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Mecklenburg-Vorpommern Systemwechsel: Erst zum Hausarzt, dann zum Facharzt

Stand: 11.06.2025 10:31 Uhr

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will einen Systemwechsel: Künftig sollen Patienten stets zuerst zum Allgemeinmediziner gehen. Nach dem Check-up entscheidet dieser, ob die Beschwerden von ihm behandelt werden oder ein Facharztbesuch notwendig ist.

Von Michaela May

Wer schon mal versucht hat einen Termin zum Beispiel bei einem Hautarzt oder einem Orthopäden zu bekommen, der kennt das Spiel: Viele Anrufe sind nötig, bis man überhaupt durchkommt und dann bietet einem das Praxisteam einen Behandlungstermin Wochen oder gar Monate später an. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will deshalb einen Systemwechsel: Zukünftig sollen Patienten zuerst zum Allgemeinmediziner gehen. Nach dem Check-up beim Hausarzt entscheidet dieser, ob die Beschwerden in seiner Praxis behandelt werden können oder ob ein Facharztbesuch notwendig ist. Erst dann gibt es eine Überweisung zu einem Spezialisten. Damit sollen Patienten gezielter behandelt werden.

Hausarzt als Lotse

Landesgesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) unterstützt die Pläne aus Berlin. Zur Zeit gebe es keinerlei Steuerung im deutschen Gesundheitswesen, das könne nicht so bleiben. In Mecklenburg-Vorpommern gehe jeder Einwohner statistisch acht Mal pro Jahr zum Arzt, 13 Millionen Behandlungsfälle seien es pro Jahr. Vielfach irrten Patienten durch die Praxen, das binde Ressourcen, verursache hohe Kosten und gebe vielen das Gefühl, die Versorgung sei schlecht. "Dabei wissen Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner am besten, welche Behandlung die beste ist und wer diese am besten durchführen kann", sagt Drese. "Wir brauchen also ein hausarztzentriertes Versorgungssystem mit dem Hausarzt als Lotsen."

Fachärzte hoffen auf Entlastung

Die Vertretung der Ärzte, die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV), sieht viele Vorteile im Hausarztsystem. Die Vorstandsvorsitzende Angelika von Schütz hatte fast 30 Jahre lang eine HNO-Praxis in Grimmen. Oft habe sie Patienten gehabt, bei denen sie sich gefragt habe, warum sie in eine Facharztpraxis gingen. Nicht jeder Infekt sei ein Fall für den Spezialisten. Sie verspricht sich vom neuen System eine Entlastung, Fachärzte könnten so mehr Zeit für wirklich schwierige Fälle haben. 

Hausärzte - was kommt auf sie zu?

Vereinzelt gibt es aber auch Kritik. Der Landtagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher Thomas Jesus de Fernandes (AfD) findet, das Hausarztmodell schränke die freie Arztwahl ein, zudem seien die Hausarztpraxen im Land ohnehin schon überlastet. Der Allgemeinmediziner Tilo Schneider, ebenfalls im Vorstand der KVMV, sieht das nicht so: Schon heute sei es in Mecklenburg-Vorpommern ohnehin vielfach üblich, dass Patienten zuerst zum Hausarzt gingen. Natürlich führe das neue System zu mehr Arbeit bei den Allgemeinmedizinern, Praxen müssten sich neu organisieren, medizinisches Fachpersonal geschult, Aufgaben neu verteilt werden. Er hält das aber für umsetzbar. Der Reformbedarf, sagt Schneider, sei allen bewusst.

Mehr Beachtung für den ländlichen Raum

Problematischer finden die Ärztevertreter ganz andere Punkte: So soll es zukünftig eine gesetzliche Termingarantie beim Facharzt geben. Ist kein ambulant tätiger Spezialist verfügbar, gibt es eine Überweisung in ein Krankenhaus. Nur gebe es in den Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern nicht immer alle Fachrichtungen. Lange Fahrzeiten seien dann nötig. Daran sehe man, dass die Bundesregierung vom Angebot in Großstädten und Ballungsgebieten ausgehe, sagt KVMV-Vorständin von Schütz, nicht aber die Lage in den ländlichen Gebieten im Blick habe. Deshalb wünsche man sich regionale Spielräume. Wann das neue Hausarztsystem kommt, das ist noch ungewiss. Die Verhandlungen in Berlin sollen demnächst starten. 

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Nordmagazin | 11.06.2025 | 19:30 Uhr