
Mecklenburg-Vorpommern "Sachorientierte Zusammenarbeit" mit AfD: Keine Brandmauer mehr in Sassnitz
Ob auf Bundes-, Landes-, oder Kommunalebene: Offiziell gilt die Zusammenarbeit mit der AfD als Tabubruch. Jedoch kommt es immer häufiger vor, dass Kommunalpolitiker für Personen oder Anträge der AfD stimmen. In Sassnitz fordern Kommunalpolitiker unterschiedlicher Parteien öffentlich das Ende der Brandmauer. Ist die Abgrenzung zur AfD noch zu halten?
Ein Geschäftsordnungsantrag zur Änderung der Sitzungszeiten eines Kommunalparlaments wäre höchstens eine Randnotiz, wenn er nicht von Vertretern der AfD eingebracht und mit parteiübergreifender Mehrheit beschlossen worden wäre. So ist es Anfang April 2025 in der Sassnitzer Stadtvertretung geschehen. Die 17 anwesenden Mitglieder des Kommunalparlaments votierten einstimmig dafür, dass zukünftige Stadtvertretersitzungen möglichst nach vier Stunden beendet werden sollten.
Keine Zusammenarbeit mit AfD auf Bundesebene
Inhaltlich befasst sich dieser AfD-Antrag mit parlamentsinterner Organisation, die über die Stadtvertretung hinaus keine Auswirkungen hat. Doch politisch ist das Abstimmungsverhalten der Stadtvertreter äußerst brisant. Im Bund lautet das überparteiliche Credo von links bis zur Union: Keine Zusammenarbeit mit der AfD. Was als 'Zusammenarbeit' gilt, wird von den verschiedenen Parteien unterschiedlich deutlich formuliert. So störten sich zum Beispiel SPD, Linke und Grüne im Januar 2025 daran, dass Friedrich Merz für seinen Fünf-Punkte-Migrationsplan erstmals Stimmen der AfD in Kauf nehmen wollte. Die Welle der Entrüstung war groß.
Zustimmung zu AfD-Anträgen: "Kein schlechtes Gewissen" bei SPD-Vertreter
Auf kommunaler Ebene stört man sich weniger bis gar nicht an gemeinsamen Abstimmungen. "Ich habe da auch kein schlechtes Gewissen. Bei mir muss immer eines beachtet werden: Takt und Anstand muss da sein", sagt Norbert Benedict (SPD). Für den Sassnitzer Stadtpräsidenten gehe es um den Inhalt des Antrages und nicht darum, aus welcher Fraktion er gestellt werde.
Mit seiner Einstellung ist Sozialdemokrat Benedict nicht allein. Stadtvertreter-Kollegin Christine Zillmer (CDU) sieht ebenfalls keinen Anlass an einem AfD-Zusammenarbeitsverbot festzuhalten: "In unserer Region haben sich über 50 Prozent für die AfD entschieden. Ich weiß nicht, wo Herr Merz diese Aussage hernimmt, dass diese Brandmauer weiter besteht." Für Zillmer, die seit der vergangenen Kommunalwahl für ein Wählerbündnis in der Stadtvertretung sitzt, ist die von Friedrich Merz beschworene Brandmauer zur AfD "keine gelebte Politik am Menschen." Deutliche Worte.
Wichtiger Schritt für AfD
Für den Sassnitzer AfD-Fraktionsvorsitzenden Tommy Thormann ist die Bereitschaft für eine Zusammenarbeit ein wichtiger Schritt. Auf kommunaler Ebene seien die Verhältnisse sowieso andere als in der Bundes- oder Landespolitik. "Nicht umsonst wurde ich zum stellvertretenden Stadtpräsidenten gewählt", bekräftigt Thormann. Von einer Brandmauer merke man nicht nur in Sassnitz wenig. Laut Thormann stimmten im Kreistag Vorpommern-Rügen "regelmäßig" Vertreter anderer Fraktionen den Anträgen der AfD zu. Im Jahr 2019 warf der Verfassungsschutz Thormann Geschichtsrevisionismus vor. Thormann sieht seine Partei auf kommunaler Ebene integriert.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Nordmagazin | 25.04.2025 | 19:30 Uhr