
Hessen Hessische Hochschulen in Sorge: Trumps Politik erschwert Forschungsaustausch
Bildungsreisen sollen den Horizont erweitern, werden aber in die USA unter Donald Trump für Studierende aus Hessen schwieriger. Lehrkräfte überdenken ihre Exkursionen dorthin. Die Landesregierung hofft auf einwanderungsfreudige Forscher aus Amerika.
Ob undurchsichtige Einreisebestimmungen oder Forschungseinschränkungen an amerikanischen Universitäten - die Politik von US-Präsident Donald Trump sorgt auch an hessischen Universitäten für Unruhe. Zum Beispiel bei der Teilnahme an Studienexkursen mit dem Ziel USA oder an dortigen wissenschaftlichen Konferenzen.
Seit mehreren Jahren reisen Studierende der Universität Gießen zu Fortbildungszwecken in die Vereinigten Staaten. Ob diese Reise weiterhin stattfinden wird, sei ungewiss, erzählt Kristoffer Burck, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Öffentliches Recht und Völkerrecht: "Wir überlegen uns, ob wir nächstes Jahr wieder in die USA reisen oder nach Europa oder Kanada ausweichen."
Böse Überraschung bei der Einreise
Das liege an den Erlebnissen der jüngsten Reise Anfang April, so Burck. Auf der Reise nach New York betreute er 15 Studierende. Ziel der Reise: "Wir bereiten Studierende darauf vor, an der größten Konferenz teilzunehmen, die die Vereinten Nationen simuliert." Dabei schlüpfen Studierende in die Rolle von Diplomatinnen und Diplomaten.
Doch die Einreise lief nicht so reibungslos wie erhofft. "Einer der Studierenden wurde von den Immigrationsbehörden angeblich zufällig herausgesucht und musste dann für etwa eineinhalb Stunden verschiedene Informationen zu sich, seiner Familie und Abstammung preisgeben", schildert der Wissenschaftler. "Er wurde im Prinzip verhört."
Auffällig sei gewesen, dass der Student zwar einen deutschen Pass, aber einen nicht deutsch klingenden Namen hat und aus einer Zuwandererfamilie stammt. Es habe nahe gelegen, dass das Verhör wahrscheinlich einen "rassistisch motivierten Hintergrund" hatte, sagt Burck.

Kristoffer Burck, wissenschaftlicher MItarbeiter an der Uni Gießen. Verhör hatte wahrscheinlich einen "rassistisch motivierten Hintergrund".
"Wenn nicht alle einreisen können, kommen wir auch nicht mehr"
Derartige Probleme wolle die Universität Studierenden nicht aufbürden. "Dadurch, dass unser Kurs sehr inklusiv ist und wir Studierende aus aller Welt dabeihaben, kommt bei uns der Punkt, wo wir sagen: Wenn nicht alle in die USA mit einreisen können, möchten wir überhaupt nicht in dieses Land reisen", sagt Burck: "Das ist natürlich schade." Und zwar für alle Beteiligten, da Internationalisierung oft zu besserer Forschung beitrage.
Der Besuch der Vereinten Nationen sei ein großer Teil der Fortbildung. "Die Abschlussversammlung findet im Raum der tatsächlichen Generalversammlung der Vereinigten Nationen statt - das ist etwas, das man nicht ersetzen kann", sagt Burck.
Umfangreiche Dokumente mitgeführt
Dabei hatte sich die Gruppe gut vorbereitet, wie Burck betont. Die Reisenden hätten eine Einladung durch die Organisation vorlegen können sowie ein Extra-Dokument mit Erläuterung, weshalb sie in die USA reisten, sowie eine unterschriebene Bestätigung durch die Professur und die Universität, dass es sich um Studierende handele, die zu Studienzwecken durch die USA reisten. Gereicht habe das offenbar in diesem Fall nicht.
"Wir haben es ein bisschen erwartet", so Burck. "Dass das dann aber so passiert ist, war in dem Moment schon eine Überraschung."
Studierende besorgt über kritische Posts
Die Teilnehmenden hätten sich vor der Einreise Sorgen gemacht, so Burck: "Zum Beispiel aufgrund dessen, dass etwa eineinhalb Wochen vorher der Fall bekannt wurde, dass ein französischer Wissenschaftler aufgrund von privaten Chats von den Immigrationsbehörden abgewiesen wurde. Verschiedene Studierende haben sich Gedanken gemacht, vor der Reise Posts zum Beispiel über den amerikanischen Präsidenten zu löschen."
Ob die Mitreisenden tatsächlich kritisch erscheinende Posts, Bilder und Kommentare von ihrem Handy löschten, ist Burck nicht bekannt.
Uni-Professor schließt USA-Reisen für sich aus
Der Professor für internationale Beziehungen und europäische Außenpolitik an der Philipps-Universität Marburg, Hubert Zimmermann, will aufgrund der aktuellen Situation keine Konferenzen mehr in den USA besuchen: "Ich arbeite zur amerikanischen Außen- und Innenpolitik und habe dazu natürlich auch kritische Sachen geschrieben. Deshalb muss man sich überlegen, ob man auch befragt werden wird bei der Einreise." Zimmermann lehrte selbst fünf Jahre in den USA.

Will Solidarität zeigen: Hubert Zimmermann, Professor für internationale Beziehungen und europäische Außenpolitik an der Philipps-Universität Marburg.
Seine Entscheidung sei auch "eine gewisse Art von Protest", sagt Zimmermann. Zum einem wolle er Solidarität zeigen mit Kollegen aus Ländern, denen die Einreise in die USA erschwert werde.
Zum anderen mache er sich Sorgen um seine amerikanischen Kollegen. Zimmermann kritisiert "eine massive Einschränkung der akademischen Freiheit". Und dass bestimmte Studierende nun überprüft werden müssten und die Regierung es bestrafe, wenn diese an Protestaktionen oder ähnlichem teilnähmen. "Das ist für die USA absolut ungewöhnlich und inakzeptabel."
Weniger USA-interessierte Studenten an TU Darmstadt
Diesen Eindruck scheinen zunehmend auch Studierende zu haben. Die Frankfurt University of Applied Sciences erreichen zurzeit Nachfragen von Studierenden, die sich Sorgen machen, Probleme bei der Einreise zu bekommen, wie die Hochschule dem hr auf Anfrage berichtet.
Die Technische Universität Darmstadt hat einen Rückgang der Bewerbungen für die angebotenen USA-Programme festgestellt, wie sie auf Anfrage mitteilt. Diese sei für 2025/26 im Vergleich zu 2024/25 von rund 110 auf 80 Bewerbungen gesunken.
Umgekehrt zeige sich ein leichter Anstieg von interessierten Austauschstudenten aus den USA. Insgesamt liegen die Zahlen im Vergleich zu anderen Ländern mit rund 30 immer noch auf einem niedrigen Niveau, aber die Nachfrage steigt nach Auskunft der TU Darmstadt leicht.
Minister: "Angriff auf Freiheit der Wissenschaftler"
Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) hofft noch auf eine Stärkung der Wissenschaftskooperationen mit den USA. Er begreift die Politik der US-Administration als "großen Angriff auf die internationale Freiheit der Wissenschaft".
Wissenschaft sei global, betont Gremmels gegenüber dem hr. Und er warnt vor den Folgen von Trumps Entscheidungen: "Die USA wollen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Sie wollen aus der Weltgesundheitsorganisation aussteigen. Gewisse Gesundheitsdaten und Klimadaten werden gar nicht mehr erhoben. Das ist ein großes Drama für die Wissenschaft."
"Den einen oder anderen zurückholen"
Wenn in den USA nicht mehr frei gearbeitet werden könne, könne Hessen möglicherweise bei Gesundheitsforschung, Pharmazie, Biotechnologie und Energie interessant als Forschungsstandort für amerikanische Wissenschaftler werden, hofft Gremmels: "Da können wir sicherlich den einen oder anderen zurückholen." Dazu solle das sogenannte 1.000-Köpfe-Programm der Bundesregierung zum Anwerben von Wissenschaftlern aus dem Ausland beitragen.
"Das kann aber keine Lösung des Problems sein. Wir sind auf eine globale Wissenschaftsfreiheit angewiesen", betont der Minister. "Wir brauchen die USA als Partner, insbesondere auch für unsere Hochschulkooperation."
Sprache und Ausstattung sprechen gegen Deutschland
Ob sich tatsächlich Forscher aus den USA Deutschland oder Hessen zuwenden - die deutsch-amerikanische Politologin Cathryn Clüver Ashbrook zweifelt daran.
"Möglicherweise im Bereich der Sozialforschung oder der soziokulturellen Forschung, wo die Leute ihre Bücher zusammenpacken." Nicht jedoch für Spitzenforscher, die Labore und Ressourcen und entsprechende Gehälter erwarteten, sagt Clüver Ashbrook: "Die Europäer werben mit Freiheitsethos, aber sie bauen nicht von jetzt auf gleich die notwendige Hochtechnologie auf." Auch die Sprachbarriere könne gegen Deutschland sprechen.
"Das ist ein Kulturkampf"
Clüver Ashbrook, die in Wiesbaden aufgewachsen ist und sich derzeit an ihrer früheren Universität, der Brown University in den USA, aufhält, blickt entsetzt auf die derzeitigen Ereignisse: "Wir haben hier in den letzten drei Monaten eine unglaubliche Einschränkung bis hin zur faktischen Zerstörung von Forschungsarbeit gesehen."

Politologin Cathryn Clüver Ashbrook: "Die Europäer werben mit Freiheitsethos, aber sie bauen nicht von Jetzt auf Gleich die notwendige Hochtechnologie auf."
Die renommierte Universität Harvard zum Beispiel habe quasi über Nacht eine Forschungsarbeit zur Impfung gegen Tuberkulose beenden müssen, berichtet Clüver Ashbrook. Auch die Brown University sei von Kürzungen durch die Regierung betroffen.
Clüver Ashbrooks Eindruck: "Donald Trump will die vermeintlichen Eliten auseinandernehmen, die seinen Wählern ein Dorn im Auge geworden sind. Das ist ein Kulturkampf."
Austauschdienst: Steigende Nachfrage für Deutschland
Immerhin beim Wissenschaftsnachwuchs in den USA hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bereits eine wachsende Nachfrage für einen Aufenthalt in Deutschland ausgemacht. Der DAAD betreut und fördert den Austausch von Studierenden und Doktoranden.
"Wir nehmen hier in den USA auf den Karrieremessen verstärktes Interesse an Deutschland und auch anderen europäischen Ländern wahr. Die Teilnehmerzahlen steigen", sagt Christian Strowa, der als Leiter der DAAD-Außenstelle in New York für die USA und Kanada zuständig ist.
"Die Konkurrenz schläft nicht"
Dabei handele es sich überwiegend um Studierende aus den sogenannten Drittstaaten, die also im Moment in den USA forschen, aber keinen US-amerikanischen Pass besitzen. Diese seien besonders von Ungewissheit betroffen.
Deutschland brauche sich als zweitbeliebtestes Land bei internationalen Wissenschaftlern zwar nicht zu verstecken, so Strowa: "Aber es gibt auch Briten, Kanadier und Australier. Das ist eine Konkurrenz, die nicht schläft."