht. Das hat mich in meinem Studium geprägt. Später habe ich viele Menschen kennengelernt, die in Moorlandschaften und in Moorregion leben und zum Teil auch über ihre Familien schon sehr lange mit diesen Landschaften verbunden sind. Das hat mich begeistert, weil das auch bestimmte Themen, Bilder, Hoffnungen und Ängste sind, die über viele Generationen auch weitergegeben wurden und zu uns hier in Deutschland gehören. Obwohl wir doch relativ selten über Moore nachdenken und reden.

Sie haben gesagt, diese Geschichten der Moore gehören zu uns. Auf der Karte, die in Ihrem Buch abgedruckt ist, sieht man, dass vor allem in Norddeutschland, speziell in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern die meisten Moorgebiete sind, oder?

Tanneberger: Ja, das ist so. Das ist lustigerweise ein bisschen wie auf dem Globus. Wir haben die weißen Moore im Norden, das sind in Deutschland die vier Nord-Bundesländer. Dann haben wir aber auch mooreiche Regionen in Bayern und Baden-Württemberg. In den Bundesländern dazwischen kommen auch Moore vor, aber in geringerer Zahl. So ist es letztlich auch weltweit. Wir haben auf der Weltkugel die allermeisten Moore ganz im Norden, aber auch noch mal wieder im Süden der Erde: Südafrika, Neuseeland, Tasmanien, Südgeorgien. Dazu kommt dann noch ein tropischer Moorgürtel, den wir in Deutschland allerdings nicht haben.

Sie schreiben, es gebe Quellmoore, Hangmoore, Versumpfungsmoore Verlandungsmoore, Überflutungsmoore, Überrieselungsmoore, Durchströmungsmoore, Kesselmoore, Übergangsmoore und Regenmoore. Das ist eine ganz große Bandbreite. Ich fand diese Namen so toll. Ich habe sie mir gleich rausgeschrieben.

Tanneberger: Ich finde, dass diese Namen der Moore auch die Fantasie anregen. Jeder hat auch was anderes im Kopf. Bei einem Kesselmoor zum Beispiel, stellt man sich vielleicht vor, dass es eine tiefe Senke gibt, in der ein Moor drin liegt. Ich finde es schön, dass solche Namen auch gleich Assoziationen hervorrufen.

Das Gespräch führte Martina Kothe. Einen Ausschnitt davon lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie oben auf dieser Seite und in der ARD Audiothek hören.

Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 09.06.2025 | 13:00 Uhr