
Hamburg Mecklenburg-Vorpommern Weltblutspendetag: "Einfacher kann man anderen nicht helfen"
Carsten Heitmann hat bereits 220 Mal Blut gespendet, für ihn eine Selbstverständlichkeit. Doch es gibt einen akuten Mangel an Blutspenden - vor allem Erstspender fehlen. Dabei kann man so recht einfach Menschen helfen - so wie Jan Böttcher, den Bluttransfusionen durch die Chemotherapie trugen.
Jan Böttcher ist 29 Jahre alt, als 2019 akute lymphatische Leukämie bei ihm diagnostiziert wird. Mehrere Monate Chemotherapie gegen den Blutkrebs folgen. "Da liegt man halt müde und platt im Krankenhausbett", erinnert sich Böttcher. "Dann gibt es Blutspenden, damit man wieder aufgepäppelt wird, damit die Blutwerte nicht komplett im Negativen sind. Das ist dann schon entscheidend, den Körper wieder aufzubauen, sodass er dann auch weiter kämpfen kann."
Mehrmals in der Woche, teilweise sogar täglich, erhält der Hamburger Bluttransfusionen. Diese retten ihm zwar nicht direkt das Leben, aber ermöglichen erst die Therapie, an deren Ende eine Stammzellspende steht. Den Blutspendern ist er unendlich dankbar. Er empfinde "ein positives Glücksgefühl, weil es Leute gibt, die auch an andere Menschen denken".
Carsten Heitmann bei seiner 220. Blutspende
Einer von ihnen ist Carsten Heitmann. Er spendet seit 1976 regelmäßig sein Blut. Ohne viel Aufwand könne er so anderen Menschen helfen. "Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit", sagt Heitmann. In dieser Woche ist er nach eigenem Bekunden bei seiner 220. Blutspende im Hamburger Universitäts-Klinikum Eppendorf (UKE).
Angefangen habe alles bei der Bundeswehr. Da habe es eines Tages einfach geheißen: "Zack, alle Mann rein in den Bus und Blut spenden!" Seitdem sei er dabei. "Solange meine Gesundheit mitspielt, bin ich weiterhin hier. Früher hat man gesagt, nur so bis zum sechzigsten Lebensjahr. Aber das ist revidiert."
Eine Höchstaltersgrenze gibt es seit November 2023 nicht mehr. Grundsätzlich können heute alle gesunden Erwachsenen ab 18 Jahren mit einem Mindestgewicht von 50 Kilogramm Blut spenden. Vor jeder Blut- oder Plasmaspende wird geprüft, ob alle Voraussetzungen für eine Spende erfüllt sind.
Aufruf zum Mitmachen anlässlich des Weltblutspendetags
Anlässlich des Weltblutspendetags am 14. Juni rufen Politik, Hilfsorganisationen und Mediziner zu Blut- und Plasmaspenden auf. Sie retteten Leben und ermöglichten lebenswichtige Therapien, Operationen und Notfallbehandlungen, sagt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze.
Zahl der Spender gesunken - vor allem der Erstspender
Doch das Deutsche Rote Kreuz teilte mit, dass die Zahl der Blutspender in Deutschland im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen sei. Demnach kamen 2024 rund 3,16 Millionen Menschen zu einem der bundesweit 40.696 DRK-Blutspendetermine. Das waren etwa 11.000 weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der Erstspender sank noch deutlich stärker - von 307.164 im Jahr 2023 auf 288.524 im vergangenen Jahr.
Transfusionsmediziner: "Dramatische Entwicklung"
"Es ist eine ganz dramatische Entwicklung, die wir uns, glaube ich, noch nicht so richtig eingestanden haben", sagt Sven Peine, Facharzt für Transfusionsmedizin am UKE. Es sei vergleichbar mit dem Rentensystem, das auch vor Problemen stehe, "wenn die Boomer fehlen, die jetzt noch einzahlen. Nur bei der Blutspende können sie nichts zurücklegen", sagt Peine.
Aufgrund der kurzen Haltbarkeit können laut DRK nur bedingt Lagerbestände aufgebaut werden. So seien Blutplättchen nur vier Tage lagerfähig. "Wir haben im UKE immer so Vorräte für drei bis fünf Tage in die Zukunft", sagt Transfusionsmediziner Peine. Zudem werde sichergestellt, dass Notfälle - zum Beispiel aufgrund großer Unfälle - sofort versorgt werden können.
Gibt es nicht genug verfügbare Blutspenden, dann könnten vorbereitete Operationen oder geplante Chemotherapien "nur verspätet beginnen und im Extremfall gar nicht mehr durchgeführt werden. Das kostet in letzter Konsequenz, wenn niemand mehr kommt, auch Menschenleben", sagt Peine.
Demographischer Wandel verschärft die Lage
Derzeit spenden nur rund drei Prozent der Menschen in Deutschland Blut, und viele davon sind über 60 Jahre alt - so wie "Superspender" Carsten Heitmann. Während die Bevölkerung insgesamt altert und deshalb immer mehr regelmäßige Spender ausscheiden oder gar ihrerseits auf Transfusionen angewiesen sind, sinken insbesondere in den jüngeren Altersgruppen die Spenderzahlen - eine demographische Entwicklung, die langfristig zur Herausforderung für die Versorgungssicherheit werden könnte, mahnt das Rote Kreuz.
"Sie brauchen immer junge, gesunde Menschen, die spenden", sagt auch UKE-Mediziner Peine. "Und die sind immer schwieriger zu finden." Probleme bei den Vorräten an Spenderblut gibt es bereits jetzt immer wieder in Ferienzeiten - insbesondere im Sommer durch Urlaube oder Hitzewellen.
Forschung an Alternativen dauert
Und die Hoffnung, dass künstliche Alternativen Spenderblut ersetzen, werde auf absehbare Zeit nicht erfüllt. "Weder künstliche Sauerstoffträger, an denen viel geforscht wird, noch Blutzellen, die man aus Stammzellen und Bioreaktoren züchtet, werden wahrscheinlich in den nächsten 20 Jahren dazu führen, dass wir auf Blutspenden verzichten können", sagt Peine. "Es wird weiterhin auf Menschlichkeit ankommen, um Spitzenmedizin zu ermöglichen."
"Einfacher kann man anderen Menschen nicht helfen"
So wie auf die hundertfache Menschlichkeit von Carsten Heitmann. Für den "Superspender" ist es keine große Sache, vier Mal im Jahr zum Aderlass zu gehen. "Es ist nur die kleine Nadel, und die merkst du kaum", sagt Heitmann. Und die Zeit müsse man sich natürlich nehmen. Doch für ihn steht fest: "Einfacher kann man anderen Menschen nicht helfen. Und irgendwann kommt man vielleicht in die Situation, wo man selbst eine Transfusion braucht. Und dann kann man doch nur froh sein, wenn ein Vorrat da ist."
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NDR Info | 14.06.2025 | 08:15 Uhr