Ein Feuerwehrauto von vorne in einer Garage in einem alten Fachwerkhaus.

Hessen Alarmstufe rot: Darum sind so viele Feuerwehrhäuser in Hessen mangelhaft

Stand: 27.04.2025 07:10 Uhr

In vielen Feuerwehrhäusern besteht dringender Handlungsbedarf. Nötige Modernisierungen verschlingen Millionen. Da Geld vielerorts fehlt, soll künftig weniger streng kontrolliert werden.

Von Jörn Perske

Viele alte Feuerwehrhäuser in Hessen sind in einem mangelhaften Zustand und entsprechen nicht den Vorschriften. Der Uralt-Bau in Nieder-Breidenbach, einem Ortsteil von Romrod (Vogelsberg), ist dafür ein typisches Beispiel. Hier hat die Freiwillige Feuerwehr zwar ein neues Einsatzfahrzeug. Es steht aber in einem Jahrhunderte alten, unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkbau. Der bereitet der Feuerwehr Probleme, weil er nicht modernisiert werden darf.

Schon beim Öffnen des äußerlich ramponiert wirkenden Holztors zeigt sich das Bild einer in die Jahre gekommenen Feuerwache, die nicht mehr zeitgemäß ist. Vor allem ist sie für immer mehr Material und größere Fahrzeuge der Brandschützer viel zu eng geworden.

Auch ein paar Kilometer weiter im Stadtteil Zell darf man keine Platzangst haben. Beim Ein- und Ausparken der großen Fahrzeuge kommt es in den kleinen Gebäuden auf Maßarbeit und zentimetergenaues Rangieren an. Bei einem Alarm müssen die Einsatzkräfte wegen der Enge sogar draußen einsteigen.

Ein Feuerwehrauto von vorne in einer Garage stehend.

Beim Ein- und Ausfahren der großen Feuerwehrfahrzeuge in den mittlerweile viel zu kleinen Garagen kommt es auf Maßarbeit an - wie hier am Stützpunkt in Romrod-Zell.

Alarmstufe rot im Prüfsystem

In Romrod sind alle fünf Feuerwehrhäuser in den fünf Stadtteilen in keinem ordnungsgemäßen Zustand. Laut einem Bericht des Technischen Prüfdienstes Hessen (TPH) besteht unverzüglich Handlungsbedarf, um die Mängel zu beseitigen. Im System der Prüfer heißt es farblich gekennzeichnet: Alarmstufe rot. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse vor kurzem in einer Großen Anfrage, die Innenminister Roman Poseck (CDU) für die Landesregierung beantwortete.

Romrod ist kein Einzelfall in der Region. Im Vogelsbergkreis und im benachbarten, ebenfalls ländlich strukturierten Schwalm-Eder-Kreis befinden sich die meisten Feuerwehrhäuser in Hessen, die im Prüfbericht ein "mangelhaft" bekamen. Im Vogelsberg sind es 132 (von 168 untersuchten) und im Schwalm-Eder-Kreis sogar 189 (von 214). Am wenigsten mangelhafte Bewertungen gab es - abgesehen von kreisfreien Städten wie etwa Darmstadt (2) und Offenbach (4) - im Kreis Groß-Gerau 24 (von 33).

Hessen-Karte mit Landkreisen. Fünf Landkreise sind eingefärbt, beschriftet und mit Zahlen versehen. Obendrüber steht: "Mangelhafte Feuerwehrhäuser in Hessen"

Das sind die fünf Landkreise in Hessen mit den meisten als mangelhaft bewerteten Feuerwehrhäusern.

De Kreise Schwalm-Eder und Vogelsberg sind nach absoluten Zahlen die traurigen Spitzenreiter in einem Bundesland, in dem sogar mehr als 70 Prozent der Feuerwehrhäuser laut Untersuchung nicht vorschriftsmäßig sind und wo laut Prüfdienst unverzüglich gehandelt werden sollte.

"Wir sind alarmiert"

Der Landesfeuerwehrverband Hessen beobachtet die Entwicklung der jüngsten Vergangenheit und die Prüfresultate Überprüfung mit Sorge. "Wir sind alarmiert - und das nicht erst seit gestern", sagte Präsident Norbert Fischer dem hr. Er sieht Handlungsbedarf. Beunruhigt blickt auch der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) auf die "Zunahme und die Vielzahl der festgestellten Beanstandungen der Feuerwehr-Gerätehäuser".

Das Hessische Innenministerium spricht in seiner Bewertung gnädiger von "Optimierungsbedarf" in den meisten Feuerwehrhäusern und will keine pauschale, landesweite Bewertung der Anlagen abgeben. Die Landesregierung nehme die Ergebnisse aber "sehr ernst".

Mängellisten rasch gefüllt

Die Ursachen für die Mängel sind vielfältig - und die Beanstandungen zum Teil hausgemacht durch Behörden und Bürokratie. Die Prüfer leisten Dienst nach Vorschrift und listen gnadenlos auf, was nicht den Maßgaben entspricht, wie die Feuerwehren berichten. Zugrunde gelegt werden Vorgaben aus dem Bundesrecht, etwa Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften.

Und so wächst die Mängelliste bei den Ortsbesuchen der Prüfer schneller, als die Feuerwehrleute mitschreiben können. Beispielsweise führt auch eine nicht fristgemäße Überprüfung von Elektrogeräten schon zu einem Defizit, auch dann, wenn nur die Protokolle fehlen.

Feuerwehr Romrod

Zu wenig Platz zum Einsteigen stellt einen erheblichen Mangel dar. Wie eng es zuweilen in Feuerwehrhäusern in Romrod zugeht, verdeutlicht Stadtbrandinspektor Björn Müller mit einem Maßband.

Die Feuerwehr aus dem Vogelsberg berichtet, dass es auch schon Rügen gegeben habe, wenn Leitern nicht der Norm entsprachen, falsch angebracht wurden oder wenn Sitzbänke für Feiern im Feuerwehrhaus gelagert werden. So etwas werde schnell als Stolperfalle angesehen, weiß der Vogelsberger Kreisbrandirektor Marcell Büttner um die Sichtweise der Behörden.

"Klingt erschreckend, muss aber relativiert werden"

Büttner sagte zum Bericht, der den Wehren in seinem Landkreis ein schlechtes Zeugnis ausstellt: "Der Prüfbericht klingt erstmal erschreckend. Aber man muss relativieren: Nicht jedes beanstandete Feuerwehrhaus ist marode, baufällig und muss abgerissen werden." Ein Problem sei aber: "Die Feuerwehrfahrzeuge werden immer größer und passen nicht mehr in die Garagen. Da ist dann zu wenig Platz zum Umlaufen des Fahrzeugs, und die Türen können nicht mehr richtig geöffnet werden", veranschaulichte er.

Der Kreis könne und wolle den Wehren in den Kommunen aber keine Vorschriften machen im Umgang mit den Mängeln oder wenn es etwa es um die Organisation möglicher neuer Standorte gehe. "Wir können als Kreis nur unterstützen, beraten und Denkanstöße für Lösungen geben."

Problem erkannt: Aus fünf mach' zwei

In Romrod, wo der Mangel zum Alltag gehört, werden nun erste Konsequenzen gezogen. Die fünf defizitären Feuerwachen sollen dicht gemacht werden und zwei neue Stützpunkte an strategisch günstigen, noch zu findenden Standorten errichtet werden.

"Neubauten an allen fünf Standorten sind nicht zu stemmen", betont Bürgermeister Hauke Schmehl (CDU). Politische Beschlüsse sind zum weiteren Verfahren zwar noch nicht gefallen. Die Stadt hat sich aber schon mal potenzielle Areale für neue Feuerwehrhäuser gesichert.

Feuerwehr Romrod

Bürgermeister Hauke Schmehl (li.) und Stadtbrandinspektor Björn Müller stehen vor der Herausforderung, neue Feuerwehrhäuser zu bauen und die Struktur der Brandschützer in Romrod neu aufzustellen.

Eines der Hauptprobleme ist aber die Finanzierung. Romrod rechnet mit Kosten von bis zu zehn Millionen Euro für die beiden Stützpunkte. Das ist eine schwere Hypothek für die klamme Kleinstadt mit ihrem defizitären Haushalt. Rathaus-Chef Schmehl hat zudem noch andere Pflichtaufgaben zu bewältigen. Geld kosteten auch die Kanalsanierung, die Aufgaben durch die Flüchtlingskrise und nötige Investitionen in Kindergärten. "Das sind Millionen-Projekte", stöhnt er. Und jetzt auch noch die Feuerwehr.

Kritik vom Feuerwehrverband

Solche Klagen kommen dem Landesfeuerwehrverband bekannt vor. Einerseits kritisiert Verbandspräsident Fischer: Die Kommunen hätten rechtzeitig Rücklagen bilden müssen, um auf absehbar aufkommende Mängel reagieren zu können. Andererseits sei die finanzielle Unterstützung der Kommunen durch Land und Bund nicht ausreichend.

Der Feuerwehrverband regt auch an, dass pragmatischer bei Planung und Bau von der Wehrhäuser vorgegangen werden solle. "Da entstehen schnell hohe Summen. Vor allem wenn Architekten sich selbstverwirklichen." Und auch der Vogelsberger Kreisbrandsinspektor Büttner rät: "Zweckbauten in drei Standard-Größen wären eine Option." Es müsse mehr standardisiert und vereinfacht werden.

Lösung: Latte herunterschrauben

Mittlerweile haben auch Behörden und Politik erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Vor allem mit Blick auf Bürokratie und gesetzliche Standards. Da die Latte der Ansprüche zu hoch liegt, soll sie künftig heruntergesetzt werden. So hieß es aus dem Innenministerium in Wiesbaden: "Nicht jede festgestellte Beanstandung bedarf der Behebung." Bürokratie müsse auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden.

Kommunen und Hilfsorganisationen würden mit der Umsetzung von Standards in vielen Bereichen "überfordert und unverhältnismäßig belastet", räumte Innenminister Poseck ein. Er appellierte für das "richtige Augenmaß". Deshalb habe er auf der vorigen Innenministerkonferenz eine länderübergreifende Initiative angestoßen, die Feuerwehren von überbordender Bürokratie befreien soll.

Der Rotstift soll seltener zum Einsatz kommen

Was Hessen selbst anpassen kann, will das Land tun. Poseck erklärte: Künftig würden in Abstimmung zwischen Kommune und dem Prüfdienst Abweichungen von Normvorgaben in Bereichen wie Sicherheitsabständen und Dieselmotor-Emissionen in Fahrzeughallen nicht mehr als "rote Mängel" vermerkt.

Somit dürfte es zwangsläufig darauf hinauslaufen, dass die Infrastruktur der Feuerwehr als weniger defizitär bei den Prüfungen erscheint. Das dürfte dann auch Innenminister Poseck erfreuen, der für die Gefahrenabwehr und Feuerwehr in Hessen zuständig ist. Er bezeichnete die Feuerwehr als besonders leistungsfähig. Und jedes Jahr würden viele Million für die Brandschützer zur Verfügung gestellt - auch und gerade für die modernisierungsbedürftigen Feuerwehrhäuser.

Das investiert Hessen in Brand- und Katastrophenschutz
Das Land Hessen tätigt nach eigenen Angaben "erhebliche Investitionen" für eine bestmögliche Ausstattung und Aufstellung des Brand- und Katastrophenschutzes. Im Vorjahr wurden 47 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, davon flossen rund 20 Millionen Euro in die Förderung von kommunalen Feuerwehrfahrzeugen und -häusern. In den vergangenen zehn Jahren (2015 bis 2024) seien es fast 200 Millionen Euro gewesen. Sie gingen in die Förderung von 1.770 kommunalen Feuerwehrfahrzeugen und 567 Feuerwehrhäusern. In diesem Jahr sind knapp 69 Millionen eingeplant, wie das Innenministerium auf Anfrage erklärte.