
Mecklenburg-Vorpommern Ex-Vorstand der Klimastiftung: Sollten Nord Stream 2 nicht aufgeben
Mit Werner Kuhn und Harry Glawe haben zwei CDU-Politiker vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Schwerin ausgesagt. Beide waren Unterstützer der Ostseepipeline Nord Stream 2. Kuhn hält die Zukunft des Projekts weiter für offen.
Als Werner Kuhn für die CDU von 2009 bis 2019 im Europaparlament saß, arbeitete er unter anderem an der europäischen Gasrichtlinie und setzte sich für den Bau von Nord Stream 2 ein. Doch die Ostseepipeline wurde nicht nur von den Osteuropäern in der EU abgelehnt, auch in der eigenen Fraktion wurde das Projekt zunehmen scharf kritisiert. Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), verkündete schließlich in einem Interview, dass es mit ihm keine Ostseepipeline geben werde. Da sei ihm bewusst gewesen, dass er es wohl nicht erneut ins Europaparlament schaffen würde, erzählte Kuhn am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags Mecklenburg-Vorpommerns, in dem es um Nord Stream 2 und die umstrittene Klimastiftung MV geht. Doch sein Engagement für die Pipeline konnte Kuhn jenseits von Brüssel fortsetzen: Er wurde im Januar 2021 Vorstandsmitglied jener Stiftung, die auch gegründet wurde, um die Fertigstellung von Nord Stream 2 sicherzustellen. Ein glücklicher Zufall sei das gewesen, so der Ex-Europapolitiker.
Kuhn: Nord Stream 2 nicht aufgeben
Er habe im Vorstand der Klimastiftung "kongenial" mit Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und der Greifswalder Unternehmerin Katja Enderlein zusammengearbeitet. Allerdings habe im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Stiftung die Nord Stream 2 AG die Federführung gehabt. Kuhn wusste nicht einmal, wo der von Nord Stream eingesetzte Geschäftsführer sein Büro hatte und wer dessen Mitarbeiter waren. Natürlich habe der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Konsequenzen gehabt für das Projekt, der Stiftungsvorstand habe im Februar 2022 sofort jede Zusammenarbeit mit Nord Stream 2 eingestellt. Dann kamen noch die Anschläge auf die Pipelines im Herbst des gleichen Jahres dazu. Doch deren Zukunft hält Kuhn - im Gegensatz zu vielen in seiner eigenen Partei - im Interview mit dem NDR noch nicht für entschieden. "Wir wissen nicht, wie sich die politischen Verhältnisse in der Russischen Föderation möglicherweise verändern werden", sagt Kuhn, "aber dass wir dieses Projekt gleich ganz aufgeben, da wäre ich nicht dafür".
Kuhn "total überzeugt" vom technischen Projekt Ostseepipeline
Außerdem gebe es die technische Möglichkeit, die beschädigten Pipeline-Stränge von Nord Stream 1 und 2 zu reparieren und zu revitalisieren. "Noch sind uns nicht alle Felle davongeschwommen", meint Kuhn, der auch ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Roten Kreuzes in Mecklenburg-Vorpommern ist. Das klingt ähnlich wie die Äußerungen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der wieder Gas aus Russland beziehen und damit Putin zu Friedensverhandlungen ermuntern will. Kuhn ist da zwar skeptisch, aber für möglich hält er diese Option schon. Vor allem ist er "total überzeugt" von der Zukunft des technischen Projekts Nord Stream 2. Damit stellt er sich allerdings gegen seinen Parteifreund und Kanzler Friedrich Merz, der angekündigt hat, die Ostseepipeline endgültig begraben zu wollen. Die EU plant entsprechende Schritte für ihr kommendes achtzehntes Sanktionspaket gegen Russland.
Bundesregierung stand Klimastiftung skeptisch gegenüber
Die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) war zwar auch für den Bau von Nord Stream 2. Der Gründung einer Klimastiftung durch das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern stand sie allerdings skeptisch gegenüber. Auch wenn die Stiftung laut Landesregierung wie ein Schutzschirm die am Bau der Pipeline beteiligten Unternehmen schützen sollte. Denn schließlich sollte es sich um ein "rein privatwirtschaftliches Projekt" handeln, wie die Kanzlerin mit Blick auf die Kritik aus Osteuropa immer wieder betonte. Eine staatliche Stiftung, die auch gegründet wurde, um den Fertigbau von Nord Stream 2 sicherzustellen, passte da nicht ins außenpolitische Konzept. Das musste auch der damalige Landeswirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) erfahren.
Bundeswirtschaftsminister Altmeier "was not amused"
Zwei Minuten dauerte sein Telefonat mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier Anfang Januar 2021, erinnerte sich Glawe vor den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses. Darin habe er Altmeier mitgeteilt, dass der Landtag in Schwerin am folgenden Tag die Gründung der Stiftung beschließen werde. "Altmeier war nicht begeistert", so Glawe. Auf die Nachfrage von Parlamentariern, warum der Bundeswirtschaftsminister nicht begeistert war, konnte oder wollte Glawe keine Auskunft geben. Altmeier habe am Telefon genuschelt und er habe das nicht richtig verstanden. Auch wenn Glawe auf Nachfrage des NDR einräumte, Nord Stream 2 und die Gründung der Stiftung sei aus heutiger Sicht womöglich ein Fehler gewesen, so verteidigte der ehemalige Landeswirtschaftsminister doch das Handeln vor dem russischen Angriffskrieg. Das "billige Gas" aus Russland habe der Wirtschaft und den Menschen in Deutschland geholfen.
Glawe setzte auf Russland als Investor
Glawe warb auch für andere Projekte in Mecklenburg-Vorpommern um Geld aus der Russischen Föderation. Wie das Investigativportal "Correctiv" diese Woche berichtete, ernannte Glawe im Jahr 2017 den Handelsgesandten an der russischen Botschaft in Berlin zum "Wirtschaftsbotschafter" Mecklenburg-Vorpommerns. Andrej Zverev unterhielt enge Kontakte nach Mecklenburg-Vorpommern. So war er an der Gründung des Ostinstituts in Wismar beteiligt, dem Kritiker Lobbyismus für Russland vorwerfen. Außerdem trat er bei den Russland-Tagen der Landesregierung auf.
Mutmaßlicher Spion war Wirtschaftsbotschafter MV
Allerdings gibt es seit Jahren immer wieder Meldungen darüber, dass Zverev Verbindungen zu Putins Auslandsnachrichtendienst SVR unterhalten soll. Laut "Correctiv" soll ein entsprechendes Dossier in Berlin bekannt sein. Glawe erklärte vor dem Untersuchungsausschuss, Zverev sei in Mecklenburg-Vorpommern bekannt gewesen und man habe geglaubt, dass er der Richtige gewesen sei, um weitere wirtschaftliche Beziehungen zu fördern. Auf Nachfrage des NDR am Rande der Sitzung, ob es eine Überprüfung Zverevs gegeben habe, sagte Glawe: "Wir haben ihn damals berufen, ohne ihn sicherheitsüberprüfen zu lassen. Aber die Frage ist ja auch: Wo?" Auf die Idee, beim Bundesnachrichtendienst nachzufragen ist damals offensichtlich niemand in der Landesregierung gekommen. Für den Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, Hannes Damm, ist das typisch für das Vorgehen der Landesregierung vor dem russischen Angriffskrieg: "Das ist wirklich exemplarisch für die Blauäugigkeit, die da geherrscht hat. Man ist einfach davon ausgegangen, dass jeder, der in der russischen Botschaft arbeitet, schon überprüft wurde." Das Land hätte von sich aus eine nachrichtendienstliche Einschätzung einholen müssen.
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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 14.06.2025 | 19:30 Uhr