Symbolbild: Hier wird an einem Projekt zur Speicherung und zum Transport von CO2 sowie an einem landesweiten Wasserstoffnetz gearbeitet. (Quelle: dpa/ANP)

Brandenburg Experten raten Brandenburger Regierung zu mehr Offenheit

Stand: 11.06.2025 19:52 Uhr

Ein neues Gutachten macht der Brandenburger Landesregierung Vorschläge, wie künftig mit CO2 aus der Industrie umzugehen ist, um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Doch beim Punkt CO2-Speicherung weicht das Land vom Experten-Vorschlag ab. Von S. Schöbel

Ein neues Gutachten rät der Brandenburger Landesregierung zu einem offeneren Umgang mit der CO2-Speichertechnologie. Die vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Untersuchung durch das Forschungsinstitut Prognos, die am Mittwoch vorgestellt wurde, rät, die Speicherung des Treibhausgases auch innerhalb Brandenburgs "ergebnisoffen zu prüfen".
 
Laut Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) lehnt die Landesregierung die Speicherung von CO2 in unterirdischen Lagerstätten hingegen weiter ab, warnte gleichzeitig jedoch davor, dass Unternehmen Brandenburg verlassen könnten, sollte die Frage des CO2-Managements nicht geklärt werden. Brandenburg werde nicht zur CO2 -Lagerstätte, sagte Keller. "Die derzeitigen Diskussionen sind so, dass wir uns eine Offshore-Speicherung oder eine Speicherung in den nordeuropäischen Ländern vorstellen können." Dafür soll ein Leitungsnetz aufgebaut werden, in dem das Treibhausgas abtransportiert werden kann.

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Droht Abwanderung der Industrie?

Ohne den Aufbau dieser Technologien bestehe die Gefahr, dass Unternehmen etwa der Stahl- und Zementindustrie aus Deutschland abwanderten, sagte Keller. Hintergrund sind die stetig steigenden Preise für Emissionszertifikate, die Unternehmen erwerben müssen. "Wenn wir die Wertschöpfung in unserem eigenen Land haben wollen, die Industrie auch hier im Land behalten wollen, dann müssen wir Lösungen finden", so Keller. Das Gutachten zeige aber auch Chancen auf, CO2 aus der Industrie für die Herstellung anderer Produkte zu nutzen, etwa synthetische Treibstoffe.
 
Das Prognos-Gutachten wiederum rät der Brandenburger Regierung, die Speicherung von CO2 innerhalb der Landesgrenzen nicht komplett abzulehnen. Es sollte "die Bereitschaft für eine politische Diskussion mit der Option auf eine Neubewertung der Onshore-Speicherung" geben. Dafür müsse auch genau ausgerechnet werden, ob die Speicherung vor Ort, also nahe den Betrieben, kostengünstiger sei als der Abtransport und eventuell neue Jobs schaffen könnte.

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CDU kritisiert Ablehnung der CO2-Speicherung

Die CDU im Brandenburger Landtag kritisierte die ablehnende Haltung der SPD-BSW-Regierung zur unterirdischen CO2-Speicherung. Das Gutachten zeige dafür Potenziale auf, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Bommert. "Die Bundesregierung wird bewusst eine Länderöffnungsklausel schaffen, um den Bundesländern Handlungsspielräume zu geben", so Bommert. "Brandenburg will aber diese Chance nicht ergreifen – und nimmt sich selbst aus dem Spiel."
 
BSW-Wirtschaftsexperte Stefan Roth wies die Kritik hingegen zurück. "Mit dem BSW wird es keine Verpressung von CO2 im Brandenburger Boden geben." Laut Roth sind vielmehr die CO2- Bepreisung und der Zertifikatehandel dafür verantwortlich, dass Brandenburgs Unternehmen bei der Klimaneutralität unter Druck geraten würden.

Milliardenkosten für CO2-Netz

Allein für das CO2-Leitungsnetz hat Prognos eine Investitionssumme von mehr als einer Milliarde Euro errechnet. Dazu kämen weitere 2,4 Milliarden Euro, die in die sogenannte CCS-Technologie zur CO2-Abscheidung gesteckt werden müssten. Das Netz zum Abtransport des Treibhausgases würde bis 2045 rund 300 Kilometer lang werden und die Ölraffinerie in Schwedt, die Stahl- und Zementindustrie in Rüdersdorf und Eisenhüttenstadt sowie Unternehmen im südlichen Spree-Neiße-Kreis umfassen.
 
Kritische Worte für die Pläne zur Abscheidung, zum Transport und zur Lagerung von CO2 findet Axel Kruschat vom Brandenburger Bund für Umwelt und Natur. "Es ist jetzt schon klar, dass kein Unternehmen diese Technologie einführen wird, ohne hoch subventioniert zu sein." Ohne öffentliche Gelder sei die Investition aber nicht wirtschaftlich, so Kruschat. "Dieses Geld fehlt dann an anderer Stelle, wo es meiner Ansicht nach viel sinnvoller eingesetzt werden könnte."

Symbolbild: Der Geologe und Leiter des Zentrums fuer Geologische Speicherung des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ), Axel Liebscher, steht am am Mittwoch (28.08.13) in Ketzin auf der CO2-Injektionsanlage zwischen den Luftverdampfern der Anlage, die in den Himmel ragen. (Quelle: dpa/K. Gabbert)
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Klimaneutralität bis 2045

Laut Prognos-Gutachten müssten für die angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2045 insgesamt 6,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid in Brandenburg durch die CCS-Technologie vermieden werden. CCS steht als englische Abkürzung für "Carbon Dioxide Capture and Storage". Gemeint ist, dass CO2 etwa bei industriellen Prozessen eingefangen und zu einer unterirdischen Lagerstätte gebracht und dort eingespeichert wird. CCU geht noch weiter: Der Begriff steht für "Carbon Dioxide Utilization". Das abgeschiedene Kohlendioxid wird dabei weiter genutzt, etwa als Grundstoff für die chemische Industrie.

Wissenschaft nicht einig bei Gefahrenabschätzung

Zwischen 2004 und 2017 wurde im havelländischen Ketzin das erste europäische Projekt zur unterirdischen Speicherung von CO2 durchgeführt. Das zuständige Deutsche Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam sprach von einem Erfolg und bezeichnete die Methode als "anwendungsreif", die Risiken seien "beherrschbar".
 
Das Umweltbundesamt kam allerdings zu dem Schluss, dass die CO2-Speicherung im Erdboden durchaus eine Gefahr darstellen könnte, unter anderem für das Grundwasser. Gegen den Einsatz der Technologie gab es in Brandenburg immer wieder lokale Proteste. Gegen die Erkundung von möglichen unterirdischen Kohlendioxidspeichern gab es in Beeskow im Oder-Spree-Kreis zuletzt breiten Protest gegen das Energieunternehmen Vattenfall.
 
Die schwarz-rote Bundesregierung will ein Gesetz zur Abscheidung, unterirdischen Speicherung und Nutzung von CO2 in Deutschland verabschieden. Unter der vorherigen Ampel schaffte es das Gesetzvorhaben nicht mehr durch Bundestag und Bundesrat.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.06.2025, 18:45 Uhr