
Hamburg Erster Veteranentag am Sonntag: Soldaten ringen um Anerkennung
Am Sonntag wird erstmals in Deutschland der Veteranentag gefeiert. Die frühere Luftlandesanitäterin Annika Schröder erhofft sich dadurch mehr Wertschätzung in der Bevölkerung - aber auch in der Bundeswehr selbst. Denn sie musste lange für die Anerkennung ihrer Einsatzschädigung kämpfen.
Der Karfreitag am 2. April 2010 ist bis heute ein schwarzer Tag für die Fallschirmjäger aus dem niedersächsischen Seedorf. Mehr als acht Stunden standen Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 373 in Isa Khel nahe Kundus im Feuer der Taliban. Drei Soldaten starben an diesem Tag, acht wurden verwundet. Mittendrin war auch Luftlandesanitäterin Annika Schröder aus der Kaserne im Landkreis Rotenburg (Wümme), damals gerade mal 25 Jahre alt, in ihrem ersten Auslandseinsatz. Als Teil eines Beweglichen Arzttrupps (BAT) holte sie Tote und Verletzte heraus. Zurück in Deutschland bemerkte sie, wie sehr sie das Erlebte belastete, wurde psychisch krank.
"Der Tag, der mein Leben zerstört hat"
"Es ist der Tag, der mein Leben zerstört hat", sagt Schröder rückblickend. Ausgezeichnet mit der "Einsatzmedaille Gefecht" und dem Ehrenkreuz riskierte sie ihr Leben für die Bundeswehr - und fühlte sich jahrelang von ihr im Stich gelassen: "Ich habe dafür unterschrieben, das Land tapfer zu verteidigen und mein Leben für die Kameraden einzusetzen. Dass der Feind einmal mein eigener Vorgesetzter und mein eigener Dienstherr ist, der aus meiner Wahrnehmung alles daransetzt, um mich in den Suizid zu treiben - das habe ich nicht unterschrieben."

Annika Schröder lebte für ihren Beruf - und fühlte sich dann alleingelassen von ihrem Dienstherrn.
Die Bundeswehrmediziner erkennen ihr Trauma lange nicht, die Verwaltung verweigert ihr entsprechende Entschädigung. Erst 15 Jahre nach dem Gefecht hat die Bundeswehr im Mai nach hartem Ringen die Diagnose PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) gestellt und als Einsatzschädigung anerkannt.
"Ich habe ja auch wahnsinnig tolle Sachen in der Bundeswehr erlebt", sagt die heute 40-Jährige, die gerne Soldatin war und für ihren Beruf gelebt hat. Es gebe auch positive Fälle bei der Anerkennung sogenannter Wehrdienstbeschädigungen wegen psychischer Krankheiten, aber "die Bundeswehr ist leider nicht unbedingt immer der fairste Arbeitgeber in Bezug auf die Einsatzschädigung".
Veteranentag soll für Einsatzgeschädigte sensibilisieren
Die inzwischen dienstunfähige Sanitäterin wünscht sich, dass solche Themen mehr in die Öffentlichkeit getragen werden. "Was bedeutet der Dienst persönlich für die Soldaten, aber auch für die Familien in aller Konsequenz?" Der Veteranentag sei eine gute Möglichkeit, dass das Thema Einsatzveteranen mehr an die Öffentlichkeit getragen und für die Einsatzschädigung mehr sensibilisiert werde, "gerade für uns psychisch Einsatzgeschädigte, weil es eine Kriegsverletzung ist, die man nicht sieht".

Im Einsatz in Afghanistan holte Annika Schröder Tote und Verletzte aus dem Gefecht am Karfreitag 2010. Danach wurde sie psychisch krank.
Veteranen und ihre Verbände erhoffen sich mehr Wertschätzung in der deutschen Bevölkerung, die der Truppe und ihren Einsätzen lange Jahre skeptisch gegenüberstand. Seit Beginn des Ukrainekriegs verbesserte sich das Image allerdings deutlich.
Anerkennung fordern die Veteranen zudem von der Politik, die über Struktur und Einsätze der Parlamentsarmee entscheidet. Und nicht zuletzt geht es um mehr Anerkennung innerhalb der Bundeswehr. Viele der körperlich und seelisch Verwundeten unter den mehr als 450.000 Veteranen mit Einsatzerfahrung berichten von übermäßiger Bürokratie und oft jahrelangen Verfahren um Entschädigung.
Verfahren und Zusammenspiel der Behörden als Problem
"Aus meiner Sicht sind das keine Einzelfälle, sondern es sind eher Einzelfälle, wo es gut läuft", sagt Andreas Eggert, Generalsekretär des Bundes Deutscher Einsatzveteranen. Der Ex-Soldat aus der Nähe von Lüneburg hat schon viele Einsatzgeschädigte beraten, auch Annika Schröder. Nach seiner Erfahrung gebe es dabei ganz tolle Einheiten, die sich um die Betroffenenen gut kümmerten, sehr gute Truppenärzte und auch willige Sachbearbeiter im Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr. "Es sind die Verfahren, die es den Betroffenen so schwierig machen und das Zusammenspiel der Behörden", sagt Eggert. "Und wir dürfen eben nicht vergessen, es sind schwer kranke Menschen, die Schlimmes erlebt haben. Und das ist die Problematik, wo die Bundeswehr besser werden muss, um diese Menschen zu integrieren."

Aus Sicht von Ex-Soldat Andreas Eggert läuft es bei der Bundeswehr nur in den wenigsten Fällen gut, wenn es um die Anerkennung von Einsatzschädigungen geht.
Umgang wirft schlechtes Licht auf Bundeswehr als Arbeitgeber
Aus Sicht vieler Einsatzgeschädigter wirft der Umgang mit ihnen ein schlechtes Licht auf die Bundeswehr als Arbeitgeber in Zeiten erhöhten Personalbedarfs und Nachwuchsmangels. "Wenn potenzielle Bewerber sehen, wie die Bundeswehr mit denen umgeht, dann wird es schwer sein, auch freiwillig Menschen zu gewinnen, für unser Land einzustehen", meint Eggert. "Und für die Kriegstüchtigkeit bedeutet das eben, dass ich auf weniger Menschen zurückgreifen kann, wenn ich mit ihnen nicht vernünftig umgehe."
Annika Schröder hilft anderen Einsatzveteranen
Obwohl Annika Schröder jetzt gut versorgt ist, sind ihr die vergangenen Jahre noch sehr präsent, in denen sie "durch die "Hölle gegangen" sei. Sie habe sich dabei immer wieder selbst helfen müssen. Heute sind es vor allem ihre Tiere, die ihr Halt geben - Hunde, Schweine, Gänse, Kaninchen - und mit denen sie auf "Annis kleiner Farm" im Norden Sachsens lebt. Halt gibt ihr auch das Engagement für andere mit ähnlichen Erfahrungen, denen sie in ihrer Veteranenherberge Auszeiten ermöglicht. Mehr und mehr engagiert sie sich auch öffentlich, mit Social-Media-Posts - und einer Reise zur zentralen Veranstaltung des Veteranentages am Berliner Reichstag an diesem Sonntag.
Dazu gibt es die Trauma-Hotline: 0800 588 7957
Hilfsangebote des Deutschen BundeswehrVerbandes e.V.: https://www.dbwv.de/multimedia/fuer-veteranen/hilfsangebote
Hilfsangebote des Bundes Deutscher EinsatzVeteranen: https://www.veteranenverband.de/hilfe/
Erster Ansprechpartner bei Verdacht auf eine psychische Erkrankung ist für aktive Soldaten der Truppenarzt. Für ehemalige Soldaten und Angehörige: Hausarzt, Psychiater oder Psychotherapeut (telefonischer Terminservice: 116117)
Hilfe bei einer akuten Krise bei der nächsten psychiatrischen Klinik oder beim Notarzt unter 112
Der Sozialpsychiatrische Dienst ist ein Angebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige. Der SpDi bietet Beratung und Hilfe an. In der Suchmaschine "Sozialpsychiatrischer Dienst" und Wohnort eingeben.
Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr kostenfrei erreichbar unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
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NDR Info | Aktuell | 13.06.2025 | 07:43 Uhr