Der Künstler Günther Uecker sitzt im Schweriner Dom. Uecker, einer der wichtigsten deutschen Nachkriegskünstler, ist tot. Uecker starb am 10.06.2025 im Alter von 95 Jahren, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld der Familie erfuhr.

Mecklenburg-Vorpommern Nagelkünstler Günther Uecker mit 95 Jahren gestorben

Stand: 11.06.2025 12:07 Uhr

Der Maler und Objektkünstler Günther Uecker ist tot. Uecker starb am frühen Dienstagabend im Alter von 95 Jahren, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld der Familie erfuhr. Zuletzt gestaltete der gebürtige Mecklenburger vier Glasfenster für den Schweriner Dom.

Der international bekannte Nagelkünstler hatte nach Angaben aus dem Umfeld der Familie vor seinem Tod in der Düsseldorfer Uniklinik gelegen. Er sei im Kreis von Familie und Freunden gestorben.

Reaktionen auf Tod von Uecker

Die Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, hat mit Trauer und tiefer Dankbarkeit für dessen Wirken auf den Tod von Günther Uecker reagiert. Als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Nachkriegsmoderne sei er seiner mecklenburgischen Heimat stets eng verbunden geblieben. So habe er noch im hohen Alter vier große blaue Glasfenster für den Schweriner Dom geschaffen, deren Fertigstellung im Dezember 2024 noch mit ihm gemeinsam festlich begangen wurde. Mit diesem Werk lebe ein bleibendes Zeugnis seiner Kunst und seines Glaubens im Schweriner Dom weiter. 

"In großer Dankbarkeit für seine Verbundenheit mit dem Schweriner Dom bin ich in Trauer und Mitgefühl bei seiner Familie und allen, die um ihn trauern. Im Schweriner Dom, der Teil des Schweriner Weltkulturerbe-Ensembles ist, wird ein besonders eindrückliches Werk dieses Künstlers von Weltrang weiter und beständig zu sehen sein und mit ihm und seiner Kunst verbinden", betonte die Landesbischöfin. 

Und auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) würdigte dem verstorbenen Künstler Günther Uecker. Er sei einer der "wichtigsten und einflussreichsten Künstler der deutschen Nachkriegsgeschichte", erklärte Wüst in Düsseldorf. "Günther Uecker wird in Erinnerung bleiben - als Maler und Objektkünstler und als großer Kulturschaffender, dessen Werke jede und jeden Einzelnen bewegen." Mit seinem Lebenswerk habe er Generationen junger Künstlerinnen und Künstler beeinflusst.

Uecker kommt gebürtig aus Kreis Ludwigslust-Parchim

Geboren wurde Uecker als Sohn eines Bauern am 13. März 1930 in Wendorf im heutigen Landkreis Ludwigslust-Parchim. Auf der Halbinsel Wustrow bei Rerik verbrachte er seine Kindheit. Nach dem Krieg studierte Uecker erst in Wismar, Mitte der 1950er-Jahre kam er nach Düsseldorf an die Kunstakademie, wo er blieb und später auch Professor wurde.

Bei Uecker wurden Nägel sinnlich

Günther Uecker bereitete dem Nagel den Weg in die Kunstgeschichte. Jahrzehntelang hämmerte er Zimmermannsnägel in Stühle, Klaviere, Nähmaschinen und natürlich Leinwände. Bei Uecker wurden Nägel sinnlich. Uecker war Mitbegründer der weltweit berühmten ZERO-Gruppe.

Ueckers großformatige Nagelreliefs hängen heute in den großen Museen der Welt und den politischen Machtzentralen Deutschlands. Für Uecker waren die Nagelbilder immer auch tagebuchähnliche Seelenlandschaften, die er "Empfindungswerte aus der Zeit" nannte. Seine Reliefs mit den eng gehauenen Nägeln erinnern an wogende Gräser oder Ähren. Für Uecker waren sie auch "Ausdruck der poetischen Kraft des Menschen".

Universaler Weltkünstler mit Friedensbotschaft

Uecker war ein universaler Weltkünstler. Mit einer humanitären Friedensbotschaft reiste er um die Welt, durfte auch in Diktaturen und totalitären Staaten ausstellen. "Mit Offenheit dem zu begegnen, was mich zutiefst befremdet" - das war Ueckers Quelle der Inspiration. 

Ausgebildet wurde Uecker in der DDR zum Reklamegestalter und musste einst ein 20 Meter hohes Stalin-Bild malen. "Ich wurde im dialektischen Materialismus gehirngewaschen", sagte Uecker einmal. Im Jahr 1957, da war Uecker schon im Westen, griff er erstmals zum Nagel. Mit dem aggressiven Akt des Nagelns wies er fortan auch auf die Gewalttätigkeit des Menschen hin.

Dichter Majakowski inspiriert Uecker

Eine Erklärung findet man in Ueckers Biografie. Aus Angst vor der heranrückenden Sowjetarmee habe er am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 das Haus verbarrikadiert und von innen zugenagelt, um seine Mutter und die Schwestern zu schützen, sagte Uecker einmal. Künstlerischer Auslöser für den Einsatz des Nagels aber war für ihn die Revolutionslosung des sowjetischen futuristischen Dichters Wladimir Majakowski, Poesie werde "mit dem Hammer gemacht".

Tschernobyl, Peking, Reichstag - Ueckers Werk ist hochpolitisch

Uecker malte Aschebilder nach der Tschernobyl-Katastrophe, kämpfte für das indigene Volk der Navajo und stellte auf Stoffe gemalte Menschenrechtsbotschaften in Peking aus. Hochpolitisch sind Ueckers Werke wie etwa die "Verletzungswörter". Uecker malte Worte der Gewalt, des Tötens und des Quälens in vielen Sprachen und fremden Schriften auf große Leinwände – die Sprachgemälde wurden poetisch. Auch aufsehenerregende Bühnenbilder gehören zu Ueckers Werk, ebenso wie der Andachtsraum im Berliner Reichstag. Hunderte von Nägeln durchbohren dort ein Kreuzmotiv.

Bis ins hohe Alter arbeitete Uecker in seinem Atelier in einem Speicher in seiner Wahlheimat Düsseldorf, umgeben von seinem kleinen "Familienbetrieb" - seiner Frau Christine und Sohn Jacob. Noch vor wenigen Wochen hatte er eine anstrengende Flugreise in die mittelasiatische Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan unternommen, wo er eine Ausstellung hatte.

"Lichtbogen" im Schweriner Dom im Dezember eingeweiht

Erst im vergangenen Dezember wurde im Schweriner Dom Ueckers Werk "Lichtbogen" mit einem Festakt eingeweiht - die letzten zwei von insgesamt vier blauen Glasfenstern, die der Künstler für den Dom gestaltet hat. Durch insgesamt rund 62 Quadratmeter leuchten intensive Verläufe von Blau durch das Sonnenlicht.

Uecker, der ruhige, freundliche Künstler, trug zumeist weiße Maleranzüge, Latzhosen mit wallenden Capes darüber. "Es ist ja vielleicht noch eine gewisse Prägung aus der DDR, mich als Handwerker zu sehen und nicht als einen Intellektuellen, der sich was ausdenkt und dann geht der ins Atelier, versaut seine Klamotten und wird ein Künstler", so erklärte er diese Angewohnheit.

Mit Gerhard Richter Kunsthalle Baden-Baden besetzt

Uecker hatte auch einen Sinn für Happenings: 1968 "besetzte" er mit Gerhard Richter die Kunsthalle Baden-Baden, beide gaben sich vor der Kamera Küsschen. Vom Image des ZERO-Künstlers kam Uecker ebenso wenig los wie von dem des Nagelkünstlers.

In einem Atemzug wurde sein Name mit Heinz Mack und Otto Piene genannt. Die drei hatten als junge Künstler Anfang der 1960er-Jahre die nur wenige Jahre existierende Avantgarde-Gruppe ZERO gebildet, die mit ihrer puristischen Ästhetik einen Neuanfang in der Kunst nach dem Krieg suchte. Piene starb im Sommer 2014. Nun muss die Kunstwelt auch Abschied von Uecker nehmen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Info | Kultur | 11.06.2025 | 06:55 Uhr